Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Freundeskreis Polozk: „Stehen in den Startlöchern“
Reisen in die belarussische Partnerstadt könnten bald wieder möglich sein
FRIEDRICHSHAFEN (big) - In vielen Vereinen gibt Corona derzeit die Richtung vor – auch im Freundeskreis Polozk. Nichts wurde es im vergangenen Jahr mit einer Feier zum 25-jährigen Vereinsjubiläum, auch das 30-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft kann in diesem Jahr nicht gebührend gefeiert werden – von fehlenden deutsch-belarussischen menschlichen Begegnungen oder Bürgerreisen nach und aus Polozk ganz zu schweigen. Der Vorstand tagt nur noch online. Andere liebgewonnene Traditionen wie der regelmäßige Vereinsstammtisch fallen derzeit ganz aus. „Ja, wir sind schon traurig, dass wir nicht wie gewohnt aktiv sein können. Das tut uns sehr weh“, sagen die Vorsitzenden Elvira Müller und Hubert Weiß.
Auch im Freundeskreis Polozk muss derzeit vieles in den digitalen Raum verlagert werden. So war man dankbar, dass man bei einer Veranstaltung zum Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe am 26. April eine Grußbotschaft per Video in den Polozker Kulturpalast überbringen konnte. Auch Ende Mai wird’s anlässlich des 1159. Geburtstags der Stadt Polozk nur einen virtuellen Gruß geben, und die im GZH geplante Ausstellung „Polozk in Bildern“gibt es demnächst auf der Homepage des Vereins zu sehen.
Große Sorgen macht sich der Freundeskreis nicht nur über die Corona-Situation, die in Belarus lange Zeit verharmlost wurde, sondern auch über die politische Entwicklung, die sich seit den Präsidentschaftswahlen im vergangenen August
weiter verschärft hat. „Über acht Monate dauern schon die friedlichen Demonstrationen“, schreiben Elvira Müller und Hubert Weiß im jüngsten Brief an die Mitglieder. „Auf Aufrufe, die Gefangenen freizulassen und demokratische Wahlen durchzuführen, geht die Regierung nicht ein. Im Gegenteil, sie verschärft die Kontrollen. Wir unterstützen unsere Freunde nach wie vor und wünschen ihnen eine friedliche Zukunft.“
Wenn es darum ging, eigene Initiativen ins Leben zu rufen, dann hat sich der Freundeskreis stets von seiner ausgesprochen kreativen Seite gezeigt. Man denke nur an das Pektinprojekt zur Unterstützung strahlengeschädigter Kinder und Jugendlicher,
die hilfreichen Patenschaften oder an die Aktion „Hör mal“, mit der vielen hörgeschädigten Polozker Kindern und Jugendlichen geholfen werden konnte. Vorbildlicher Partner war der Freundeskreis bei einem Journalismusprojekt, bei dem Germanistikstudenten aus Polozk Häfler Zeitungslesern ihre Sorgen und Nöte, aber auch ihre Hoffnungen und Sehnsüchte mit ihren abwechslungsreichen Wettbewerbsbeiträgen näherbrachten. Telefonisch, schriftlich oder digital werden während der Pandemie viele nachhaltige Freundschaften gepflegt, gerade auch mit Blick auf die guten Beziehungen zum Polozker Frauenrat, der Selbsthilfegruppe für Familien mit behinderten Kindern oder dem TschernobylEcho.
Dass auch der Freundeskreis Polozk mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hat, daraus macht der Vereinsvorstand keinen Hehl. „Mit interessanten Reisevariationen auch jüngere Mitglieder begeistern“, so ein Ansatzpunkt von Hubert Weiß, der etwa daran denkt, künftige Reisen nach Polozk mit optionalen reizvollen Alternativen wie etwa einem mehrtägigen Angeltrip oder einer Tour durch die belarussischen Wälder zu verlängern und damit noch attraktiver zu machen.
Doch dafür muss zunächst einmal die Pandemie besiegt werden. „Sobald man wieder reisen kann, stehen wir in den Startlöchern“, sagt Elvira Müller hoffnungsfroh.