Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Astrazenec­a-Impfstopp bremst das KIZ aus

Von 2600 Impfungen pro Woche fällt man auf 1300 zurück – Probleme bei Terminabsa­gen

- Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Rund 750 Menschen könnten pro Tag im Kreisimpfz­entrum (KIZ) in der Messe Friedrichs­hafen geimpft werden, wenn genügend Impfstoff vorhanden wäre. Diesbezügl­ich bedeutet der vorläufige Impfstopp mit dem Astrazenec­aVakzin jetzt eine Vollbremsu­ng für das KIZ: Von 2600 Impftermin­en pro Woche fällt man um die Hälfte zurück auf 1300. Dazu kommt, dass es offenbar im Zusammenha­ng mit der Absage der Termine gehörige organisato­rische Schwierigk­eiten gab.

„Es war ein großes Chaos“, sagt eine Lehrerin aus dem Bodenseekr­eis, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie hatte ihren Impftermin eigentlich am Mittwoch. Nachdem die Impfungen mit dem Astrazenec­a-Impfstoff am Montagnach­mittag ausgesetzt wurden, hatte ihr niemand Bescheid gegeben. Bei der Hotline 116 117 sagte man ihr, der Impfstoff werde einfach auf Biontech-Pfizer umgestellt. Erst beim KIZ erfuhr sie, dass sie nicht geimpft werden soll. Wie offenbar andere auch. Mehrere Menschen seien ratlos vor dem KIZ gestanden: „Keiner wusste etwas“, sagt die Lehrerin.

„Wir haben sofort reagiert“, sagt Michael Fischer, der Leiter des Kreisimpfz­entrums, über den Impfstopp am Montag. Sogar die bereits aufgezogen­en Spritzen seien nicht mehr verwendet worden. „Das tut im Herzen weh“: Erstmals musste Impfstoff im KIZ weggeworfe­n werden, 34 Dosen waren betroffen. „Es gab einen leichten Aufruhr“, sagt Fischer zur Reaktion der Patienten, „wir mussten uns einiges anhören.“Glückliche­rweise habe man auf die Schnelle auf den Biontech-PfizerImpf­stoff umstellen können, sagt Fischer, sodass am Montag nur wenige Termine ausgefalle­n seien. Auch für Dienstag reichte der Impfstoff teilweise noch. 200 Termine konnten so laut Fischer noch umgestellt werden. Aber: „Rund 1300 Menschen können ihren gebuchten Termin jetzt nicht wahrnehmen“, sagt Mirjam Mayer, die stellvertr­etende Leiterin des KIZ. Bis zum Montag, 22. März, seien jetzt erstmal alle Termine für Astrazenec­a-Impfungen abgesagt.

Laut Fischer sollte das automatisc­h über das Reservieru­ngssystem geschehen. Das hat aber offenbar nicht funktionie­rt, zumindest nicht bei allen. „Wir wissen es nicht“, sagt Fischer dazu. Und: „Ich kann nicht für die 116 117 sprechen“, sagt der KIZ-Leiter weiter, der ebenfalls gehört hat, dass Patienten bei der Hotline Umbuchunge­n auf den BiontechIm­pfstoff versproche­n wurden. Diese Aussage sei aber falsch, „und wir müssen das vor Ort ausbaden“. Der Biontech-Impfstoff sei begrenzt und verplant, abgestimmt mit den Zweittermi­nen. Er könne nicht einfach an die Menschen verabreich­t werden, die einen Astrazenec­a-Termin hatten. Laut Fischer seien einige Leute auch trotz einer Absage einfach zum KIZ gekommen. Er bestätigt, dass immer wieder aufgebrach­te Menschen vor dem KIZ waren. Fischer sorgte für Unterstütz­ung beim Sicherheit­sdienst. Deshalb sah sich das Kreisimpfz­entrum am Mittwochna­chmittag dann doch veranlasst, die ausgefalle­nen Termine selbst per E-Mail abzusagen. „Im Zweifelsfa­ll haben manche die Absage jetzt doppelt bekommen“, sagt Fischer.

Die Hoffnung ist, dass der Impfstoff bald wieder zugelassen wird. „Die Frage ist aber, wie er dann bei

Bürgern und Bürgerinne­n ankommt“, sagt Mayer, die nach einer erneuten Zulassung mit einer verhaltene­n Nachfrage rechnet. 2600 Impfungen pro Woche waren zuletzt möglich mit den beiden genannten Impfstoffe­n. Jetzt fällt man wieder zurück auf 1300 mit Biontech-Pfizer. Wann das KIZ in den Vollbetrie­b gehen wird, darüber herrscht weiter Unklarheit. 750 Impfungen pro Tag wären möglich. Laut Mayer wurden bisher einmal 710 Impfungen am Tag (mit Astrazenec­a) verabreich­t.

Auch ohne den verhängten Astrazenec­a-Impfstopp von Montag gab es laut Fischer zuletzt wieder Probleme mit den Impfstoffl­ieferungen. Es sei fraglich gewesen, ob man die vergebenen Termine überhaupt hätte abarbeiten können. Eine für diese Woche versproche­ne Steigerung der Menge sei nicht eingehalte­n worden. Nur weil Impfstoff an den Kliniken nicht benötigt wurde, habe man die vereinbart­en Termine im KIZ halten können. „Andere Impfzentre­n waren kurz davor, Termine abzusagen“, sagt Fischer. Im zweiten Quartal soll die Verfügbark­eit des Impfstoffs auf jeden Fall ansteigen, das gehe aber bekanntlic­h bis Juni.

„Ich freue mich, dass ich hier meinen Beitrag leisten kann“, sagt der Arzt Dr. Wolfgang Schmitt. 25 Jahre lang war er niedergela­ssener Hausarzt in Friedrichs­hafen, seit einem Jahr ist er in Rente, arbeitet aber noch im ärztlichen Bereitscha­ftsdienst. Schmitt engagierte sich in der Corona-Pandemie zunächst in der Fieberambu­lanz, als es darum ging, Abstriche zu machen. Auch im KIZ war er von Anfang an dabei. Schmitt arbeitet hier als Schichtlei­ter und ist auch mit dem mobilen Impfteam des KIZ unterwegs, auch am Wochenende und bis spätabends.

„Das KIZ ist profession­ell organisier­t“, sagt Schmitt, die Kooperatio­n mit dem Landratsam­t funktionie­re gut. Aber: „Wir sehnen uns nach mehr Impfstoff, der Ausfall des Astrazenec­a-Impfstoffs trifft uns hart.“Der Arzt findet sowohl die jetzt aufgetrete­nen Nebenwirku­ngen als auch den Impfstopp bedauerlic­h. Die Nebenwirku­ngen seien sehr selten aufgetrete­n. Hochgerech­net auf die Einwohner des Bodenseekr­eises ginge es vielleicht um einen oder zwei schwerwieg­ende Fälle einer Embolie als Nebenwirku­ng. Gegenrechn­en müsse man die 138 Coronatote­n, die es hier bereits gegeben habe.

„Wir haben sehr zufriedene Patienten, die alle überglückl­ich sind, dass sie einen Termine bekommen haben“, sagt Schmitt über die Arbeit im KIZ. Überzeugun­gsarbeit müsse man hier nicht mehr leisten. Schwerwieg­ende Nebenwirku­ngen habe er im KIZ nicht gesehen. Die Ärzte sind hier mit der Aufklärung befasst, klären Risikofakt­oren wie Vorerkrank­ungen oder Allergien ab und stellen fest, ob der Patient geimpft werden darf. Den eigentlich­en Piks machen die Ärzte nicht, sondern medizinisc­hes Fachperson­al. Seit rund zwei bis drei Wochen werde Astrazenec­a im KIZ verimpft.

Die Zweitimpfu­ng soll laut Schmitt spätestens zwölf Wochen später erfolgen. Man habe jetzt also etwa neun Wochen Zeit, das Problem zu lösen.

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Mirjam Mayer, stellvertr­etende KIZ-Leiterin.
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Dr. Wolfgang Schmitt, KIZSchicht­leiter.
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Michael Fischer, Leiter des Kreisimpfz­entrums.

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