Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Das war ein großer Schockmome­nt“

Der Isnyer Maximilian Mechler über die Gefahr beim Skifliegen und seine Rolle beim DSV

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ISNY - Die Skisprung-Welt kann aufatmen: Nachdem Daniel Andre Tande am Montag aus dem Koma erwacht war, wurde er am Mittwoch von der Intensiv- auf die Trauma-Station verlegt und ist seit Freitag wieder in seiner Heimat Norwegen. Doch die Bilder von seinem schweren Sturz beim Skifliegen in Planica sind nach wie vor präsent – auch bei Maximilian Mechler (Foto: imago images). Der Isnyer war einst selbst ein Weltklasse-Springer und gewann mit dem Team Silber bei der Skiflug-WM 2012 in Vikersund. Im Interview mit Martin Deck spricht der 37-Jährige über die besondere Gefahr beim Skifliegen, die Saisonbila­nz der deutschen Springer und seine mögliche neue Funktion beim Deutschen Skiverband.

Herr Mechler, die Skisprung-Saison hat am vergangene­n Wochenende mit einem Schock geendet. Daniel Andre Tanne stürzte schwer und musste wiederbele­bt und ins künstliche Koma versetzt werden. Wie haben Sie den Sturz erlebt und wie groß ist die Erleichter­ung, dass Tande offenbar keine größeren Schäden davongetra­gen hat?

Die Erleichter­ung, als er aus dem Koma aufgewacht ist, war extrem groß. Aber nach dem Sturz standen alle erst mal unter Schock. Ich selbst habe den Sprung gar nicht gesehen, weil ich den Fernseher erst ein wenig später eingeschal­tet habe. Ich habe mich nur gewundert, warum die Stimmung bei allen so bedrückt war. Als ich dann vom Sturz erfahren habe, habe ich mir den Sprung direkt im Internet angeschaut – das war ein großer Schockmome­nt.

Vor allem weil es solche schlimmen Stürze schon lange nicht mehr gegeben hat. Dadurch vergisst man auch ein wenig, dass Skispringe­n nach wie vor eine große Herausford­erung ist und so etwas immer passieren kann. Dass es dann aber sogar den ehemaligen Skiflugwel­tmeister erwischt, hat einem sehr schnell wieder die Augen geöffnet.

Ist die Gefahr beim Skifliegen nochmals größer, weil dort größere Kräfte wirken als auf den kleineren Schanzen?

Ja, Skifliegen ist noch mal eine ganz andere Hausnummer, weil die Springer eine viel höhere Geschwindi­gkeit erreichen und die Kräfte sich dadurch potenziere­n. Hinzu kommt, dass Skifliegen in der Regel nicht trainiert wird und es ein Riesenschr­itt von der 140- auf die 240-Meter-Schanze ist.

Vor allem auch für den Kopf. Absolut. Die Springer sind beim Skifliegen in zwei Lager geteilt: Die einen tun sich sehr schwer, weil das eine große Herausford­erung ist, die anderen sind ganz heiß drauf, weil sie weit fliegen und das Adrenalin spüren wollen. Bei mir hat es auch ein bisschen gedauert, bis ich mich beim Skifliegen wohlgefühl­t habe. Am Ende ist es aber für jeden Springer das Größte, den eigenen Rekord nach oben zu schrauben.

Tatsächlic­h gibt es seit Jahren einen Trend zu immer weiteren Sprüngen. Modellrech­nungen sagen sogar voraus, dass in Zukunft Weiten von bis zu 400 Metern möglich wären – das sind 150 Meter mehr als der Weltrekord von 253,5 Meter. Was halten Sie von dieser Rekordjagd?

Die Weite allein ist gar nicht so entscheide­nd, es kommt vor allem auf die

Geschwindi­gkeit an. Wenn die Voraussetz­ungen es zulassen, könnte ich mir schon vorstellen, dass es zukünftig noch weiter gehen könnte. Skifliegen ist einfach etwas ganz Besonderes, das man sich sehr gerne anschaut. Es muss aber jedem klar sein, dass immer ein Risiko mitschwing­t. Das ist schon eine psychische Herausford­erung.

Einer, der das Skifliegen beherrscht, ist Karl Geiger. Mit seinem Sieg am Sonntag hat er neben der Weltmeiste­rschaft im Januar auch den Weltcup in dieser Disziplin gewonnen. Der krönende Abschluss einer guten Saison für den DSV?

Das war eine unglaublic­h gute Saison. Was mich vor allem extrem beeindruck­t hat, ist, dass es das Team auch geschafft hat, eine schwierige Phase zwischen der Vierschanz­entournee und der WM in Oberstdorf so gut zu überstehen und am Ende noch mal so erfolgreic­h zu sein. Da hat auch das Trainertea­m um Stefan Horngacher sehr gute Arbeit geleistet.

Weniger erfolgreic­h verlief die Saison bei den DSV-Frauen, bei denen Sie in diesem Jahr als Trainer im BKader verantwort­lich waren. Es war erst die zweite Saison seit Einführung des Weltcups, in der es keine deutsche Springerin in einem Einzelwett­bewerb aufs Podest geschafft hat. Woran hat es gehapert?

Wir haben gerade erst zwei Tage hinter uns, in denen wir das intensiv diskutiert haben. Es kommen viele Komponente­n zusammen, weshalb es nicht so gelaufen ist, wie wir uns das erhofft haben. Aber klar ist, dass die anderen Nationen einen extremen Entwicklun­gsschritt gemacht haben, dem wir nicht ganz folgen konnten. Ganz so schlecht war die Saison dennoch nicht. Es war ja auch der super Erfolg mit dem Gewinn der Goldmedail­le bei der WM im Mixed-Team und ein dritter Platz im Team beim Weltcup-Abschluss dabei.

Die nächste Saison ist eine Olympiasai­son. Wie hoffnungsv­oll sind Sie, dass rechtzeiti­g talentiert­e Springerin­nen nachkommen?

Die Situation im Nachwuchs ist nicht ganz einfach. Es kommen schon Springerin­nen nach, aber die Mädels, die richtig gut springen, sind rar gesät. Die Gründe dafür sind vielschich­tig. Die Ansprüche an die Jugendlich­en werden insgesamt immer anspruchsv­oller. Und man muss feststelle­n, dass immer weniger dabei sind, die die Ausbildung mit so einer Ernsthafti­gkeit annehmen, wie sie sollten. Das Potenzial ist da, aber es wird immer schwierige­r, es herauszuki­tzeln. Für uns gilt es, Wege zu finden, die Gesamtsitu­ation wieder zu verbessern.

Sie könnten das in einer führenden Position angehen. Mit Andreas Bauer hat sich der Bundestrai­ner der Frauen nach mehr als 20 Jahren vom Skispringe­n zurückgezo­gen. Könnten Sie sich vorstellen, seine Nachfolge anzutreten?

Zunächst einmal: Der Andi Bauer wird dem Skispringe­n extrem fehlen und hinterläss­t sehr große Fußspuren – sowohl was die Erfolge angeht, aber auch als absoluter Experte und positiv Skisprungv­errückter. Er hat das Frauen-Skispringe­n in Deutschlan­d aufgebaut, extrem geprägt und war über Jahre hinweg wahnsinnig erfolgreic­h. Auch ich durfte viel von ihm lernen. Klar ist, dass seine Nachfolge sicher eine spannende und herausford­ernde Aufgabe wird. Wer diese übernimmt und was meine künftige Rolle werden könnte, muss man nun sehen.

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