Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Völliges Versagen des Sozialministers
Zum Thema „Impfchaos in BadenWürttemberg“.
Die Tatsache, dass seit Beginn der Corona-Impfungen ein großer Mangel an Impfstoffen besteht, ist hinlänglich bekannt. Umso wichtiger wäre es gewesen, von Anfang an einen Impfprozess zu implementieren, der eine gerechte und transparente Terminvergabe sicherstellt. Für die in der ersten Phase betroffenen älteren Menschen hätte er einfach zu handhaben sein und eine wohnortnahe Impfung ermöglichen sollen. Dies erfüllt der vom Sozialminister etablierte Impfablauf nicht annähernd. Viele alleinstehende, ältere Menschen sind schon bei der Buchung des Impftermins überfordert oder geben entnervt auf. Erhält man endlich einen Termin, so beginnt für viele im Bodenseekreis der Impftourismus. Das bedeutet in der Praxis: Einen Impftermin haben oft nicht die Ältesten und damit objektiv die stärksten Gefährdeten dieser Gruppe erhalten, sondern die mit der größten Ausdauer beziehungsweise besten Unterstützung durch Kinder und Enkelkinder. Betagte, oft über 90-jährige Menschen fahren um Teil unter Inkaufnahme aller damit verbunden Risiken im eigenen Fahrzeug nach Tübingen oder Ulm, um den Termin wahrzunehmen. Dass man nicht in der Lage ist, den Impfstoff prioritäts- und bedarfsgerecht auf die eingerichteten Kreisimpfzentren und hoffentlich bald auf die Hausärzte zu steuern, ist in einem hoch entwickelten Industrieland ein Armutszeugnis erster Güte. Ich kann hier zusammenfassend nur ein völliges Versagen des hierfür verantwortlichen Sozialministers erkennen. Andere Bundesländer haben es bei aller Knappheit des Impfstoffes geschafft, die Terminbuchung und -vergabe so einfach, gerecht und transparent zu gestalten, dass sie der Selbstständigkeit und der Mobilität der derzeit betroffenen Prioritätsgruppe auch gerecht werden. Wenn dann ein Sprecher des Ministeriums zum Thema Impftourismus noch einen Vergleich mit dem Arztbesuch bei einem Spezialisten heranzieht, erscheint dies fast zynisch und zeigt keinerlei Respekt und Empfinden für die Situation der derzeit davon betroffenen Altersgruppe.
Reinhard Fink,
Friedrichshafen