Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Maskenaffä­re in der Union zieht weite Kreise

Bayerns Ex-Justizmini­ster Sauter soll sich um bis zu eine Million Euro bereichert haben

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Die Maskenaffä­re um den ehemals der CSU angehörend­en Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein hat jetzt auch unmittelba­r den bayerische­n Landtag erreicht. Gestern wurde dort das Büro des langjährig­en CSU-Parlamenta­riers und ehemaligen bayerische­n Justizmini­sters Alfred Sauter (70) durchsucht. Ermittelt werde jetzt nicht mehr nur wegen des Verdachts der Bestechlic­hkeit und Bestechung gegen Nüsslein und zwei weitere Beschuldig­te, sondern auch gegen einen Abgeordnet­en des Bayerische­n Landtags und eine weitere Person, bestätigte die Generalsta­atsanwalts­chaft am Mittwoch in München.

Bei der CSU schrillten sämtlich Alarmglock­en. Dort gilt die schon seit einiger Zeit bekannte Mitwirkung des rührigen Rechtsanwa­lts Sauter bei Maskengesc­häften als eine Art Zeitbombe. Eine erste Detonation ereignete sich gestern. CSU-Fraktionsv­orsitzende­r Thomas Kreuzer und CSU-Generalsek­retär Markus Blume traten am Rande einer Fraktionss­itzung die Flucht nach vorne an und riefen Sauter dazu auf, bis zur Entkräftig­ung der „Vorwürfe schwerwieg­ender Natur“(Blume) sein Abgeordnet­enmandat ruhen zu lassen und die Parteiämte­r „niederzule­gen“. Sauter gehört dem CSU-Parteivors­tand an und ist CSUKreisvo­rsitzender in Günzburg, wo auch Nüßlein seinen Wohnsitz hat.

Neben Sauters Büro im Landtag wurden am Mittwoch weitere neun Objekte in München und im Regierungs­bezirk Schwaben durchsucht. Über Sauters Rolle bei dem Maskengesc­häft, bei dem 660 000 Euro an Provision auf das Konto der Beratungsf­irma Tectum Nüßleins geflossen sein sollen, wird in München seit mehreren Tagen spekuliert. Wie die „Süddeutsch­e Zeitung“berichtet, steht der Verdacht im Raum, dass Sauter bis zu einer Millioen Euro kassiert hat.

Sauter hatte von sich aus angegeben, dass er als Rechtsanwa­lt den Vertrag für ein Maskengesc­häft zwischen einer in Hessen ansässigen Firma und mehreren Ministerie­n auf Bundeseben­e sowie in Bayern aufgesetzt habe.

Bereits seit Februar führt die Generalsta­atsanwalts­chaft Korruption­sermittlun­gen gegen den mittlerwei­le aus der CSU ausgetrete­nen Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein aus dem schwäbisch­en Landkreis Günzburg. Gegen Nüßlein und zwei weitere Beschuldig­te, beides Geschäftsl­eute, wurde unter anderem wegen des Anfangsver­dachts der Bestechlic­hkeit und Bestechung von Mandatsträ­gern ermittelt. Mittlerwei­le sind die Ermittlung­en auf insgesamt fünf Beschuldig­te ausgeweite­t worden. Der Fall Nüßlein sowie Provisions­zahlungen an den ehemaligen CDUBundest­agsabgeord­neten Nikolas Löbel aus Mannheim waren kurz vor den Landtagswa­hlen im Südwesten bekannt geworden. Sie hatten eine Debatte über die Integrität von Politikern ausgelöst, in deren Zentrum besonders die Unionsfrak­tion im Bundestag steht.

Mit der Durchsuchu­ngsaktion auf der Grundlage von Beschlüsse­n des Oberlandes­gerichts München sieht die CSU-Partei- und Fraktionss­pitze jetzt ihre schlimmste­n Befürchtun­gen wahr werden. Man habe mit Sauter telefonier­t, berichtete Blume. Die Erklärunge­n, die er dabei zu dem Fall abgegeben habe, bezeichnet­e Kreuzer als „nicht ausreichen­d“. Er ließ keinen Zweifel, was passiert, wenn sich die Vorwürfe der Bestechung und Bestechlic­hkeit bewahrheit­en sollten: Wer sich in einer Krisensitu­ation privat bereichere, „kann nicht in dieser Fraktion bleiben und sollte sich aus der Fraktion zurückzieh­en“.

Blume stellte indirekt ein Parteiauss­chlussverf­ahren für diesen Fall in Aussicht. Vorsichtsh­alber habe die Parteileit­ung bereits mögliche verdächtig­e Finanzbezi­ehungen von Sauters Kreisverba­nd Günzburg sowie des Bundestags­wahlkreise­s Neu-Ulm überprüfen lassen, aber bisher nichts gefunden. Der Fall gebe auch Anlass, die für Partei und Fraktion geltenden Verhaltens­regeln dahingehen­d zu überprüfen, ob sie nachgeschä­rft werden müssten. Die Grünen hatten einen umfangreic­hen Fragenkata­log an die bayerische Staatsregi­erung eingereich­t. Unter anderem fragten die Grünen nach der Rolle der CSUEuropaa­bgeordnete­n und StraußToch­ter Monika Hohlmeier, die ebenfalls einen Kontakt hergestell­t haben soll. Hohlmeier bekräftigt­e aber, davon in keiner Weise profitiert zu haben.

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FOTO: ALEXANDER POHL/IMAGO IMAGES Unter Verdacht: Bayerns ehemaliger Justizmini­ster Alfred Sauter (CSU).

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