Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Deutsche Volleyballgiganten im Titelkampf
Wie sich die Ausgangslage vor der Finalserie zwischen dem VfB Friedrichshafen und den Berlin Recycling Volleys darstellt
FRIEDRICHSHAFEN - Das Meisterschaftsrennen in der Volleyball-Bundesliga geht in den Endspurt. Ins Finale der Play-offs haben es wieder einmal die beiden großen Schwergewichte geschafft. Die Berlin Recycling Volleys, Zweiter der Normalrunde, setzten sich im Viertelfinale souverän gegen die Netzhoppers KWBestensee durch und bewältigten nach einer spannenden Serie im Halbfinale die Hürde SWD Powervolleys Düren. Der VfB Friedrichshafen, Erster der Normalrunde, räumte in den vorherigen Play-off-Runden die Volleyball Bisons Bühl und die SVG Lüneburg aus dem Weg. Am Donnerstag (18 Uhr, live auf Sport1) startet nun in der Friedrichshafener Zeppelin Cat Halle A1 die Best-of-Five-Finalserie zwischen dem VfB und Berlin. So ist die Ausgangslage.
Die Verfassung: Nach fast zweiwöchiger Pause seit dem letzten Play-off-Spiel ist die Form beider Mannschaften schwierig einzuschätzen. Fakt ist aber, dass sich der VfB steigern muss. Das hat Friedrichshafens Trainer Michael Warm nach dem knappen 3:2-Erfolg in Lüneburg auch betont. Unzufrieden war er aber nicht, eigentlich läuft sogar alles nach Plan – die Corona-Quarantäne kurz vor Ende der Normalrunde hatte die Häfler zurückgeworfen. „Das waren danach keine Glanzleistungen, aber das wurde von mir nicht erwartet. Die körperliche Basis ist verloren gegangen und es war gefragt, dass wir die Hürden überstehen und uns dabei einen Aufbau gönnen und erlauben, um im Finale fit zu sein“, skizziert Warm. Durch die Arbeit in den vergangenen Wochen ist er zuversichtlich und spricht von einem fitten VfB. Das ist auch nötig. Denn die Häfler treffen auf eine Berliner Mannschaft, die sich zuletzt steigerte, konstanter Topleistungen abrufen konnte und vor allem in den sehr niveauvollen Spielen im Halbfinale gegen Düren einen sehr guten Eindruck hinterließ.
Das Personal: Dazu haben die BR Volleys natürlich eine ungeheure Qualität in den eigenen Reihen, vor allem Olympiasieger Sergej Grankin und Diagonalspieler Benjamin Patch werden hoch gehandelt. „Ich denke, dass es das beste Berlin ist, was es in der Bundesliga gab“, meint Warm. Die Berliner verfügen demnach über eine Ansammlung starker Einzelspieler – und zuletzt haben diese immer besser gemeinsam funktioniert. Das hat auch Warm gesehen, natürlich beobachtet er intensiv die Entwicklung in der Hauptstadt und so führt er detaillierte und lange Taktikgespräche mit seinem Co-Trainer Thomas „Bob“Ranner. „Man muss schon genau schauen, was sich bei Berlin in den letzten Wochen verändert hat.“Die ganz großen Geheimnisse gibt es natürlich aber nicht mehr, sowohl die guten als auch die schlechten Seiten sind weitestgehend klar. „Man kennt sich“, sagt VfB-Diagonalspieler Linus Weber treffend. Er beschreibt den Umgang untereinander als professionell. In einigen Fällen geht es aber darüber hinaus, aufgrund vergangener Verbindungen besteht teilweise ein sehr enger Draht. So sind der Häfler Außenangreifer Nicolas Maréchal und der Berliner Zuspieler Pierre Pujol beste Freunde. Beide kennen sich aus Cannes und sind im Jahr 2015 zusammen mit Frankreich Europameister geworden. Laut Warm spiele so etwas grundsätzlich eine Rolle, doch nicht in der Finalserie. „Das blenden die allermeisten aus. Da ist der Ehrgeiz groß genug. Es gibt nicht viele Möglichkeiten, ein Finale zu spielen“, so der VfB-Coach. Manchmal sorgt das sogar für einen Motivationskick, wie beispielsweise das 3:0 des VfB im Hinspiel der Hauptrunde gezeigt hat. Bei dieser Begegnung brachte unter anderem Martti Juhkami
eine Topleistung, der Este wollte sich vor dem Nationaltrainer Estlands Cédric Énard, zugleich Berliner Coach, von seiner besten Seite zeigen. Inwieweit die Motivation angesichts mancher Wechselgerüchte noch bei jedem Berliner Ersatzspieler extrem hoch ist, muss allerdings abgewartet werden. Diagonalspieler Davy Moraes hat wohl schon dem französischen Erstligisten Nantes für nächste Saison zugesagt und Pujol könnte laut der italienischen Tageszeitung „Gazzetta dello Sport“bei Piacenza anheuern.
Die Prognose: Generell begegnen sich beide Teams auf Augenhöhe und sicherlich sind beide so aufgestellt, dass sie die Meisterschaft gewinnen können. Für den VfB spricht sicher die Mentalität. Sie mussten in dieser Saison mit vielen Rückschlägen umgehen und stehen nun trotzdem im Play-off-Finale: Das ist keine selbstverständliche Leistung. Zudem hat sich Friedrichshafen in den beiden direkten Duellen in der Hauptrunde zweimal überzeugend durchgesetzt (3:0, 3:1). Die Scharte will Berlin nun sicher auswetzen und „wenn man die Kader vergleicht, dann schiebt man ihnen die Favoritenrolle zu“, sagt Warm. Stelian Moculescu, der sowohl den VfB als auch die BR Volleys trainierte, tippt jedenfalls auf Berlin. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass sie es packen“, so der 70-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Eine Meinung eines erfahrenen Volleyballtrainers, die Warm respektiert. „Aber was zählt, ist auf dem Feld.“