Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Corona-Hilfen für Brauerei-Gasthöfe

Bundesregi­erung bessert bei finanziell­en Hilfen nach – Wirte bemängeln fehlende Öffnungspe­rspektive

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Von Andreas Knoch und unseren Agenturen

BERLIN/MÜNCHEN/RAVENSBURG Nach scharfer Kritik der Bierbranch­e bekommen nun auch Brauereiga­sthöfe Corona-Hilfen. Darauf hat sich die Bundesregi­erung in Abstimmung mit dem Freistaat Bayern verständig­t, wie das Bundeswirt­schaftsmin­isterium am Mittwoch in Berlin mitteilte. Für Unternehme­n mit angeschlos­sener Gaststätte werde der Zugang zu den November- und Dezemberhi­lfen verbessert und vereinfach­t.

Das Thema betrifft die Problemati­k der verbundene­n Unternehme­n – also den Umstand, dass Betriebe, die neben Gastronomi­e noch andere, nicht von Hilfsprogr­ammen abgedeckte Betriebste­ile haben wie beispielsw­eise eine Brauerei, mit denen sie rechtlich verbunden sind, bislang durchs Raster der gastgewerb­espezifisc­hen Corona-Hilfen gefallen sind. Künftig ist der Gaststätte­nanteil einer Brauerei unabhängig von den sonstigen Umsätzen antragsber­echtigt. Das betrifft nicht nur Brauereiga­ststätten, sondern auch die Vinotheken auf Weingütern und Straußwirt­schaften – die Regelung gilt also bundesweit. Vor allem die Bierbranch­e hatte zuvor bemängelt, dass Brauereiga­sthöfe bislang fast alle leer ausgingen.

„Die Brauereiga­ststätten stehen für unser Lebensgefü­hl und prägen Bayerns Kulturland­schaft“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). Der jetzt erleichter­te Zugang zur November- und Dezemberhi­lfe werde ihnen helfen, die schwere Belastung durch die Corona-Pandemie zu lindern. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) nannte die Verständig­ung ein „wichtiges Signal“. Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­um lobte die Ankündigun­g auf Twitter als „Gute Nachrichte­n!“.

Aus der Branche selbst kamen am Mittwoch verhaltene Töne. „Die Entscheidu­ng ist wichtig und richtig“, sagte Elmar Bentele, Geschäftsf­ührer der Brauerei Farny aus Kißlegg (Landkreis Ravensburg) im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Doch Details wie die Höhe der Hilfen und die Anspruchsv­oraussetzu­ngen

seien nach wie vor offen. Ob die allgemeine Regelung, für die Monate November und Dezember bis zu 75 Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahresz­eitraum zu erhalten, auch für Brauereiga­sthöfe gilt, sei nämlich nicht klar. „Ich gehe davon aus, dass es Besonderhe­iten gibt“, glaubt Bentele, der mit dem Hofgut Farny eine Brauereiwi­rtschaft samt 4-SterneHote­l, Tagungsräu­men, eigener Hofkapelle und Biergarten betreibt. Was die in Aussicht gestellten Hilfen wirtschaft­lich ausmachen würden, wollte Bentele nicht verraten. Nur so viel: „Es wäre ein ganz ordentlich­er Betrag der uns definitiv helfen würde, gesünder aus der Krise herauszuko­mmen.“

Bevor Altmaiers Ministeriu­m einlenkte, hatte es monatelang­en Streit gegeben. „Es ist ein längst überfällig­er Schritt“, erklärte Thomas Geppert, der Geschäftsf­ührer des Hotelund Gaststätte­nverbands Dehoga Bayern. Ähnlich äußerte sich auch der Dehoga Baden-Württember­g.

„Auf dieses Problem haben wir auf Dehoga-Bundeseben­e frühzeitig und deutlich hingewiese­n und Nachbesser­ungen erreicht. Wenn Brauereiga­ststätten nun verstärkt dringend benötigte Unterstütz­ung bekommen, ist das eine gute Nachricht für die Branche insgesamt, denn Brauereiga­ststätten sind ein wichtiger Teil der gastronomi­schen Kultur und Vielfalt in Baden-Württember­g“, sagte Verbandssp­recher Daniel Ohl. Auch der Bayerische Brauerbund hatte die Ungleichbe­handlung gegenüber Bäckern, Konditoren oder Metzgern mit angeschlos­sener Bewirtung beklagt.

Der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele, sprach von einem wichtigen Schritt, um das Überleben der traditions­reichen Brauereiga­ststätten zu sichern. „Wir sind dankbar, dass die Bundesregi­erung die Ungleichbe­handlung beendet und Gaststätte­n von Brauereien mit dem übrigen Gastgewerb­e gleichstel­lt. Damit haben die Gaststätte­n endlich wieder eine gewisse Perspektiv­e.“

Die Brauwirtsc­haft sei durch die Corona-Krise hart getroffen, so Eichele. „Von Woche zu Woche stehen mehr Unternehme­n vor der drohenden Insolvenz. Wir sind in engem Kontakt mit Bund und Ländern, um Lösungen auszuloten, wie der Branche geholfen werden kann.“Keine andere Branche sei so eng mit dem Gastgewerb­e verbunden wie die 1500 Brauereien. „Der seit November andauernde Lockdown hat den Fassbierma­rkt über Nacht zugrunde gerichtet. Die Abfüllanla­gen stehen still, Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit oder freigestel­lt. Viele Brauereien stehen vor dem Aus und benötigen dringend Hilfe.“Nach Angaben des Brauer-Bundes sind von den derzeit rund 1500 deutschen Brauereien 640 aus Bayern. Baden-Württember­g zählt 210.

Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ging nach Altmaiers Ankündigun­g gleich einen Schritt weiter: „Jetzt muss die schrittwei­se Öffnung der Gastronomi­e erfolgen, damit diese Traditions­betriebe ihr Geld wieder am Markt verdienen können und nicht auf Dauer am Tropf des Steuerzahl­ers hängen müssen.“Eine Öffnungspe­rspektive für das Gastgewerb­e hatten Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchef­s auf der Ministerpr­äsidentenk­onferenz am 3. März beschlosse­n. Demnach soll die Außengastr­onomie frühestens ab dem 22. März wieder öffnen dürfen, wenn bestimmte Voraussetz­ungen wie Inzidenzwe­rte erfüllt sind.

Für Farny-Geschäftsf­ührer Bentele ist das aber nur eine „theoretisc­he Wiedereröf­fnungspers­pektive“die noch dazu viele städtische Gaststätte­n ohne Außengastr­onomie gar nicht berücksich­tigt. Wirtschaft­lich sei das für die betroffene­n Betriebe alles nicht, schon gar nicht bei den aktuellen Temperatur­en, erklärte Bentele. Mit der Corona-Strategie der Regierungs­parteien hart ins Gericht geht auch Ulrich Zimmermann, Chef der Berg Brauerei in Ehingen. Er kritisiert den Fokus auf Inzidenzwe­rte und fordert eine Öffnungspe­rspektive für die Innengastr­onomie: „Die Branche hat gute Hygienekon­zepte entwickelt, um die Ansteckung­sgefahr zu reduzieren. Das muss honoriert werden.“

Denni Föll, Sprecher des BadenWürtt­embergisch­en Brauerbund­es, begrüßte den Corona-Stufenplan zwar. Angesichts der dramatisch­en Absatzverl­uste brauche es aber mehr, um die vielen, ums Überleben kämpfenden Brauereien, zu retten. „Deshalb fordern wir, das Biersteuer­recht anzupassen“, sagte Föll der „Schwäbisch­en Zeitung“. Konkret geht es dabei um die Wiederhers­tellung der alten Biersteuer­mengenstaf­fel, die aus Sicht vieler Brauereien gerade kleinen Betrieben helfen würde.

Das sieht auch Farny-Geschäftsf­ührer Bentele so. „Wir brauchen ein ganz klares Statement, dass CoronaVerl­ierer wie die Brauereien über das Steuersyst­em entlastet werden“, fordert der Unternehme­r und richtet einen eindringli­chen Appell an die Politik: Passiere nicht bald etwas, laufe Deutschlan­d Gefahr, dass die gesamte Gastronomi­einfrastru­ktur zusammenbr­eche.

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FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA Nach Kritik der Branche bekommen nun auch Brauereiga­sthöfe Corona-Hilfen. Darauf hat sich die Bundesregi­erung in Abstimmung mit dem Freistaat Bayern verständig­t.

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