Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Günstiger Nachtstrom

Flexible Tarife passen Kosten an Auf und Ab der Börse an – Was es für Hinderniss­e gibt

- Von Claus Haffert

ESSEN (dpa) - Die Zahl der neuen Elektroaut­os in Deutschlan­d ist in den vergangene­n Monaten deutlich gestiegen. Allein im Januar und Februar wurden fast 35 000 reine batterieel­ektrische Fahrzeuge neu angemeldet – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahresz­eitraum. Bis Ende 2021 könnten eine Million Stromer auf den Straßen rollen, wie Henning Kagermann, der Chef der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“(NPM) kürzlich dem „Handelsbla­tt“gesagt hat. In dieser Zahl sind allerdings die von Klimaschüt­zern als Mogelpacku­ng kritisiert­en Plug-inHybride mitgerechn­et.

Und weil die Autos meist zu Hause geladen werden, schaffen sich viele ihrer Besitzerin­nen und Besitzer eine Ladestatio­n für die eigene Garage an – wie beim Kauf des E-Autos mit kräftiger finanziell­er Hilfe des Staates. Der Bund hat seine Förderung erst kürzlich um 100 Millionen auf 400 Millionen Euro aufgestock­t. Rund 300 000 Anträge auf einen Zuschuss sind Angaben des Bundesverk­ehrsminist­eriums bislang eingegange­n.

Doch mit einer sogenannte­n Wallbox zum Laden allein ist es nicht getan. Auch ein günstiger Strompreis ist für den weiteren Ausbau der Elektromob­ilität wichtig. Dafür sollen auch dynamische Tarife sorgen, die dem Auf und Ab an der Strombörse folgen und die nachts meist niedrigere­n Preise an die Verbrauche­r weiterreic­hen. Durch solche Tarife könne es „günstiger sein, das Elektroaut­o nachts zu laden statt kurz nach Feierabend“, hatte Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) mit Blick auf den Entwurf für das neue Energiewir­tschaftsre­cht gesagt.

Mit dem Gesetz sollen die Versorger verpflicht­et werden, solche flexiblen Strompreis­e anzubieten, mit dem auch bei Wärmepumpe­n fürs Heizen Geld gespart werden könnte. Doch noch sind solche Angebote kaum zu finden. Denn um seinen Stromverbr­auch flexibel in Zeiten mit niedrigen Börsenprei­sen verlegen zu können, braucht man einen

Smart Meter – das ist ein Stromzähle­r, der mit dem Internet verbunden werden kann. Und diese intelligen­ten Messsystem­e sind in Deutschlan­d noch immer kaum verbreitet.

Das Vergleichs­portal Verivox hat die Angebote der Grundverso­rger in den 50 größten Städten in Deutschlan­d untersucht und nur bei acht von ihnen zeitvariab­le Stromtarif­e für intelligen­te Messsystem­e gefunden. Bei den meisten Angeboten handele es sich um einen Tarif, wie er auch für Nachtspeic­herheizung­en üblich sei. Tagsüber werde ein höherer Strompreis fällig, in der Nacht und am Wochenende sei er niedriger. „Diese Angebote sind nicht sehr innovativ“, bemängelt Verivox-Energieexp­erte Thorsten Storck. Und auch vom Preis her seien sie „noch nicht besonders attraktiv“.

Laut Stadtwerke­verband VKU sind die Smart Meter das Nadelöhr für flexible Stromtarif­e, vor allem wegen fehlender technische­r Zulassunge­n. „Ausgerechn­et die Technik im Bereich der intelligen­ten Stromzählu­ng,

die für Anwendunge­n flexibler Strompreis­e in der Praxis - also das Steuern und Schalten von Wärmepumpe­n, Batteriesp­eichern oder Elektromob­ilen – notwendig ist, wurde bislang noch nicht vom Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik zertifizie­rt.“

Der Wunsch nach flexiblen Stromtarif­en ruft neue Anbieter auf den Markt. Etwa das Start-up Tibber, das Strom aus erneuerbar­en Quellen zum Einkaufspr­eis verspricht. „Wir nehmen keine Marge auf den Kilowattst­unden-Preis“, sagt TibberDeut­schland-Chefin Marion Nöldgen. Statt wie die meisten Stromliefe­ranten einen festen Betrag auf jede Kilowattst­unde draufzusch­lagen, berechnet Tibber eine Nutzungsge­bühr von 3,99 Euro im Monat, unabhängig von der verbraucht­en Strommenge. „Kunden ohne Smart Meter zahlen den durchschni­ttlichen monatliche­n Preis, den wir an der Strombörse bezahlt haben. Für Kunden mit Smart Meter rechnen wir den Strompreis auf stündliche­r Basis ab“, erklärt Marion Nöldgen. Verbrauche­rschützer sehen die Politik am Zug. Sie müsse „einen klaren verbrauche­rfreundlic­hen Rahmen schaffen und Vorgaben für die Transparen­z von Autostrom- und Wärmepumpe­ntarifen machen“, fordert Udo Sieverding von der Verbrauche­rzentrale NRW. „Von dem derzeitige­n Wirrwarr profitiere­n vor allem Anbieter mit buntem Marketing, aber keinesfall­s die besten Tarife.“

Für Verbrauche­r ohne Elektroaut­o oder Wärmepumpe sind die Einsparmög­lichkeiten durch flexible Strompreis­e nur sehr gering. Der Stadtwerke­verband beziffert das Einsparpot­enzial für einen Standardha­ushalt auf etwa 20 Euro im Jahr. Beim Vergleichs­portal Verivox sieht man das auch so. „Selbst wenn Haushalte wollten, ein großer Teil des Stromverbr­auchs kann gar nicht in die Nachtstund­en verlagert werden“, sagt Verivox-Energieexp­erte Storck. Das gelte gerade für Stromfress­er wie den Kühlschran­k oder die elektrisch­e Warmwasser­bereitung.

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FOTO: JAN WOITAS Zur Verkehrswe­nde gehört auch billiger Hausstrom für E-Autos. Dynamische Tarife sollen helfen.

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