Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Gefährdete Tierwelt im Fallenbrunnen
Rehe laufen gegen Bauzäune, geschützte Arten sind in ihrem Lebensraum bedroht
FRIEDRICHSHAFEN - Die Bebauung des Fallenbrunnens wird für die Tierwelt zum Problem. Und das umso mehr, als das Gelände der ehemaligen Flakkaserne über lange Jahre in einer Art Dornröschenschlaf lag. Denn während dieser Frist wurde es für die Natur zum Rückzugsraum. „Im Fallenbrunnen leben mehrere streng geschützte Vogelarten, aber auch ein Dutzend Fledermausarten, weil es dort im Waldbereich bisher ruhig war und sie vor den vielen Rodungen und Eingriffen in der Umgebung hierher geflohen sind“, sagt Brigitte Wallkam vom BUND. Konkret geht es um 13 Vogelarten, die in Baden-Württemberg auf der Roten Liste stehen: Feldsperling, Girlitz, Goldammer, Grauschnäpper, Haussperling, Star, Sumpfrohrsänger, Wacholderdrossel, Pirol, Kleinspecht, Trauerschnäpper, Turmfalke und Kuckuck.
Nach dem Abzug des französischen Militärs 1992 kehrte im Fallenbrunnen Beschaulichkeit ein. Zuerst belebten nur das heutige Kulturhaus Caserne und einige Handwerksbetriebe das Gelände. Inzwischen gibt es dort aber reiche Nachbarschaft: Die Swiss International School, die Zeppelin-Universität, die Duale Hochschule und Studentenwohnheime sind dort entstanden. Derzeit wird am Regionalen Technologieund Innovationszentrum (Ritz) sowie an einem Hotel gebaut. Außerdem lässt die SWG dringend benötigten Wohnraum entstehen.
Brigitte Wallkam zweifelt insbesondere nicht am Sinn des Wohnraums. Und sie erkennt an, dass der entstehende Bebauungsplan für den nordöstlichen Fallenbrunnen auf die Natur Rücksicht zu nehmen versucht. Sie fürchtet aber auch, „dass das nicht gut funktionieren wird“und dass die zunehmende Nutzung des Fallenbrunnens die Tiere mittelfristig vertreibt. Ursache dafür ist nicht nur dezimierter Lebensraum in der Folge der Bebauung, sondern die Dauerpräsenz vieler Menschen, die sich durch das Gebiet bewegen und die Tierwelt verscheuchen.
Wie sich die Anwesenheit des Menschen, seiner Verkehrswege, Autos und der sonstigen Infrastruktur auswirken, hat SZ-Leser Julian Pawlowski beobachtet. Er erlebte ein panisch flüchtendes junges Reh. „Aufgeschreckt durch ein Auto, rannte es in vollem Lauf gegen einen selbst bei Tag kaum erkennbaren Bauzaun vor der ehemaligen Bootswerft Kollmar.“Benommen sei das Reh kurz liegen geblieben. Dann habe es aber zu weiteren Anläufen gegen den Zaun ausgeholt und sei erneut zurückgeprallt. Schließlich sei es davongetaumelt. Auch andere Passanten hätten derartiges im Fallenbrunnen schon erlebt, sagt Julian Pawlowski.
Das verwundert nicht, denn Bauzäune sind im Fallenbrunnen reichlich aufgestellt – nicht nur an Baustellen, sondern auch an stillgelegten Gebäuden. „Den wilden Tieren im Fallenbrunnen wird mit diesen großzügig aufgebauten Bauzäunen nicht nur wichtiger Lebensraum genommen. Sie sind auch eine massive Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Tiere“, fürchtet Julian Pawlowski. Damit die Tiere die Barrieren wenigstens erkennen können, schlägt er vor, an den Zäunen Stoffe oder undurchsichtige Planen anzubringen. Der Stadtverwaltung Friedrichshafen ist das Problem bekannt. Ideen, wie es gelöst werden könne, seien aber noch in der Diskussion und in Abstimmung, teilt eine Sprecherin der Stadt mit.
Solche Wildunfälle möglichst zu vermeiden, bedeutetet aber noch nicht, Lebensraum zu retten. Brigitte Wallkam vom BUND sieht das Problem in größeren Zusammenhängen. „Verkehrswege, und seien es nur Radwege, durch den Wald – wie etwa im Fallenbrunnen – haben zu wollen, ist mit der Verkehrssicherungspflicht dieser Wege verbunden“, sagt sie. Zum Schutz der Menschen müssten in einer Breite von 30 Metern rechts und links eines Verkehrswegs alle kranken Bäume so gesichert werden, dass sie keine Gefahr darstellen. „Also alles Totholz und jeder angemorschte Baum muss da weg“, macht Brigitte Wallkam die Konsequenzen plastisch.
Auf diese Weise droht Wald und damit tierischer Nist- und Lebensraum zu verschwinden. Besonders auf einer so kleinen Waldfläche wie im Fallenbrunnen kann die Verkehrssicherungspflicht auf 30 Meter breiten Streifen fatale Folgen haben. Weil vom Wald dann nicht mehr viel übrig bliebe.