Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Darum will die Stadt Weingarten ihre Klinik zurück
Oberbürgermeister Markus Ewald nennt Gründe und äußert sich zu möglichen weiteren Schritten
WEINGARTEN - Nachdem die Stadt Weingarten in der vergangenen Woche verkündet hat, dass sie das ehemalige Krankenhaus 14 Nothelfer zurückkaufen möchte, erläutert Oberbürgermeister Markus Ewald nun die Gründe. So geht es der Verwaltung vor allem darum, das 2,5 Hektar große Areal an der Ravensburger Straße vor profitgierigen Investoren zu schützen. Außerdem will die Stadtspitze schnell einen passenden Investor finden und dann „maßgeblich Einfluss auf die Entwicklung des Areals“nehmen, sagt Ewald auf SZAnfrage. „Dafür ist es von Vorteil, wenn wir als Stadt, neben der Planungshoheit, auch schnell die Stellung als Eigentümerin inne haben“, so das Stadtoberhaupt, das auch zu Fragen der Finanzierung und möglichen Gewinnen Antworten gibt.
Wie hoch das Angebot ist, welches die Stadt Weingarten bei Christian Köhler-Ma, dem Sanierungsgeschäftsführer der 14 Nothelfer GmbH, hinterlegt hat, möchte Ewald zwar nicht verraten: „Die Rückerwerbskonditionen sind nicht öffentlich, nicht zuletzt, weil es sich auch noch um einen laufenden Vorgang handelt.“Allerdings dürfte es sich um einen eher niedrigen einstelligen Millionenbetrag handeln. Abgeleitet von den Erwartungen von KöhlerMa, der davon ausgeht, dass durch den Verkauf des Areals und die Versteigerung von medizinischen Geräten rund 3,2 Millionen Euro zustande kommen, könnte es sich um 2,3 Millionen Euro handeln. Denn er rechnet mit rund 900 000 Euro als Erlös für die medizinischen Geräte.
Der Blick in den Weingartener Haushaltsplan 2021 und die darin geplanten Investitionen gibt weitere Anhaltspunkte. So sind für die Jahre 2021 bis 2024 insgesamt knapp 5,1 Millionen Euro für den Erwerb von Grundstücken und Gebäuden angesetzt. Davon fallen knapp 3,3 Millionen Euro auf das Jahr 2021. Allerdings geht aus der Vorlage nicht hervor, für welche Projekte das Geld vorgesehen ist. Da die Stadt Weingarten aufgrund der klammen Kasse wohl aber kaum im größeren Stil Grundstücke kaufen wird – was sie in der Vergangenheit auch kaum gemacht hat –, dürfte ein Großteil des Geldes als finanzieller Spielraum für das 14 Nothelfer eingeplant worden sein.
Die Stadt könne den Erwerb über den Haushalt „solide“finanzieren, sagt Ewald. „Wir wollen das Grundstück samt Immobilie auch nicht dauerhaft behalten und selbst entwickeln. Im Rahmen des bereits genannten Konzept- und Bieterwettbewerbs soll vielmehr ein geeigneter Investor bestimmt werden, der die eigentliche finanzielle Investitionslast tragen wird“, so der Oberbürgermeister. „Klar ist aber, dass wir dabei unter dem Strich als Stadt auch keinen Verlust machen sollten.“
Zudem sei das Regierungspräsidium Tübingen (RP), welches die Entwicklungen in Weingarten in den vergangenen Jahren aufgrund der zeitweise prekären finanziellen Lage intensiv verfolgt und begleitet hat, informiert. Ohne der zuständigen Kommunalaufsicht vorgreifen zu wollen, gehe man davon aus, dass es aus Tübingen keine Einwände geben wird, glaubt Ewald. Schließlich habe man alles sehr sorgsam vorbereitet und sich auch durch externe Experten abgesichert.
Dass Weingarten durch den Erwerb des Krankenhauses und den Weiterverkauf für andere Nutzungszwecke einen ordentlichen Gewinn erwirtschaften könnte, spielt für das Stadtoberhaupt keine Rolle. „Uns geht es nicht darum, mit der Liegenschaft 14 Nothelfer Profit zu machen. Die richtige Nutzung und Entwicklung stehen im Vordergrund“, sagt er. Ewald räumt aber ein, dass ein „Kostenund Risikoabschlag“einkalkuliert wurde, der den Erhalt des Areals bis zum Weiterverkauf abdecke.
Dabei dürfte bei den Kalkulationen im Rathaus auch das sogenannte „Heimfallrecht“eine Rolle gespielt haben, durch welche die Stadt quasi ein Vorkaufsrecht auf das Grundstück hätte, falls das eigentliche Angebot abgelehnt und ein anderer Käufer – den es aktuell nicht gibt – den Zuschlag erhalten würde. In diesem Fall müsste die Stadt einen von einem Gutachter festgelegten Betrag bezahlen, der aber wohl höher wäre als das jetzige Angebot. Da dies eine juristische Auseinandersetzung bedeuten könnte, wären wohl alle Parteien an einer andere Lösung interessiert. Dennoch hatte die Verwaltung den Gemeinderat bereits darüber abstimmen lassen, ob das – im
Falle der Ablehnung des städtischen Angebotes – eine Option sei.
„Der Gemeinderat hat am Montag nicht beschlossen, das Heimfallrecht auszuüben, sondern bislang nur entschieden, die Ausübung des Heimfallrechts vorzubehalten. Dies ist ein Unterschied“, stellt Ewald klar. „Wir würden natürlich eine einvernehmliche Einigung mit der Insolvenzverwaltung bevorzugen und sind vorsichtig optimistisch, dass dies auch gelingt.“
Sollte es so weit kommen, gäbe es auch schon viele interessante Ideen für eine künftige Nutzung, so der OB. Doch wolle man vonseiten der Verwaltung und auch des Gemeinderates dem aktuell nicht vorgreifen und beim angestrebten Konzept- und Bieterwettbewerb keine Denk- und Ideenverbote vorgeben. Erst danach soll das Thema im Gemeinderat debattiert, konkretisiert und für eine zweite Wettbewerbsphase eingegrenzt werden. Dabei verhehlt Ewald nicht, dass es aufgrund der Verbundenheit zum Areal eine gewisse Tendenz geben könnte.
„Es ist klar, dass alle Weingartener Bürgerinnen und Bürger auf diesem Areal am Liebsten die Wiederaufnahme ihres Krankenhaus 14 Nothelfer sehen würden. Das geht sicher auch vielen Mitgliedern des Gemeinderats so. Das ist jedoch nach Einschätzung aller Experten leider bei den aktuellen Rahmenbedingungen keine realistische Möglichkeit“, sagt der OB. „Aber eine Nutzung, die dem ehemaligen karitativen Charakter dieses Ortes gerecht wird und auch dem echten Bedarf Rechnung trägt, wäre natürlich wünschenswert.“