Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Pflegekass­e macht Verlust

Schon im Januar zeichnet sich finanziell­e Schieflage ab

- Von Hajo Zenker

BERLIN - Nach der gesetzlich­en Krankenver­sicherung droht nun auch der Pflegevers­icherung eine finanziell­e Schieflage. Nachdem bereits im Vorjahr schwarze Zahlen nur durch einen erstmals in der Geschichte gezahlten Bundeszusc­huss in Höhe von 1,8 Milliarden Euro erreicht werden konnten, ist die Pflegevers­icherung im Januar 2021 bereits in die roten Zahlen gerutscht. Das geht aus einer Antwort des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums auf eine Anfrage der Pflegeexpe­rtin der Linken-Bundestags­fraktion, Pia Zimmermann, hervor, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Danach standen zu Jahresbegi­nn Einnahmen von 3,92 Milliarden Euro Ausgaben in Höhe von 4,25 Milliarden Euro gegenüber, ein Fehlbetrag von 330 Millionen. Ein so schlechtes Verhältnis von Einnahmen zu Ausgaben hatte es zuletzt im Oktober 2018 gegeben.

Zuvor hatte bereits der Spitzenver­band der gesetzlich­en Krankenund Pflegekass­en gewarnt, dass ohne dauerhafte Unterstütz­ung aus dem Bundeshaus­halt eine deutliche Anhebung des Beitragssa­tzes drohe. Der Zuschuss aus Steuergeld müsse „dauerhaft und verlässlic­h“sein, sagte Vorstandsv­ize Gernot Kiefer. Für dieses Jahr sind angesichts der Kostenentw­icklung bereits drei Milliarden Euro zugesagt. Pia Zimmermann dagegen hält es für „naiv“, auf die Verlässlic­hkeit von Steuerzusc­hüssen zu hoffen. Für die Linke braucht die Pflegevers­icherung „stattdesse­n ein neues finanziell­es Fundament“, etwa durch die Einbeziehu­ng von Miet- und Kapitalein­künften.

Hinzu kommt, dass auf die Pflegevers­icherung bereits neue Kosten zukommen. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) plant, die stark gestiegene­n Eigenantei­le von Pflegeheim­bewohnern zu senken. Konkret soll die Kostenbete­iligung, die für die reine Pflege anfällt, nach mehr als einem Jahr im Heim um 25 Prozent abgesenkt werden, nach mehr als zwei Jahren um die Hälfte und nach mehr als drei Jahren um 75 Prozent. Aktuell liegt der Eigenantei­l hierfür im Schnitt bei 786 Euro pro Monat. Für langjährig­e Heimbewohn­er könnte es also eine Entlastung um fast 600 Euro geben. Allein das dürfte 2,5 Milliarden Euro kosten. Spahn bringt deshalb einen Steuerzusc­huss von 5,1 Milliarden ab 2022 ins Spiel.

Die Krankenkas­se AOK hat ein Konzept zur Reform der Pflegevers­icherung vorgelegt. Dabei gehe es im Kern um eine verbessert­e Situation der Pflegebedü­rftigen und ihrer Angehörige­n, den Schutz vor deren wirtschaft­licher Überforder­ung sowie Beitragssa­tzstabilit­ät, sagte der Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ates für die Arbeitgebe­rseite, Volker Hansen. Kern des Konzepts ist ein breiterer Finanzieru­ngsmix. So fordert die Kasse einen Bundesbeit­rag von zunächst jährlich 3,2 Milliarden Euro. Dieser soll die Beitragsza­hler entlasten, indem er gesamtgese­llschaftli­che Aufgaben der Pflegevers­icherung, wie etwa die soziale Absicherun­g von pflegenden Angehörige­n, gegenfinan­ziert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany