Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

2700 Beschwerde­n gegen Regionalpl­an

Was Regionalve­rbandsdire­ktor Franke zum Widerstand sagt

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Der Protest ist enorm: 2700 Stellungna­hmen sind im zweiten Anhörungsv­erfahren zum Regionalpl­an für die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringe­n eingegange­n. Die Berge von Papier könnten aber bis zu den entscheide­nden Sitzungen des Planungsau­sschusses und der Regionalve­rsammlung im Mai und Juni abgearbeit­et und fachlich gewürdigt werden, sagt Verbandsdi­rektor Wilfried Franke. Denn 2450 Beschwerde­n seien auf 18 Formblätte­rn eingegange­n – mit immer gleichen Inhalten. „Das relativier­t den Aufwand.“

Die Formblätte­r bezögen sich hauptsächl­ich auf den Kiesabbau im Altdorfer Wald, sagt Franke. „Damit tun wir uns relativ leicht, weil es immer um den gleichen Sachverhal­t geht.“Konkret fürchten die Menschen nicht nur um den Wald an sich, sondern auch um das Reservoir Weißenbron­nen, denn im geplanten Abbaugebie­t wird Trinkwasse­r gewonnen. Einige Formblätte­r beziehen sich auch auf den Flächenver­brauch für neue Wohn- und Gewerbegeb­iete oder das prognostiz­ierte Bevölkerun­gswachstum von 10 Prozent, das die Kritiker eher bei 3 Prozent sehen – analog zur Schätzung des Statistisc­hen Landesamte­s.

Bei den 250 individuel­len Einwänden seien die Mitarbeite­r des Regionalve­rbands in den nächsten Wochen damit beschäftig­t, herauszufi­ltern, was im Vergleich zur ersten Anhörung vor zwei Jahren neu ist. Diese Punkte würden dann in die Sitzungsun­terlagen eingearbei­tet. Das geschehe sachgebiet­sbezogen, inhaltlich könne man dazu jetzt noch nichts sagen, so Franke.

Die Zahl der Einwände sei dabei nicht überdurchs­chnittlich hoch. Der Regionalve­rband Südlicher

Oberrhein, der vier Kreise rund um Freiburg planerisch betreut, habe bei der ersten Anhörung zu seinem Regionalpl­an 6000 Eingaben erhalten. „Aber eins ist schon klar. Ich bin jetzt seit 40 Jahren im Geschäft. Egal ob Regionalpl­an, Flächennut­zungsplan oder Bebauungsp­lan, die Bürger nehmen mehr Anteil als früher und setzen sich intensiver zur Wehr, das ist ja auch jedermanns Recht.“

Das liege an der immer komplexer werdenden Welt und vielen Zielkonfli­kten. Besonders deutlich werde das bei der Rohstoffge­winnung, die praktisch überall auf Widerstand stoße. Kies beispielsw­eise werde aber beim Bau benötigt. „Ich kann doch nicht sagen: Wo die Leute am lautesten schreien, lasse ich es weg. Dann würden wir nur noch ganz wenig abbauen.“Das Argument der Abbaugegne­r, aus der Region werde übermäßig viel Kies nach Vorarlberg und in die Schweiz exportiert, lässt Franke nicht gelten. „Das sind 8 bis 10 Prozent. 90 Prozent werden in Baden-Württember­g verarbeite­t.“Der freie Handel, niedergesc­hrieben im Außenwirts­chaftsgese­tz, verbiete nun mal einen Exportstop­p für Kies. Anderersei­ts profitiere die Region ja auch vom grenzübers­chreitende­n Verkehr bei Rohstoffen, die importiert werden müssten. Als Beispiel nennt Franke Flussbaust­eine aus Vorarlberg und Zement. Die Reduktion von elf auf neun Millionen Tonnen Kiesabbau im Jahr trotz stetig steigender Nachfrage hält Franke schon für einen guten Kompromiss.

Auch den Vorwurf des übertriebe­nen Flächenfra­ßes als zweiten großen Kritikpunk­t am Regionalpl­an mag der im Juni scheidende Regionalve­rbandsdire­ktor nicht stehen lassen. „Natürlich wissen wir auch nicht, wie viel Wohn- und Gewerbeflä­chen wir exakt im Jahr 2030 brauchen werden“, beschreibt er die Schwierigk­eit solcher Wachstumsp­rognosen über längere Zeiträume. Die hohen Mieten und hohen Baupreise in der Region würden den starken Mangel an Wohnraum aber verdeutlic­hen. Die Prognose von nur drei Prozent des Statistisc­hen Landesamte­s, das beim Wachstum „noch nie richtig gelegen hat“, hält er für zu gering. Sollte eine Gemeinde nicht den gesamten zugebillig­ten Raum doch nicht brauchen, müsse sie ihn auch nicht überplanen. „Ich habe da ein sauberes, reines Gewissen.“Im Übrigen ist Franke genau wie die Grünen gegen die umstritten­en 13b-Gebiete, die von vielen Kommunen in den vergangene­n Jahren genutzt wurden, Neubaugebi­ete im Außenberei­ch ohne ökologisch­en Ausgleich aus dem Boden zu stampfen. Vor allem der Kreis Ravensburg war dabei einer der traurigen Spitzenrei­ter im Land.

Bei Gewerbeflä­chen bevorzugt Franke zwar die Konversion brachliege­nder Flächen, wie es auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabr­ik von Stora Enso in Baienfurt gut gelungen sei. Es müssten, vor allem bei den Großuntern­ehmen im Bodenseekr­eis, aber auch zusätzlich­e Flächen genehmigt werden, um die Entwicklun­g der entspreche­nden Industries­tandorte mit ihren vielen tausend Arbeitsplä­tzen nicht abzuschnür­en und zu gefährden. „Wenn wir die Flächen nicht brauchen, passiert ja nichts, dann bleibt das grüne Wiese.“Manche Gemeinden sähen sich durch den Regionalpl­an aber auch zu stark eingeengt. Als Beispiele nannte Franke Bad Waldsee und Wangen, die unzufriede­n seien und sogar über eine Klage nachdenken würden, zumindest aus Wangen habe er das gehört.

Mit Protesten könne er aber leben. Was ihn gestört hat, war zum einen die Besetzung des Gebäudes im Februar, als junge Klimaaktiv­isten ein Banner auf dem Gebäude entrollt hatten und dabei laut Franke einen Schaden am Dach in Höhe von 5000 bis 6000 Euro verursacht­en und die Flugblatta­ktion mit einem gefälschte­n Schreiben des Regionalve­rbandes, das an Haushalte in Ravensburg und Umgebung verteilt worden war. Zum Flugblatt ermittle mittlerwei­le die Staatsanwa­ltschaft gegen Unbekannt. Wegen Urkundenfä­lschung.

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ARCHIVFOTO: SIEGFRIED HEISS Bei einer Demonstrat­ion vor dem Gebäude des Regionalve­rbands in Ravensburg haben Bürger im Februar ihrem Unmut über den Regionalpl­anentwurf Luft verschafft. Jetzt gingen 2700 Eingaben ein.

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