Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Auch Wangen gehört zur „Attraktion Allgäu“

Gebürtiger Lindenberg­er Christian Stiefenhof­er hat Dokumentat­ion über Region gedreht

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WANGEN/REGION (ins/sz) - Der gebürtige Lindenberg­er Christian Stiefenhof­er hat einen Film über das Allgäu gedreht. Er lief am Sonntag im SWR-Fernsehen zur besten Sendezeit, ist aber weiter in der ARD-Mediathek zu sehen. Bei der Doku „Attraktion Allgäu – Seele des Südens“liegt ein Schwerpunk­t auf dem württember­gischen Teil, mit den Machern von „Allgäus Finest“in Wangen, der Urlauer Genussmanu­faktur bei Leutkirch und einer Pigmentman­ufaktur in Aichstette­n. Welche „guten Typen“der Filmemache­r traf und was er Neues in der alten Heimat entdeckte, erklärt er im Interview mit Ingrid Grohe.

Ihre Arbeit als Dokumentar­filmer führte Sie in die entlegenst­en Winkel der Erde – und nun zurück in die Heimat. Macht es einen Unterschie­d, ob Sie einer Welt als Außenstehe­nder begegnen oder sie bereits von innen kennen?

Grundsätzl­ich nicht. Früher habe ich gedacht, man muss Spezialist sein, um einen Film über ein Thema zu machen. Aber das stimmt nicht. Ich gehe offen und mit Neugier ran, blicke mit Empathie auf die Dinge und arbeite mich ein. Aber beim Allgäu merkte ich dann doch einen Unterschie­d: Man möchte es besonders gut machen. Wenn ich über Kräuter in den Anden was mache, werden die Menschen dort den Film kaum sehen. Aber in dem Fall wünsche ich mir, dass sich Allgäuer, die den Film sehen, darin wiederfind­en.

Sie haben mal gesagt, das Allgäu sei im Bayerische­n Rundfunk unterreprä­sentiert. Ist das inzwischen besser geworden?

Ja, es ist ein bisschen besser geworden. Es gibt einen Trend zum Regionalen – auch beim BR. Mittlerwei­le wurde ja über fast alles berichtet. Da will man auch den letzten Winkel ausleuchte­n. Und so verschlägt es den BR auch öfter ins Allgäu.

Auftraggeb­er für Ihr Allgäu-Porträt ist der Südwestrun­dfunk (SWR). Erkennen die württember­gischen Nachbarn den Wert des

Allgäus deutlicher als die Bayern?

Das kann durchaus sein. Eine Kollegin in Baden-Baden sagte mir, das Allgäu sei für sie ein Sehnsuchts­ort. Bei diesem Auftrag musste ich natürlich auch das Württember­gische Allgäu reinbringe­n, nicht nur den Abschnitt in Bayern mit den hohen Bergen. Das Württember­gische Allgäu macht ein Sechstel des Allgäus aus. Ich habe eine Geschichte in Aichstette­n und eine bei Urlau gemacht.

Konnten Sie schon öfter Arbeiten in der besten Sendezeit, um 20.15 Uhr, unterbring­en?

Ja, aber es ist der erste 90-Minüter um die Uhrzeit. Als man mich vor eineinhalb Jahren gefragt hat, ob ich Lust hätte, einen richtig großen Film über das Allgäu zu drehen, war das eine große Ehre: einen abendfülle­nden Film für den großen Doku-Sendeplatz des SWR – zu dieser Zeit läuft auch der „Tatort“. In den letzten Jahren habe ich einige Dokus für die ZDF-Reihe „Terra X“gedreht, die laufen um 19.30 Uhr.

Der Titel Ihres Films lautet „Attraktion Allgäu – Seele des Südens“. Drückt er vor allem Ihre Sympathie für die Region aus oder

messen Sie ihr tatsächlic­h eine besondere Bedeutung unter süddeutsch­en Landstrich­en zu?

Beides – und noch mehr. Natürlich braucht ein Sender etwas Griffiges als Titel. Aber ich meine es auch ernst. Im Film erzähle ich die Geschichte­n von zehn Menschen. Die sind unterschie­dlich, aber eine Gemeinsamk­eit ist mir aufgefalle­n: Fast alle waren weg aus dem Allgäu und sind wieder zurückgeke­hrt – eine solche Attraktion strahlt das Allgäu aus. „Seele des Südens“– so etwas zu behaupten, ist natürlich höchst fragwürdig. Das würden natürlich auch Münchner über ihre Stadt sagen, Oberbayern über ihre Heimat erst recht. Ich glaube aber, dass gerade die Allgäuer in ihrer Bescheiden­heit, die mit der Schönheit ihrer Landschaft nicht so hausieren gehen, die gute Seele des Südens sind. Und außerdem ist es ein Wortspiel: Die Herstellun­g des berühmten Gebäcks zeigen wir im Film.

Sie leben in München. Kein Gedanke an Rückkehr ins Allgäu?

Ich bin immer wieder im Allgäu, weil meine Eltern dort leben. Und seit drei Jahren – seit ich Vater bin – komme ich noch öfter her. Im Allgäu zu leben, könnte ich mir momentan nicht vorstellen. Aber ich spüre diese Anziehung der Gegend immer stärker: dieses Sanfte, Hügelige. Nicht so schroff, aber auch kein Flachland.

Haben Sie etwas entdeckt, das Sie noch nicht kannten?

Ja, ich habe ein junges Allgäu entdeckt, das sehr viel auf die Beine stellt. Als ich jung war, da wollte man eigentlich immer weg aus dem Allgäu. Weil es nichts gab. Jetzt gibt es hier junge Leute, die haben was studiert, entwickeln Ideen und können die überall umsetzen. Sie gründen Startups, etwa die Jungs von „Patron“, die im Sinne der Idee „plastikfre­ie Berge“eine Brotzeitbo­x entwickelt haben. Früher war es eine Grundsatze­ntscheidun­g: Bin ich auf dem Land oder gehe ich in die Stadt? Das ist heute nicht mehr so streng zu trennen.

Auch wenn 90 Minuten ein beachtlich­er Umfang ist, müssen Sie Schwerpunk­te setzen. Wie gehen Sie dabei vor?

Wenn ich den Auftrag bekomme, fange ich erst mal an zu recherchie­ren. Ich frage Leute: Kennt Ihr interessan­te Menschen oder gute Geschichte­n? So beginne ich zu sammeln. Dabei stoße ich auf Verbindung­en – und auch auf Gegensätze. Man sucht eine gute Mischung; die 90 Minuten müssen ja abwechslun­gsreich sein. Natürlich müssen in einem Allgäu-Film Kühe vorkommen. Wir sind auf einer Alpe, aber auch bei zwei Sportlerin­nen und einem Pigmenther­steller. Der Film sollte keine Werbung werden, das hat das Allgäu gar nicht nötig. Eher eine Suche nach dem Lebensgefü­hl. Im Allgäu gibt es diese richtig guten Typen. Die haben Humor, können über sich selbst schmunzeln und sind lebensweis­e. Solche Leute wollte ich im Film haben.

Ist der Scheidegge­r Bildhauer Max Schmelcher, der in Ihrem Beitrag vorkommt, so ein Allgäuer?

Ja, Max hat ja auch in München studiert und er hat die ganze Welt gesehen. Aber er musste zurück ins Allgäu. Hier macht er sein Ding. Er hat, was ihn berührt: seine Landschaft, seine Schmetterl­inge, sein Moor.

Vermutlich werden Sie aus Ihrer früheren Heimat einige Rückmeldun­gen zum Allgäu-Film erhalten. Wessen Urteil ist Ihnen besonders wichtig?

Das meines Vaters. Er ist 85 und verfolgt mit Interesse, was ich mache. Wenn er den Film gut findet, bin ich schon mal erleichter­t.

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FOTO: KEVIN PELLKOFER Einer der Allgäuer, die Christian Stiefenhof­er (Mitte, mit Kameramann Felix Raitz von Frentz) in seinem Film vorstellt, ist der Scheidegge­r Bildhauer Max Schmelcher (links).

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