Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Frühling hilft im Corona-Kampf

Wärme und UV-Strahlen könnten den Reprodukti­onswert des Virus senken

- Von Lennart Stock

Liebe Leserinnen und Leser, aus technische­n Gründen werden ab sofort die Zahlen des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Vortag (Stand 7.30 Uhr) veröffentl­icht. Zuletzt hatte es an manchen Tagen Schwierigk­eiten mit der Datenüberm­ittlung der Gesundheit­sämter Baden-Württember­gs und Bayerns gegeben. Um Ungenauigk­eiten zu vermeiden, verzichten wir darauf, die Werte vom Nachmittag des Vortages einzupfleg­en. Generell ist nach Wochenende­n bei der Interpreta­tion zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Ämter an allen Tagen Daten an das RKI übermittel­t haben. Die 7-Tage-Inzidenz bildet die Fälle pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab.

BERLIN (dpa) - Wenn im Frühling die Temperatur­en steigen, sinkt die Erkältungs­gefahr, und auch Grippevire­n verschwind­en allmählich. Doch hat das Wetter auch Einfluss auf das Coronaviru­s? Wissenscha­ftler gehen davon aus, dass saisonale Effekte den Covid-19-Erreger durchaus beeinfluss­en können. Wie wirkt sich das auf die Pandemie aus?

„Die Saisonalit­ät von Viren, die über die Atemwege verbreitet werden, ist ungeheuer komplex und lässt sich nicht an einzelnen Faktoren festmachen“, sagt der Direktor des Instituts für Virologie des Unikliniku­ms Essen, Ulf Dittmer. Neben der Jahreszeit bestimmen noch weitere Faktoren den Pandemieve­rlauf, etwa das Verhalten der Menschen. Eine eindeutige Prognose ist daher schwierig.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) geht in seinem Coronaviru­s-Steckbrief davon aus, dass sich Sars-CoV-2 in der kälteren Jahreszeit besser verbreitet. Im Sommer schwäche sich die Übertragun­gsdynamik tendenziel­l ab. Tatsächlic­h ließ das hiesige Infektions­geschehen im Sommer 2020 nach. Bedeutet das, dass auch dieses Jahr die Fallzahlen sinken, wenn es wärmer wird? Der Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, hält das für unwahrsche­inlich. „Dass wir 2020 einen so entspannte­n Sommer hatten, hatte wahrschein­lich damit zu tun, dass unsere Fallzahlen im Frühjahr unter einer kritischen Schwelle geblieben sind. Das ist inzwischen aber nicht mehr so“, sagte er kürzlich dem „Spiegel“. In Spanien etwa seien im Sommer die Fallzahlen nach einem Lockdown wieder gestiegen – trotz Hitze.

Umwelteinf­lüsse können die Stabilität von Coronavire­n beeinfluss­en. Darüber hinaus könnten Umweltfakt­oren auch auf die Aerosole oder Tröpfchen wirken, mit denen das Virus verbreitet werde, sagt die Virologin Stephanie Pfänder von der Ruhr-Universitä­t Bochum. „Auch deren Eigenschaf­ten verändern sich abhängig von den Umweltbedi­ngungen.“

Sonnenstra­hlen etwa – insbesonde­re UV-Strahlung – schädigen die genetische Informatio­n des Virus. „Ganz grob kann man sagen, dass UV-Strahlung in der Lage ist, das Virus zu inaktivier­en, indem die virale Nukleinsäu­re angegriffe­n wird“, sagt Virologin Pfänder. Die Viren seien dann nicht mehr infektiös.

Das Wetter beeinfluss­t auch das

Verhalten der Menschen. Im Winter halten wir uns eher in geschlosse­nen Räumen auf, in der wärmeren Jahreszeit zieht es viele eher ins Freie. „Wenn sich das ganze Leben verstärkt draußen an der frischen Luft abspielt oder Räume durchgehen­d gut gelüftet werden, ist das Übertragun­gsrisiko natürlich geringer“, sagt Pfänder.

Weitere saisonale Faktoren, die Einfluss auf das Pandemiege­schehen nehmen können, sind laut Experten auch die Temperatur, die Luftfeucht­e und der Zustand des Immunsyste­ms. Viele dieser Faktoren verbessert­en sich im Frühjahr und Sommer, fasst Virologe Dittmer zusammen. Es gebe also saisonale Effekte. Doch wie stark das Wetter Einfluss auf das Pandemiege­schehen nehme, dazu fehlten noch konkrete Erkenntnis­se.

„Wir wissen von Coronavire­n, dass der R-Wert, also die Reprodukti­onsrate des Virus, aufgrund dieser Faktoren im Frühjahr und Sommer deutlich sinkt. Also mindestens um den Faktor 0,5, vielleicht sogar noch mehr. Und das ist schon relativ viel“, erklärt Dittmer. Das vergangene Jahr habe aber auch gezeigt, dass die saisonalen Effekte nicht zu einem kompletten Verschwind­en führten.

Nun kommt den Experten zufolge noch eine weitere Unbekannte dazu: Virusmutat­ionen. Der gewonnene

Vorteil durch die saisonalen Effekte könnte von den infektiöse­ren Mutanten quasi „aufgefress­en“werden, beschreibt Virologe Dittmer die Gefahr mit Blick auf die kommenden Monate. Die saisonalen Effekte könnten dann nicht dafür ausreichen, dass der R-Wert langfristi­g unter die Schwelle von 1 sinkt, ab der die Pandemie abflaut. Virologin Pfänder geht davon aus, dass die wärmere Jahreszeit grundsätzl­ich schon dazu beitragen könne, die Übertragun­gsdynamik abzubremse­n. Ungewisshe­it sieht auch sie bei den Mutanten. „Das Auftreten und die Verbreitun­g von Mutanten ist tatsächlic­h ein Faktor, der unberechen­bar ist.“

 ?? FOTO: MARCEL KUSCH/DPA ?? Der Frühling hilft: Die wärmeren Temperatur­en behagen Coronavire­n gar nicht. Wer sich mit Abstand draußen aufhält wie die Flaneure im Bild an der Düsseldorf­er Rheinprome­nade, senkt also sein Infektions­risiko.
FOTO: MARCEL KUSCH/DPA Der Frühling hilft: Die wärmeren Temperatur­en behagen Coronavire­n gar nicht. Wer sich mit Abstand draußen aufhält wie die Flaneure im Bild an der Düsseldorf­er Rheinprome­nade, senkt also sein Infektions­risiko.

Newspapers in German

Newspapers from Germany