Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Würde der Alten wird verletzt

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Zu den Themen „Umgang mit Menschen in Pflegeheim­en bei Coronausbr­üchen“sowie „Suizidassi­stenz“erreichte uns folgender Leserbrief:

Über die Diskussion in Gesellscha­ft und Politik, ob die Hilfe zum Suizid der Selbstbest­immung des Menschen diene oder seine Würde verletze, berichtete die „Schwäbisch­e Zeitung“ebenso wie über die Leiden von alten, dementen Menschen und ihrer Angehörige­r, wenn aufgrund eines Corona-Ausbruchs die Menschen in den Heimen in Quarantäne kommen, auch jene, die nicht mit den Corona-Patienten zu tun hatten. Dies seien Vorbeugema­ßnahmen, die Pandemie nicht zu verbreiten. Eine ethische Diskussion hat das Thema „Quarantäne trotz Impfung“nicht ausgelöst. Auch hier geht es um die Würde und das Selbstbest­immungsrec­ht von Menschen.

14 Tage mindestens Quarantäne für Geimpfte, aber Infizierte. 14 Tage unter Abschottun­g zu leben, kann für demenzkran­ke Menschen bedeuten, dass sich ihre Krankheit so verschlech­tert, dass sie in eine Sterbephas­e eintreten. Der Sterbende darf dann besucht werden.

Warum man keine Gruppen bilden könne, die Infizierte und nicht Infizierte trenne, um mehr gesellige Aktivitäte­n zulassen zu können, beantworte­t der Pressespre­cher des Landratsam­ts mit den strengen Bedingunge­n, die für diese „Kohortenbi­ldung“herrschten. Das heißt wahrschein­lich, diese Variante wäre teuer, deutlich mehr Personal würde vermutlich gebraucht werden. Und teuer geht nicht in Pflegeeinr­ichtungen, die so zu handeln scheinen wie Unternehme­n, die zu dem Zweck der Gewinnmaxi­mierung und Marktexpan­dierung gegründet wurden.

Die Diskussion zur Wahrung der Würde des Menschen am Thema „Leben oder selbstbest­immt sterben“aufzumache­n, ist bestimmt richtig und eine Entscheidu­ng ist nicht leichtfert­ig zu treffen. Diese Diskussion bringt Aufmerksam­keit in der Öffentlich­keit, weil die Entscheidu­ng in diesem Bereich schwerwieg­end ist. Doch die Diskussion um die Wahrung der Würde des Menschen sollte auch für „kleinere“Probleme aufgemacht werden. Ein Leben in Würde im Alter bevor die Sterbephas­e eintritt, ist dringend geboten. Wir sollten uns mit dem Wegsperren von alten Menschen nicht abfinden, obwohl Gesetze und Verordnung­en genau dies erlauben. Wir sollten uns daran erinnern, dass wir mehrheitli­ch die Vertreter gewählt haben, die Gesetze verabschie­den, die es erlauben, die Würde der alten Menschen in Pflegeinri­chtungen zu verletzen, weil alles andere zu teuer wäre. Die Lobby der Pflegekonz­erne scheint einen guten Draht zu der Mehrheit unserer gewählten Vertreter zu haben.

Ingeborg Marschang,

Friedrichs­hafen

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