Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Astrazeneca-Impfstopp bremst das KIZ aus
Von 2600 Impfungen pro Woche fällt man auf 1300 zurück – Probleme bei Terminabsagen
FRIEDRICHSHAFEN - Rund 750 Menschen könnten pro Tag im Kreisimpfzentrum (KIZ) in der Messe Friedrichshafen geimpft werden, wenn genügend Impfstoff vorhanden wäre. Diesbezüglich bedeutet der vorläufige Impfstopp mit dem AstrazenecaVakzin jetzt eine Vollbremsung für das KIZ: Von 2600 Impfterminen pro Woche fällt man um die Hälfte zurück auf 1300. Dazu kommt, dass es offenbar im Zusammenhang mit der Absage der Termine gehörige organisatorische Schwierigkeiten gab.
„Es war ein großes Chaos“, sagt eine Lehrerin aus dem Bodenseekreis, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie hatte ihren Impftermin eigentlich am Mittwoch. Nachdem die Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff am Montagnachmittag ausgesetzt wurden, hatte ihr niemand Bescheid gegeben. Bei der Hotline 116 117 sagte man ihr, der Impfstoff werde einfach auf Biontech-Pfizer umgestellt. Erst beim KIZ erfuhr sie, dass sie nicht geimpft werden soll. Wie offenbar andere auch. Mehrere Menschen seien ratlos vor dem KIZ gestanden: „Keiner wusste etwas“, sagt die Lehrerin.
„Wir haben sofort reagiert“, sagt Michael Fischer, der Leiter des Kreisimpfzentrums, über den Impfstopp am Montag. Sogar die bereits aufgezogenen Spritzen seien nicht mehr verwendet worden. „Das tut im Herzen weh“: Erstmals musste Impfstoff im KIZ weggeworfen werden, 34 Dosen waren betroffen. „Es gab einen leichten Aufruhr“, sagt Fischer zur Reaktion der Patienten, „wir mussten uns einiges anhören.“Glücklicherweise habe man auf die Schnelle auf den Biontech-PfizerImpfstoff umstellen können, sagt Fischer, sodass am Montag nur wenige Termine ausgefallen seien. Auch für Dienstag reichte der Impfstoff teilweise noch. 200 Termine konnten so laut Fischer noch umgestellt werden. Aber: „Rund 1300 Menschen können ihren gebuchten Termin jetzt nicht wahrnehmen“, sagt Mirjam Mayer, die stellvertretende Leiterin des KIZ. Bis zum Montag, 22. März, seien jetzt erstmal alle Termine für Astrazeneca-Impfungen abgesagt.
Laut Fischer sollte das automatisch über das Reservierungssystem geschehen. Das hat aber offenbar nicht funktioniert, zumindest nicht bei allen. „Wir wissen es nicht“, sagt Fischer dazu. Und: „Ich kann nicht für die 116 117 sprechen“, sagt der KIZ-Leiter weiter, der ebenfalls gehört hat, dass Patienten bei der Hotline Umbuchungen auf den BiontechImpfstoff versprochen wurden. Diese Aussage sei aber falsch, „und wir müssen das vor Ort ausbaden“. Der Biontech-Impfstoff sei begrenzt und verplant, abgestimmt mit den Zweitterminen. Er könne nicht einfach an die Menschen verabreicht werden, die einen Astrazeneca-Termin hatten. Laut Fischer seien einige Leute auch trotz einer Absage einfach zum KIZ gekommen. Er bestätigt, dass immer wieder aufgebrachte Menschen vor dem KIZ waren. Fischer sorgte für Unterstützung beim Sicherheitsdienst. Deshalb sah sich das Kreisimpfzentrum am Mittwochnachmittag dann doch veranlasst, die ausgefallenen Termine selbst per E-Mail abzusagen. „Im Zweifelsfall haben manche die Absage jetzt doppelt bekommen“, sagt Fischer.
Die Hoffnung ist, dass der Impfstoff bald wieder zugelassen wird. „Die Frage ist aber, wie er dann bei
Bürgern und Bürgerinnen ankommt“, sagt Mayer, die nach einer erneuten Zulassung mit einer verhaltenen Nachfrage rechnet. 2600 Impfungen pro Woche waren zuletzt möglich mit den beiden genannten Impfstoffen. Jetzt fällt man wieder zurück auf 1300 mit Biontech-Pfizer. Wann das KIZ in den Vollbetrieb gehen wird, darüber herrscht weiter Unklarheit. 750 Impfungen pro Tag wären möglich. Laut Mayer wurden bisher einmal 710 Impfungen am Tag (mit Astrazeneca) verabreicht.
Auch ohne den verhängten Astrazeneca-Impfstopp von Montag gab es laut Fischer zuletzt wieder Probleme mit den Impfstofflieferungen. Es sei fraglich gewesen, ob man die vergebenen Termine überhaupt hätte abarbeiten können. Eine für diese Woche versprochene Steigerung der Menge sei nicht eingehalten worden. Nur weil Impfstoff an den Kliniken nicht benötigt wurde, habe man die vereinbarten Termine im KIZ halten können. „Andere Impfzentren waren kurz davor, Termine abzusagen“, sagt Fischer. Im zweiten Quartal soll die Verfügbarkeit des Impfstoffs auf jeden Fall ansteigen, das gehe aber bekanntlich bis Juni.
„Ich freue mich, dass ich hier meinen Beitrag leisten kann“, sagt der Arzt Dr. Wolfgang Schmitt. 25 Jahre lang war er niedergelassener Hausarzt in Friedrichshafen, seit einem Jahr ist er in Rente, arbeitet aber noch im ärztlichen Bereitschaftsdienst. Schmitt engagierte sich in der Corona-Pandemie zunächst in der Fieberambulanz, als es darum ging, Abstriche zu machen. Auch im KIZ war er von Anfang an dabei. Schmitt arbeitet hier als Schichtleiter und ist auch mit dem mobilen Impfteam des KIZ unterwegs, auch am Wochenende und bis spätabends.
„Das KIZ ist professionell organisiert“, sagt Schmitt, die Kooperation mit dem Landratsamt funktioniere gut. Aber: „Wir sehnen uns nach mehr Impfstoff, der Ausfall des Astrazeneca-Impfstoffs trifft uns hart.“Der Arzt findet sowohl die jetzt aufgetretenen Nebenwirkungen als auch den Impfstopp bedauerlich. Die Nebenwirkungen seien sehr selten aufgetreten. Hochgerechnet auf die Einwohner des Bodenseekreises ginge es vielleicht um einen oder zwei schwerwiegende Fälle einer Embolie als Nebenwirkung. Gegenrechnen müsse man die 138 Coronatoten, die es hier bereits gegeben habe.
„Wir haben sehr zufriedene Patienten, die alle überglücklich sind, dass sie einen Termine bekommen haben“, sagt Schmitt über die Arbeit im KIZ. Überzeugungsarbeit müsse man hier nicht mehr leisten. Schwerwiegende Nebenwirkungen habe er im KIZ nicht gesehen. Die Ärzte sind hier mit der Aufklärung befasst, klären Risikofaktoren wie Vorerkrankungen oder Allergien ab und stellen fest, ob der Patient geimpft werden darf. Den eigentlichen Piks machen die Ärzte nicht, sondern medizinisches Fachpersonal. Seit rund zwei bis drei Wochen werde Astrazeneca im KIZ verimpft.
Die Zweitimpfung soll laut Schmitt spätestens zwölf Wochen später erfolgen. Man habe jetzt also etwa neun Wochen Zeit, das Problem zu lösen.