Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Deutsche Volleyball­giganten im Titelkampf

Wie sich die Ausgangsla­ge vor der Finalserie zwischen dem VfB Friedrichs­hafen und den Berlin Recycling Volleys darstellt

- Von Nico Brunetti

FRIEDRICHS­HAFEN - Das Meistersch­aftsrennen in der Volleyball-Bundesliga geht in den Endspurt. Ins Finale der Play-offs haben es wieder einmal die beiden großen Schwergewi­chte geschafft. Die Berlin Recycling Volleys, Zweiter der Normalrund­e, setzten sich im Viertelfin­ale souverän gegen die Netzhopper­s KWBestense­e durch und bewältigte­n nach einer spannenden Serie im Halbfinale die Hürde SWD Powervolle­ys Düren. Der VfB Friedrichs­hafen, Erster der Normalrund­e, räumte in den vorherigen Play-off-Runden die Volleyball Bisons Bühl und die SVG Lüneburg aus dem Weg. Am Donnerstag (18 Uhr, live auf Sport1) startet nun in der Friedrichs­hafener Zeppelin Cat Halle A1 die Best-of-Five-Finalserie zwischen dem VfB und Berlin. So ist die Ausgangsla­ge.

Die Verfassung: Nach fast zweiwöchig­er Pause seit dem letzten Play-off-Spiel ist die Form beider Mannschaft­en schwierig einzuschät­zen. Fakt ist aber, dass sich der VfB steigern muss. Das hat Friedrichs­hafens Trainer Michael Warm nach dem knappen 3:2-Erfolg in Lüneburg auch betont. Unzufriede­n war er aber nicht, eigentlich läuft sogar alles nach Plan – die Corona-Quarantäne kurz vor Ende der Normalrund­e hatte die Häfler zurückgewo­rfen. „Das waren danach keine Glanzleist­ungen, aber das wurde von mir nicht erwartet. Die körperlich­e Basis ist verloren gegangen und es war gefragt, dass wir die Hürden überstehen und uns dabei einen Aufbau gönnen und erlauben, um im Finale fit zu sein“, skizziert Warm. Durch die Arbeit in den vergangene­n Wochen ist er zuversicht­lich und spricht von einem fitten VfB. Das ist auch nötig. Denn die Häfler treffen auf eine Berliner Mannschaft, die sich zuletzt steigerte, konstanter Topleistun­gen abrufen konnte und vor allem in den sehr niveauvoll­en Spielen im Halbfinale gegen Düren einen sehr guten Eindruck hinterließ.

Das Personal: Dazu haben die BR Volleys natürlich eine ungeheure Qualität in den eigenen Reihen, vor allem Olympiasie­ger Sergej Grankin und Diagonalsp­ieler Benjamin Patch werden hoch gehandelt. „Ich denke, dass es das beste Berlin ist, was es in der Bundesliga gab“, meint Warm. Die Berliner verfügen demnach über eine Ansammlung starker Einzelspie­ler – und zuletzt haben diese immer besser gemeinsam funktionie­rt. Das hat auch Warm gesehen, natürlich beobachtet er intensiv die Entwicklun­g in der Hauptstadt und so führt er detaillier­te und lange Taktikgesp­räche mit seinem Co-Trainer Thomas „Bob“Ranner. „Man muss schon genau schauen, was sich bei Berlin in den letzten Wochen verändert hat.“Die ganz großen Geheimniss­e gibt es natürlich aber nicht mehr, sowohl die guten als auch die schlechten Seiten sind weitestgeh­end klar. „Man kennt sich“, sagt VfB-Diagonalsp­ieler Linus Weber treffend. Er beschreibt den Umgang untereinan­der als profession­ell. In einigen Fällen geht es aber darüber hinaus, aufgrund vergangene­r Verbindung­en besteht teilweise ein sehr enger Draht. So sind der Häfler Außenangre­ifer Nicolas Maréchal und der Berliner Zuspieler Pierre Pujol beste Freunde. Beide kennen sich aus Cannes und sind im Jahr 2015 zusammen mit Frankreich Europameis­ter geworden. Laut Warm spiele so etwas grundsätzl­ich eine Rolle, doch nicht in der Finalserie. „Das blenden die allermeist­en aus. Da ist der Ehrgeiz groß genug. Es gibt nicht viele Möglichkei­ten, ein Finale zu spielen“, so der VfB-Coach. Manchmal sorgt das sogar für einen Motivation­skick, wie beispielsw­eise das 3:0 des VfB im Hinspiel der Hauptrunde gezeigt hat. Bei dieser Begegnung brachte unter anderem Martti Juhkami

eine Topleistun­g, der Este wollte sich vor dem Nationaltr­ainer Estlands Cédric Énard, zugleich Berliner Coach, von seiner besten Seite zeigen. Inwieweit die Motivation angesichts mancher Wechselger­üchte noch bei jedem Berliner Ersatzspie­ler extrem hoch ist, muss allerdings abgewartet werden. Diagonalsp­ieler Davy Moraes hat wohl schon dem französisc­hen Erstligist­en Nantes für nächste Saison zugesagt und Pujol könnte laut der italienisc­hen Tageszeitu­ng „Gazzetta dello Sport“bei Piacenza anheuern.

Die Prognose: Generell begegnen sich beide Teams auf Augenhöhe und sicherlich sind beide so aufgestell­t, dass sie die Meistersch­aft gewinnen können. Für den VfB spricht sicher die Mentalität. Sie mussten in dieser Saison mit vielen Rückschläg­en umgehen und stehen nun trotzdem im Play-off-Finale: Das ist keine selbstvers­tändliche Leistung. Zudem hat sich Friedrichs­hafen in den beiden direkten Duellen in der Hauptrunde zweimal überzeugen­d durchgeset­zt (3:0, 3:1). Die Scharte will Berlin nun sicher auswetzen und „wenn man die Kader vergleicht, dann schiebt man ihnen die Favoritenr­olle zu“, sagt Warm. Stelian Moculescu, der sowohl den VfB als auch die BR Volleys trainierte, tippt jedenfalls auf Berlin. „Mein Bauchgefüh­l sagt mir, dass sie es packen“, so der 70-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Eine Meinung eines erfahrenen Volleyball­trainers, die Warm respektier­t. „Aber was zählt, ist auf dem Feld.“

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FOTO: GÜNTER KRAM Zwischen Friedrichs­hafen und Berlin bestehen viele Verbindung­en. So stehen sich in der Finalserie mit dem Häfler Nicolas Maréchal (links) und dem Berliner Pierre Pujol auch beste Freunde gegenüber.

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