Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Krippe mit Kreuzigung und Auferstehung
Thomas Alber hat eine Passionskrippe für St. Petrus Canisius gebaut – Ab Ostermontag ist sie zu sehen
FRIEDRICHSHAFEN - Unter einer Krippe stellt man sich gemeinhin eine Weihnachtskrippe vor – mit Ochs und Esel, Maria, Josef und freilich dem Jesuskind. Es gibt aber auch Passionskrippen, die den Tod Jesu und seine Auferstehung in Szene setzen. Im 18. und 19. Jahrhundert waren Passionskrippen in Mittel- und Westeuropa weit verbreitet, doch danach gerieten sie in Vergessenheit. In Friedrichshafen lebt diese Tradition wieder auf: Thomas Alber, der ehemalige Leiter des Karl-Olga-Hauses, hat eine Passionskrippe gebaut, die nun in St. Petrus Canisius gezeigt wird – in einer Wandnische, in der sich früher ein Beichtstuhl befand.
Durch die Glasscheiben in den Beichtstuhltüren erhalten die Besucher „Einblick in eine Welt, die man sonst nicht sieht“, sagt Dekan Bernd Herbinger. Dass Alber die Krippe der Kirchengemeinde St. Petrus Canisius geschenkt hat – lediglich die Materialkosten wurden ihm erstattet – ist für Herbinger ein großer Gewinn. „Thomas Alber hat rund 400 Stunden Arbeit in die Krippe investiert. Und er hat sich sehr um die historische Stimmigkeit bemüht.“
Albers Passionskrippe ist Maßarbeit: Sie ist vier Meter lang, 85 Zentimeter breit und passt somit genau in die Beichtstuhl-Nische. Es gibt Passionskrippen, die alle 14 Stationen der Passion Christi darstellen, doch Thomas Alber beschränkte sich auf eine: Jesu Kreuzigung – sowie seine spätere Auferstehung. Nun ist es nicht gerade eine simple Aufgabe, jenen rätselhaften Schlüsselmoment darzustellen, mit dem die christliche Heilsgeschichte steht oder fällt. Paulus sagt es im 1. Korintherbrief so: „Wäre aber Christus nicht auferstanden, so hätte unsere ganze Predigt keinen Sinn, und euer Glaube hätte keine Grundlage.“
Thomas Alber lässt Jesus am Ostermorgen in einem weißen Gewand aus der Grabhöhle treten. Ein aus der Höhle dringendes Licht erhellt seine Silhouette und erleuchtet, was Jesus auf der Grabbank zurücklässt: blutige Binden sowie das Turiner Grabtuch und den Schleier von Manoppello, die beide das Antlitz Christi zeigen. Vor dem Hintergrund der mit Zinnen und Türmen bewehrten Stadtmauer von Jerusalem teilt sich die atmosphärische Krippenlandschaft in vier Bereiche. Da ist zum einen eines der Stadttore, durch das Jesus getrieben worden sein muss, um nach Golgatha, der Hinrichtungsstätte, zu gelangen – denn sie lag außerhalb der Stadtmauern. Die Kreuzigung selbst zeigt Jesus mit den beiden Schächern. „Ich hätte die Kreuzigung auch blutiger darstellen können“, sagt Thomas Alber über den am Kreuz sterbenden Jesus. „Das war sehr brutal. Die Evangelien liefern sozusagen eine Kinderversion der Wirklichkeit.“Abgerückt von den Kreuzen liegt Jesu Untergewand auf dem Erdboden, und auf ihm winzige Würfel, da die römischen Soldaten es unter sich verlosten. Der neben Golgatha liegende, zerklüftete Abschnitt mit dem schon erwähnten
Grab Jesu gleicht einer Abenteuerlandschaft. „Das Grab lag in einem Garten“, sagt Thomas Alber. „Wie dieser Garten aussah, weiß aber kein Mensch.“Es sei allerdings üblich gewesen, Gärten in stillgelegten Steinbrüchen einzurichten. Daher sieht man im Garten der Passionskrippe auch Abbrüche von herausgesägten Felsen. Zudem hat Alber hier eine leicht gekräuselte Wasserfläche angelegt, die inmitten der blühenden Pflanzen erfrischend wie eine Oase wirkt.
An diesen Garten, in dem die Grabhöhle Jesu übrigens nicht die einzige ist, schließt sich ein jüdischer Friedhof an. Die steinernen Grabplatten sind verschoben, die Toten offenbar entstiegen. Aus einem Grab hängt eines der Tücher, in dem die Toten bestattet wurden. Was wie die Szene eines Gruselfilms wirkt, leitet sich aus einer Stelle im Matthäusevangelium ab: „Und die Gräber öffneten sich, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt und gingen aus den Gräbern
hervor nach Jesu Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen.“
Damit die Besucher die Hintergründe der Passionskrippe besser verstehen, will Dekan Herbinger einen Audioguide produzieren. Die Passionskrippe soll von nun an in jedem Jahr zu Ostern in St. Canisius in Friedrichshafen zu sehen sein.
Entstanden ist die Krippe in Allmannsweiler, in den Räumen des 2018 gegründeten Krippenvereins Friedrichshafen. „In unserem Vorsitzenden Reinhold Amann hatte ich einen sehr guten Anleiter“, sagt Thomas Alber, der sich übrigens erst vor eineinhalb Jahren aufs Bauen von Krippen verlegte. Allerdings hat er sich zuvor lange mit dem Eisenbahnmodellbau beschäftigt.
Die Passionskrippe ist ab Ostermontag, 5. April, in St. Petrus Canisius zu sehen. Sie wird bis zum Pfingstfest täglich von 8 bis 18 Uhr gezeigt.