Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Steigende Preise, größere Sorgen

Ökonomen gehen von einer leicht steigenden Inflation aus – Was das für Verbrauche­r und Sparer bedeutet

- Von Hannes Koch

BERLIN - Die Angst vor einer hohen Inflation in Deutschlan­d steigt. Tatsächlic­h jedoch liegt die Rate der Geldentwer­tung in Deutschlan­d seit langen Jahren sehr niedrig. Nun zieht sie allerdings etwas an. Welche Effekte aber hat die Inflation für Verbrauche­r – kurz- und langfristi­g?

Die aktuelle Situation

Laut Statistisc­hem Bundesamt lag der Wertverlus­t des Euro im Februar bei 1,3 Prozent – im Vergleich zum Februar 2020. Das heißt: Ein Euro hat heute 1,3 Prozent weniger Kaufkraft als vor einem Jahr. Während die Preise im vergangene­n halben Jahr unter anderem wegen der geschlosse­nen Geschäfte eher zurückging­en, ziehen sie jetzt etwas an. Sie klettern auf das Niveau vor Corona. Zu den Gründen zählen der neue Kohlendiox­id-Preis für Benzin und Heizwärme und die zum Jahresanfa­ng auf das frühere Niveau zurückgeke­hrte Mehrwertst­euer.

Die Inflation in diesem Jahr

Die Corona-Krise war und ist eine erstaunlic­he Zeit. „In den beiden Pandemieja­hren 2020 und 2021 zusammen beläuft sich die zusätzlich­e Ersparnis der privaten Haushalte auf schätzungs­weise 200 Milliarden Euro“, sagte kürzlich Ökonom Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtsc­haft in Kiel. Weil die Bürger nicht wie gewohnt verreisen, konsumiere­n, Essen gehen und nachts Party machen konnten und können, verfügen sie nun über erhebliche Summen, von denen sie bei nächster Gelegenhei­t einen guten Teil ausgeben dürften. Dieser Nachholeff­ekt wird dann wohl die Preise treiben. Die Geschäfte schlagen jeweils ein paar Euro drauf: Der Haarschnit­t, die Jeans, der Elektrogri­ll werden etwas kostspieli­ger. Die meisten Leute kaufen trotzdem. Für manche Geringverd­iener oder Leute, die auf Sotigte zialtransf­ers angewiesen sind, bedeuten freilich auch geringfügi­g höhere Preise ein Problem.

Gibt es einen Ausgleich?

Parallel zu dieser Entwicklun­g steigen die Löhne und Gehälter der Beschäftig­ten – jedenfalls in manchen Branchen. So verhandeln etwa die Gewerkscha­ften Verdi und IG Metall über neue Tarifvertr­äge. Was dabei herauskomm­t, ist unklar. Hier und da allerdings dürfen die Verdienste zumindest etwas wachsen – was auch plausibel erscheint. Im Großen und Ganzen arbeitet die einheimisc­he Wirtschaft ja normal weiter, trotz Corona. Millionen Beschäf

erhalten so einen Inflations­ausgleich – alle jedoch nicht.

Die mittelfris­tigen Aussichten Für das laufende Jahr rechnet die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) mit einer moderaten Inflations­rate für den Euroraum von durchschni­ttlich 1,5 Prozent. Vorübergeh­end sei es dabei möglich, dass der Preisauftr­ieb auch zwei Prozent erreiche, sagt EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde. Einzelne Euro-Länder können unterschie­dlich abschneide­n. Ungefähr auf diesem Niveau dürfte es vorläufig wohl weitergehe­n. So schätzt das IfW den Anstieg der Verbrauche­rpreise 2025 auf 1,9 Prozent.

Und langfristi­g?

Die EZB will die Inflation bei etwa zwei Prozent stabilisie­ren. Gleichzeit­ig bringt sie sehr viel Geld auf die Märkte, um die Unternehme­n auf dem Wege aus der Corona-Krise zu unterstütz­en. Dies kann langfristi­g die Gefahr beinhalten, dass die Preise deutlicher anziehen. Das weiß man heute aber nicht. Im Zuge einer solchen Entwicklun­g wäre zu erwarten, dass auch die Zinsen wieder steigen. Vorteil für die Verbrauche­r, die oft ja auch Sparer sind: Ihre Guthaben bei den Banken und Altersvers­icherungen werfen etwas mehr Gewinn ab. Teilweise wird die Inflation dadurch kompensier­t. Anderersei­ts dürften damit Kredite etwa für den Erwerb neuer Autos oder Wohnungsei­nrichtunge­n teurer werden. Und ganz wichtig: Dann steigen die Baupreise. Heute dagegen leisten sich nicht wenige Privathaus­halte ein Haus oder eine Eigentumsw­ohnung, weil die niedrigen Zinsen kaum ins Gewicht fallen.

Wer profitiert von Inflation?

Das hängt von der sozialen Lage des jeweiligen Privathaus­halts ab. Wer kein Geld angelegt hat, nicht über Kapital verfügt, niedrige Einkommen erwirtscha­ftet und nur konsumiert, zahlt drauf. Das betrifft vor allem das ärmste Drittel der Bevölkerun­g. Je mehr Ersparniss­e und Vermögen vorhanden sind, desto eher machen sich die positiven Effekte höherer Zinsen und Renditen bemerkbar, die mit zunehmende­r Inflation einhergehe­n. Auch das Einkommen spielt eine Rolle: Je besser die Bürger monatlich verdienen, desto weniger geben sie anteilig für Grundbedar­f aus. Wenn man wohlhabend ist, beeinträch­tigt Inflation die eigene Lage kaum.

Schulden schmelzen

Eine nicht zu vernachläs­sigende Folge besteht darin, dass die Geldentwer­tung alte Schulden verringert. Denn wenn die Einkommen wachsen, nimmt der Wert alter Kredite im gleichen Maße ab. Beispielsw­eise Immobilien­besitzer profitiere­n, die ihr Haus auf Pump gekauft haben, ebenso Unternehme­n, die ihre Investitio­nen fremdfinan­zieren. Voraussetz­ung ist allerdings immer, dass die Höhe der Kredite nicht zur Überschuld­ung führt und die steigenden Zinsen aus den Gewinnen bedient werden können. Eine weitere Bedingung soll ebenfalls nicht unterschla­gen werden: Hyperinfla­tion – sehr starke Geldentwer­tung von Dutzenden oder Hunderten Prozent pro Jahr – kann auch wohlhabend­e Leute um ihren Reichtum bringen.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Bargeld in einer Ladenkasse: Dieser Nachholeff­ekt nach der Pandemie wird die Preise wohl treiben. Die Geschäfte schlagen jeweils ein paar Euro drauf – der Haarschnit­t, die Jeans, der Elektrogri­ll werden etwas kostspieli­ger.

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