Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bodenseekreis wirbt für Erweiterungsbau
Preisträger-Entwürfe im Gemeinderat vorgestellt – Raumbedarf nach Corona ist Thema
FRIEDRICHSHAFEN - Wie viel Bürofläche braucht die Kreisverwaltung künftig noch? Die Pläne des Bodenseekreises zum großangelegten, vierstufigen Ausbau des Verwaltungsstandortes haben am Montag im Häfler Gemeinderat für viele Fragen gesorgt. Vor allem Grüne und Netzwerk wollten wissen, wie sich das Thema Homeoffice auf den Bedarf an Gebäuden künftig auswirkt.
Nach dem vierstufigen Ausbaukonzept sollen im ersten Bauabschnitt zunächst auf einem bislang unbebauten Grundstück nördlich der Glärnischstraße eine Tiefgarage mit 250 Stellplätzen, eine Kita, eine neue Leitstelle sowie bis zu 15 Wohnungen entstehen. Anschließend soll auf der bislang als Parkplatz genutzten Fläche zwischen Glärnisch-, Zeppelin- und Albrechtstraße ein neues Verwaltungsgebäude gebaut werden (2. Bauabschnitt). Nach dem Zeitplan könnten die Bauarbeiten 2022 beginnen und in drei bis vier Jahren abgeschlossen sein. Das alte Landratsamtsgebäude Glärnischstraße 1-3 soll dann abgerissen werden. In den Bauabschnitten 3 und 4 sollen zwei weitere Verwaltungsgebäude entstehen. Für alle vier Bauabschnitte hat die Kreisverwaltung einen Architekten-Wettbewerb ausgelobt.
„Wir sind hier, um zu werben für den Sieger. Wir brauchen Baurecht“, sagte Wolfgang Riehle. Der ehemalige Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg stellte die vier Siegerentwürfe im Rat noch einmal vor. Riehle gehörte als Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der Stadt Friedrichshafen dem Preisgericht an. Im Rennen um den Zuschlag für das Projekt sind mittlerweile nur noch drei Entwürfe, das Büro Feuerstein, Hammer, Pfeifer aus Lindau, das den vierten Preis erreicht hatte, hat zurückgezogen.
Platz drei ging an den Entwurf von „Arge Harris und Kurrle Architekten und Glück Landschaftsarchitektur Stuttgart“, das für den zweiten Bauabschnitt als einzig verbliebenes Büro ein hohes Gebäude mit zehn Geschossen und einer Höhe von über 35 Metern plante. Es wäre gleich hoch wie das bestehende Gebäude. „Ein bisschen zu heftig“, meinte Riehle. Der Entwurf dieses Büros erhielt aber für den ersten Bauabschnitt den ersten Preis.
Der zweite Preisträger (Auer, Weber, Assoziierte, München, mit Landschaftsarchitekten Grabner Huber Lipp, Freising) plante im zweiten Bauabschnitt einen fünfgeschossigen Baukörper aus einer Holzhybridkonstruktion mit großem Innenhof. Den ersten Preis für Bauabschnitt zwei hat die Jury an das Stuttgarter Büro Wulf Architekten mit den Landschaftsarchitekten Jetter, ebenfalls Stuttgart, vergeben. Die Planer setzen hier auf eine reine Holzkonstruktion
mit einzelnen, unterschiedlich hohen Baukörpern. Das bestehende Hochhaus verkörpere die Stadt und die neuen Module den Landkreis, erklärte Riehle den Entwurf. Insgesamt werde hier eine sehr angenehme Atmosphäre geschaffen im Gegensatz zum klassischen GlasBeton-Verwaltungsbau.
„Braucht es noch solche Verwaltungsgebäude?“Diese Frage stellte Riehle und beantwortete sie auch gleich: „Der Bedarf wird nach Corona wieder kommen.“Viele Dienstleistungen in der Verwaltung verlangten eine „Face-to-Face“-Beratung. Er plädiere dafür, dass sich Menschen wieder im Büro treffen können. „Wir gehen von einer Rate von 20 Prozent aus“, sagt Riehle zum Thema Homeoffice. Christine Heimpel (Grüne) hakte an diesem Punkt nach und fragte, wie Riehle auf die 20 Prozent komme und ob es wirklich zukunftsweisend sei, dass jeder Mitarbeiter einen festen Arbeitsplatz habe. Riehle musste zugeben, dass es sich um keine wissenschaftliche Erklärung, sondern mehr um eine „gefühlte Zahl“handle. Er argumentierte aber, dass es auch künftig wichtig sei, im Team zusammenzuarbeiten. Landrat Lothar Wölfle verwies darauf, dass man sich aufgrund des stufenweisen Ausbaus vor jedem Bauabschnitt fragen werde, ob er auch nötig sei.
Er hätte sich viele Lösungen vorstellen können, sagte Heinz Tautkus (SPD) zum ersten Preisträger, „nur diese nicht“. Man habe jetzt ein Spiel mit Bauklötzchen. Letztlich sei man aber in der Fraktion zum Schluss gekommen, dass das „keine moderne Burg für den Landrat, sondern ein Haus für Bürger“werde. Lob für den ersten Preisträger kam auch von Dagmar Hoehne (FW), die sich begeistert vom niederschwelligen Zugang zeigte und die Interpretation des Entwurfes lobte, dass man keinen Klotz, sondern ein Dorf bekomme.
Ulrich Heliosch (Grüne) bemängelte, dass der Sieger gerade der sei, der mit 76 Prozent die größte Flächenversiegelung nach sich ziehe. Ähnlich wie Daniel Oberschelp (CDU) sah auch Heliosch die Grünflächen um das Gebäude und damit die Aufenthaltsqualität zu wenig berücksichtigt. Wölfle entgegnete, dass es vor allem darum gehe, dass sich die Mitarbeiter der Verwaltung während der Arbeit wohlfühlen und nicht in den Pausen.
Kritik kam vom Netzwerk für Friedrichshafen, weil es bei den Erweiterungsplänen keine Option gab, das Bestandsgebäude Glärnischstraße 1 - 3 zu erhalten. Riehle und Wölfle verwiesen erneut auf ein Gutachten aus dem Jahr 2013, das einen Neubau im Vergleich zur Sanierung vor allem aus ökologischer Sicht als bessere Variante aufgezeigt habe. „Eine Sanierung wäre machbar und günstiger“, sagte dagegen Philipp Fuhrmann (Netzwerk). Das Gutachten war bis Ende 2019 im Kreistag nur nichtöffentlich diskutiert worden. Dann wurde es auf Druck der „Schwäbischen Zeitung“öffentlich vorgestellt.
Fuhrmann machte den Vorschlag, neben der Sanierung des alten Gebäudes zwei Holzmodule auf dem Parkplatz zu bauen. Er verwies außerdem darauf, dass man den Bau der Tiefgarage aus Stahlbeton in die Energiebilanz des Projektes miteinbeziehen müsse. Riehle gab ihm in diesem Punkt Recht, unterirdisch könne man eben nur massiv bauen.
Der Kreistag soll noch vor der Sommerpause entscheiden, welcher Entwurf umgesetzt werden soll. „Die Reihenfolge kann sich noch ändern“, sagte Riehle. Ein wichtiges Argument dürften dann auch die Kosten sein. Ein unabhängiges Büro soll eine Kostenberechnung für die Entwürfe erstellen. Anschließend ist wieder der Häfler Gemeinderat am Zug, wenn es darum geht Baurecht zu schaffen.