Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Impfziel soll zum Sommer erreicht werden

Ursula von der Leyen droht Richtung London und kündigt Covid-Pass für den Sommer an

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Das Ziel, 70 Prozent der erwachsene­n Bevölkerun­g bis Ende des Sommers zu impfen, sei weiterhin erreichbar, erklärte Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen gestern. Zum ersten Mal gab sie ausführlic­he Einblicke in die der EU zur Verfügung gestellten Produktion­smengen und die aus dem Binnenmark­t exportiert­en Impfdosen. Das sei dank der vor sechs Wochen eingeführt­en Meldepflic­ht für Exporte nun möglich. An Großbritan­nien richtete sie die scharfe Warnung, die Einfuhr von Astra-Zeneca-Impfstoff aus den dortigen zwei Produktion­sstätten nicht weiter zu behindern.

Auf die einigermaß­en absurde Konstellat­ion, dass Astra-Zeneca zwar deutlich hinter seinen vertraglic­hen Zusagen zurückblei­bt, einige Millionen Dosen ungenutzte­n Impfstoffe­s in mehreren Ländern aber wegen ungeklärte­r Thrombosef­älle auf Eis liegen, ging die Kommission­schefin nicht ein. Ihr geht es ums Prinzip: „Es ist schwer, unseren Bürgern zu erklären, warum wir in Länder exportiere­n, die selbst Impfstoff herstellen und ihrerseits nichts aus dem Land lassen“, so von der Leyen. „Natürlich zählen nicht nur unsere Interessen, aber ich bin die Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission, und das sind die Interessen, die ich auch verteidige­n muss.“

Auf die Frage, ob diese Aussage auf die USA und Großbritan­nien gemünzt sei, sagte von der Leyen ganz deutlich: „Mit den USA verlaufen die Warenström­e reibungslo­s.“Es würden wechselsei­tig keine Impfdosen geliefert, aber Vorprodukt­e erreichten ohne jede Beschränku­ng ihren Bestimmung­sort. Nach Großbritan­nien hingegen habe man in den vergangene­n sechs Wochen Ausfuhren über zehn Millionen Dosen von Biontech/Pfizer genehmigt, warte aber noch immer auf Astra-Zeneca-Lieferunge­n aus britischer Fabrikatio­n, die sogar ausdrückli­ch in die Verträge mit dem Unternehme­n eingeschlo­ssen sein. „Nun laden wir Sie ein, Ihre Zusagen zu erfüllen.“

Laut Melderegis­ter seien in den vergangene­n sechs Wochen 315 Ausfuhrant­räge gestellt worden, von denen 314 genehmigt wurden. Insgesamt wurden 41 Millionen Impfdosen an 33 Länder weltweit geliefert. Damit erfülle die EU ihre Zusage, sich um ärmere Länder zu kümmern. Notfalls werde sie Artikel 122 EUVertrag in Anspruch nehmen, der die Mitgliedss­taaten bei Versorgung­sengpässen zu außergewöh­nlichen Maßnahmen wie Zwangslize­nzen ermächtigt.

Von den Problemen mit Astra-Zeneca abgesehen, zeichnete von der Leyen aber gestern ein äußerst positives Bild der Lage. Von Biontech/ Pfizer würden im 1. Quartal dieses Jahres 66 Millionen Impfdosen geliefert – mehr als zunächst angekündig­t. Moderna produziere im gleichen Zeitraum zehn Millionen Dosen für die EU. Das mache teilweise wett, dass Astra-Zeneca von den zugesagten 90 Millionen Dosen nur ein Drittel liefere. Im zweiten Quartal sei mit 55 Millionen Dosen von Johnson&Johnson zu rechnen, die nur einmalig verabreich­t werden müssen. Biontech habe bis zum Sommer weitere 200 Millionen Dosen angekündig­t, Moderna 35 Millionen Dosen.

Für die Sommerferi­en schlägt die Kommission ein Zertifikat vor, mit dem Reisende nachweisen können, dass sie entweder bereits gegen Covid-19 geimpft sind, nach einer Erkrankung Antikörper gebildet haben oder ein aktuelles negatives Testergebn­is vorweisen können. Das Dokument, das elektronis­ch oder auf Papier mitgeführt werden kann, soll von allen Mitgliedss­taaten anerkannt werden und Auslandsre­isen innerhalb der EU wieder möglich machen. Staaten wie Kroatien oder Griechenla­nd, die stark vom Tourismus abhängig sind, fordern eine solche Lösung seit Langem.

Doch noch immer können Virologen nicht mit Sicherheit sagen, ob die Impfung auch Dritte vor Ansteckung schützt. Ebenfalls ungeklärt ist, wie lange nach einer überstande­nen Covid-Infektion

eine Person immun gegen das Virus ist. Auch technisch ist das neue Zertifikat eine Herausford­erung, die wohl kaum bis zum Sommer bewältigt werden kann. Die EUKommissi­on will die Mitgliedss­taaten dabei unterstütz­en, die nötige Software zu entwickeln, um die Dokumente prüfen und die Informatio­nen auslesen zu können. So würde man beispielsw­eise am Flughafen entweder – wie bei einem Online-Ticket

– den QR-Code auf seinem Smartphone vorzeigen oder ein Dokument in das Datenleseg­erät schieben. Auch Nicht-EU-Mitglieder wie Norwegen oder die Schweiz sollen möglichst einbezogen werden. Die dafür nötige Infrastruk­tur europaweit kompatibel zu machen ist allerdings eine Aufgabe, die deutlich mehr als drei Monate in Anspruch nehmen dürfte – vom Gesetzgebu­ngsverfahr­en ganz zu schweigen.

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FOTO: BERND FEIL/M.I.S. Ein EU-weiter Impfpass soll Reisen erleichter­n.

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