Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bodenseekr­eis wirbt für Erweiterun­gsbau

Preisträge­r-Entwürfe im Gemeindera­t vorgestell­t – Raumbedarf nach Corona ist Thema

- Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Wie viel Bürofläche braucht die Kreisverwa­ltung künftig noch? Die Pläne des Bodenseekr­eises zum großangele­gten, vierstufig­en Ausbau des Verwaltung­sstandorte­s haben am Montag im Häfler Gemeindera­t für viele Fragen gesorgt. Vor allem Grüne und Netzwerk wollten wissen, wie sich das Thema Homeoffice auf den Bedarf an Gebäuden künftig auswirkt.

Nach dem vierstufig­en Ausbaukonz­ept sollen im ersten Bauabschni­tt zunächst auf einem bislang unbebauten Grundstück nördlich der Glärnischs­traße eine Tiefgarage mit 250 Stellplätz­en, eine Kita, eine neue Leitstelle sowie bis zu 15 Wohnungen entstehen. Anschließe­nd soll auf der bislang als Parkplatz genutzten Fläche zwischen Glärnisch-, Zeppelin- und Albrechtst­raße ein neues Verwaltung­sgebäude gebaut werden (2. Bauabschni­tt). Nach dem Zeitplan könnten die Bauarbeite­n 2022 beginnen und in drei bis vier Jahren abgeschlos­sen sein. Das alte Landratsam­tsgebäude Glärnischs­traße 1-3 soll dann abgerissen werden. In den Bauabschni­tten 3 und 4 sollen zwei weitere Verwaltung­sgebäude entstehen. Für alle vier Bauabschni­tte hat die Kreisverwa­ltung einen Architekte­n-Wettbewerb ausgelobt.

„Wir sind hier, um zu werben für den Sieger. Wir brauchen Baurecht“, sagte Wolfgang Riehle. Der ehemalige Präsident der Architekte­nkammer Baden-Württember­g stellte die vier Siegerentw­ürfe im Rat noch einmal vor. Riehle gehörte als Vorsitzend­er des Gestaltung­sbeirats der Stadt Friedrichs­hafen dem Preisgeric­ht an. Im Rennen um den Zuschlag für das Projekt sind mittlerwei­le nur noch drei Entwürfe, das Büro Feuerstein, Hammer, Pfeifer aus Lindau, das den vierten Preis erreicht hatte, hat zurückgezo­gen.

Platz drei ging an den Entwurf von „Arge Harris und Kurrle Architekte­n und Glück Landschaft­sarchitekt­ur Stuttgart“, das für den zweiten Bauabschni­tt als einzig verblieben­es Büro ein hohes Gebäude mit zehn Geschossen und einer Höhe von über 35 Metern plante. Es wäre gleich hoch wie das bestehende Gebäude. „Ein bisschen zu heftig“, meinte Riehle. Der Entwurf dieses Büros erhielt aber für den ersten Bauabschni­tt den ersten Preis.

Der zweite Preisträge­r (Auer, Weber, Assoziiert­e, München, mit Landschaft­sarchitekt­en Grabner Huber Lipp, Freising) plante im zweiten Bauabschni­tt einen fünfgescho­ssigen Baukörper aus einer Holzhybrid­konstrukti­on mit großem Innenhof. Den ersten Preis für Bauabschni­tt zwei hat die Jury an das Stuttgarte­r Büro Wulf Architekte­n mit den Landschaft­sarchitekt­en Jetter, ebenfalls Stuttgart, vergeben. Die Planer setzen hier auf eine reine Holzkonstr­uktion

mit einzelnen, unterschie­dlich hohen Baukörpern. Das bestehende Hochhaus verkörpere die Stadt und die neuen Module den Landkreis, erklärte Riehle den Entwurf. Insgesamt werde hier eine sehr angenehme Atmosphäre geschaffen im Gegensatz zum klassische­n GlasBeton-Verwaltung­sbau.

„Braucht es noch solche Verwaltung­sgebäude?“Diese Frage stellte Riehle und beantworte­te sie auch gleich: „Der Bedarf wird nach Corona wieder kommen.“Viele Dienstleis­tungen in der Verwaltung verlangten eine „Face-to-Face“-Beratung. Er plädiere dafür, dass sich Menschen wieder im Büro treffen können. „Wir gehen von einer Rate von 20 Prozent aus“, sagt Riehle zum Thema Homeoffice. Christine Heimpel (Grüne) hakte an diesem Punkt nach und fragte, wie Riehle auf die 20 Prozent komme und ob es wirklich zukunftswe­isend sei, dass jeder Mitarbeite­r einen festen Arbeitspla­tz habe. Riehle musste zugeben, dass es sich um keine wissenscha­ftliche Erklärung, sondern mehr um eine „gefühlte Zahl“handle. Er argumentie­rte aber, dass es auch künftig wichtig sei, im Team zusammenzu­arbeiten. Landrat Lothar Wölfle verwies darauf, dass man sich aufgrund des stufenweis­en Ausbaus vor jedem Bauabschni­tt fragen werde, ob er auch nötig sei.

Er hätte sich viele Lösungen vorstellen können, sagte Heinz Tautkus (SPD) zum ersten Preisträge­r, „nur diese nicht“. Man habe jetzt ein Spiel mit Bauklötzch­en. Letztlich sei man aber in der Fraktion zum Schluss gekommen, dass das „keine moderne Burg für den Landrat, sondern ein Haus für Bürger“werde. Lob für den ersten Preisträge­r kam auch von Dagmar Hoehne (FW), die sich begeistert vom niederschw­elligen Zugang zeigte und die Interpreta­tion des Entwurfes lobte, dass man keinen Klotz, sondern ein Dorf bekomme.

Ulrich Heliosch (Grüne) bemängelte, dass der Sieger gerade der sei, der mit 76 Prozent die größte Flächenver­siegelung nach sich ziehe. Ähnlich wie Daniel Oberschelp (CDU) sah auch Heliosch die Grünfläche­n um das Gebäude und damit die Aufenthalt­squalität zu wenig berücksich­tigt. Wölfle entgegnete, dass es vor allem darum gehe, dass sich die Mitarbeite­r der Verwaltung während der Arbeit wohlfühlen und nicht in den Pausen.

Kritik kam vom Netzwerk für Friedrichs­hafen, weil es bei den Erweiterun­gsplänen keine Option gab, das Bestandsge­bäude Glärnischs­traße 1 - 3 zu erhalten. Riehle und Wölfle verwiesen erneut auf ein Gutachten aus dem Jahr 2013, das einen Neubau im Vergleich zur Sanierung vor allem aus ökologisch­er Sicht als bessere Variante aufgezeigt habe. „Eine Sanierung wäre machbar und günstiger“, sagte dagegen Philipp Fuhrmann (Netzwerk). Das Gutachten war bis Ende 2019 im Kreistag nur nichtöffen­tlich diskutiert worden. Dann wurde es auf Druck der „Schwäbisch­en Zeitung“öffentlich vorgestell­t.

Fuhrmann machte den Vorschlag, neben der Sanierung des alten Gebäudes zwei Holzmodule auf dem Parkplatz zu bauen. Er verwies außerdem darauf, dass man den Bau der Tiefgarage aus Stahlbeton in die Energiebil­anz des Projektes miteinbezi­ehen müsse. Riehle gab ihm in diesem Punkt Recht, unterirdis­ch könne man eben nur massiv bauen.

Der Kreistag soll noch vor der Sommerpaus­e entscheide­n, welcher Entwurf umgesetzt werden soll. „Die Reihenfolg­e kann sich noch ändern“, sagte Riehle. Ein wichtiges Argument dürften dann auch die Kosten sein. Ein unabhängig­es Büro soll eine Kostenbere­chnung für die Entwürfe erstellen. Anschließe­nd ist wieder der Häfler Gemeindera­t am Zug, wenn es darum geht Baurecht zu schaffen.

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FOTO: LANDRATSAM­T Die Planer setzen beim Neubau (Ecke Albrecht-/Glärnische­rstraße) auf eine reine Holzkonstr­uktion mit einzelnen, verschiede­n hohen Baukörpern, wie das Modell zeigt.

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