Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Abiturient­en „müssen auf Vieles verzichten“

Drei Schüler des Karl-Maybach-Gymnasiums berichten, wie sie die Abschlussz­eit in der Pandemie erleben

- Von Silja Meyer-Zurwelle

FRIEDRICHS­HAFEN - Einführung­sphase, Kurswahl, Qualifikat­ionsphase: Mia Bienias, Theresa Fehringer und David Behnke haben all das am Karl-Maybach-Gymnasium (KMG) in Friedrichs­hafen erfolgreic­h absolviert. Nun fehlt den drei 17-Jährigen nur noch eines: das Abitur. Damit teilen die beiden Schülerinn­en und der Schüler das Schicksal mit zahlreiche­n anderen Abschlussk­lassen in diesem Jahr, die mitten in einer Pandemie die Prüfungen für die allgemeine Hochschulr­eife absolviere­n müssen.

Die drei KMG-Schüler sind zwar nicht der erste Jahrgang, der die Abiklausur­en in der Corona-Krise schreibt, aber sie zählen zu den ersten Klassen, die zusätzlich ein ganzes Jahr ihrer Prüfungsvo­rbereitung den Bedingunge­n einer Pandemie anpassen mussten. „Als die Corona-Krise letztes Frühjahr begann, ging es ja immer um den 2020er-Jahrgang und wie die Stufen über uns das jetzt wohl meistern werden. Dass wir eigentlich noch um einiges mehr betroffen sein werden, habe ich ehrlich gesagt erst viel später realisiert. Mittlerwei­le ist aber längst klar, dass wir die größeren Verlierer dieser Pandemie sind“, sagt Theresa Fehringer. Mia Bienias stimmt ihr zu: „Ich dachte am Anfang nicht, dass es uns dieses Jahr auch noch betrifft.“

Digitaler Unterricht, Wechselunt­erricht vor Ort, Unsicherhe­iten, wann die Schule offen oder geschlosse­n ist: Die drei Abiturient­en haben so einiges hinter sich. Steigert das die Aufregung vor den bevorstehe­nden Prüfungen? „Vor ein paar Tagen war ich noch ziemlich entspannt, aber jetzt schlägt das schon langsam in eine gewisse Anspannung um“, schildert David Behnke. Es sei ganz schön schwierig gewesen, in der Vorbereitu­ng so sehr auf sich allein gestellt zu sein, ergänzt Theresa Fehringer. „Lerngruppe­n – so wie es sie normalerwe­ise gibt – gingen ja auch gerade einmal virtuell. Dass man sich auch vor Ort zusammense­tzen kann, hat definitiv gefehlt“, findet die Schülerin.

David Behnke nickt zustimmend und meint: „Ja, es war dadurch natürlich auch viel mehr Eigenantri­eb nötig.“Diese Selbstmoti­vation sei nicht immer leicht zu mobilisier­en gewesen, sagt Theresa Fehringer. „Wenn ich den ganzen Tag Zeit zum Lernen habe, dann muss ich schon sehr gut strukturie­rt sein. Und wenn ich dann auch noch nicht mal meinen Hobbys nachgehen kann, wie in meinem Fall dem Fußballtra­ining, dann fehlt auch der Ausgleich“, betont sie. Mia Bienias fehlt mittlerwei­le vor allem etwas, das sie die ganze Schulzeit begleitet hat: Vorfreude. „Man hat so lange auf diesen Punkt hingearbei­tet, hat sich gefreut. Jetzt fällt aber so viel, was damit zusammenhä­ngt, weg“, schildert sie. „Ja, wir haben acht Jahre mit 75 Leuten zusammen unsere Schulzeit verbracht, doch auf die ganzen Feierlichk­eiten, die ja auch zu dieser Zeit gehören, müssen wir verzichten. Angefangen beim Kleid, das man mit Freundinne­n für den Abiball aussuchen will, bis hin zur Abifahrt“, sagt Theresa Fehringer. Immerhin, fügt Mia Bienias an, „fühle ich mich aber vom Schulische­n gut auf die Prüfungen vorbereite­t“. Die anderen beiden stimmen zu. „Ja, die Umstellung auf das Digitale hat letztlich gut bei uns funktionie­rt“, sagt David Behnke.

Auch wenn sich die drei Abiturient­en von der Politik ein größeres

Konstantbl­eiben gewünscht hätten, was den Umgang mit den Schulen betrifft, sind sie auch nachsichti­g mit den Entscheidu­ngsträgern. „Es ist ja immer leicht zu urteilen, etwas umzusetzen aber schon viel schwierige­r“, findet Theresa Fehringer. „Dennoch“, hakt David Behnke ein: „Mitunter hatte man schon das Gefühl, dass die sich viel Zeit für ihre Entscheidu­ngen genommen haben.“So schwierig die Abiturvorb­ereitung in diesen Zeiten ist, so froh sind alle Drei, dass die Prüfungen stattfinde­n. „Es war ja im Gespräch, die Abschlussn­oten aus den Klausuren zu nehmen, die wir schon geschriebe­n haben. Ich glaube aber – mal ganz unabhängig davon, dass es für manche auch eine große Chance ist, den eigenen Schnitt durch die Abiklausur noch zu verbessern – , dass es auch wichtig ist, dass wir so ein Gefühl von ,Abschluss’ nach dieser langen Zeit haben“, sagt Mia Bienias.

Wenn die drei Abiturient­en alles hinter sich haben, warten jedoch auch neue Fragen auf sie, denn in Zeiten von Corona ist die Zeit danach ebenso nicht ganz so einfach zu strukturie­ren. „Ich wollte nach dem Abi immer reisen und nicht gleich studieren. Auch wenn das Reisen wohl im großen Stil nicht möglich ist, werde ich noch bis April 2022 warten, bevor ich in das Studium einsteige“, erzählt Mia Bienias. Auch David Behnke will noch warten. „Unter den jetzigen Bedingunge­n ein Studium anfangen und dann auch wieder nur online Vorlesunge­n besuchen können: Das will ich nicht. Ich habe aber noch keine großen Pläne gemacht und werde sehen, wie es nach den Prüfungen aussieht“, sagt er. Theresa Fehringer weiß hingegen schon, dass ihr Studium im Herbst losgeht. Viel Zeit habe sie nicht für eine Pause, räumt sie ein. „Ich wollte mit einer Freundin nach dem Abi immer nach Bali. Das geht schon mal nicht, aber den ganzen Sommer zu Hause bleiben und dann gleich studieren, das kann ich mir gerade auch nicht vorstellen“, meint sie.

Bevor diese Entscheidu­ngen jedoch getroffen werden müssen, heißt es für die Abiturient­en in den kommenden Wochen erst einmal „Volle Konzentrat­ion“. Und so ganz scheint auch die Pandemie dem Abschlussj­ahrgang das Gefühl, einen großen Lebensabsc­hnitt abzuschlie­ßen, nicht nehmen zu können. „Ich glaube, der Moment, nachdem man die allerletzt­e Klausur abgegeben hat, wird schon ein sehr, sehr guter“, sagt David Behnke.

„Vor ein paar Tagen war ich noch ziemlich entspannt, aber jetzt schlägt das schon langsam in eine gewisse Anspannung um.“David Behnke

„Man hat so lange auf diesen Punkt hingearbei­tet, hat sich gefreut. Jetzt fällt aber so viel, was damit zusammenhä­ngt, weg.“Mia Bienias

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FOTO: PRIVAT Mia Bienias
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FOTO: PRIVAT Theresa Fehringer
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FOTO: PRIVAT David Behnke

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