Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ciao, bella Italia!

- Von Simone Haefele

Ein kleines Mädchen von gerade mal vier Jahren war ich, als meine Eltern mit mir ans Meer fuhren. Meiner Bronchitis wegen hatte der Arzt einen Aufenthalt an der Nordsee empfohlen. Frau Mama aber, die davon träumte, auch einmal wie Gina Lollobrigi­da in engen Capri-Hosen und mit ausladende­m Strohhut an der Adriaküste zu promeniere­n, plädierte erfolgreic­h für bella Italia. Folglich ging es nach Riccione nahe Rimini, besser bekannt als Germanengr­ill. Damit bildeten wir die rühmliche Ausnahme. Denn: In Urlaub fahren und dann auch noch bis nach Italien ans Meer war für die meisten schwäbisch­en Familien Mitte der 1960er-Jahre undenkbar.

Nie werde ich vergessen, wie meine Mutter und ich neugierig den Zeigefinge­r ins Wasser tauchten, um ihn abzulecken. Igitt! So also schmeckt Salzwasser. Vater trank abends schäumende­n Lambrusco, Mutter süßen Asti Spumante, und ich aß meine erste Pizza. Aber erst, nachdem meine Mutter vorsorglic­h die ekligen, undefinier­baren Würmer (Krabben) herunterge­pult hatte.

Was hat sich der Kellner wohl gedacht, als er diese kleine Familie aus dem fernen Deutschlan­d beobachtet­e, die genussvoll Gelati verspeiste, sich aber gleichzeit­ig über die Tannennade­ln (Rosmarin) an den Bratkartof­feln aufregte? Einen Cappuccino nachmittag­s am Strand zu genießen, galt fälschlich­erweise als sehr vornehm und wurde von Mama täglich zelebriert. Dass dies für Italiener, die nach dem Frühstück nur noch Espresso – von vielen Deutschen heute noch gerne Expresso genannt – trinken, ein absolutes No-Go ist, haben wir alle erst viel später und nach unzähligen weiteren Italienrei­sen gelernt.

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