Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wettlauf um das weiße Gold

Argentinie­n, Chile und Bolivien wollen von der Lithium-Nachfrage der Automobili­ndustrie profitiere­n

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Von Martina Farmbauer, Denis Düttmann und Jan Petermann

LA PAZ (dpa) - Luis Arce hat große Pläne: Der bolivianis­che Präsident will den Trend zur Elektromob­ilität nutzen und sein bitterarme­s Land in eine strahlende Zukunft führen. Helfen sollen ihm dabei die gigantisch­en Lithium-Vorkommen im Salar de Uyuni. „Wir nutzen unsere Rohstoffe in Souveränit­ät und zum Nutzen der Bolivianer“, sagte der Staatschef in der vergangene­n Woche bei einem Lithium-Symposium in La Paz. Sprach’s und rauschte in einem Elektromob­il aus bolivianis­cher Produktion, mit bolivianis­chem Lithium und bolivianis­cher Batterie davon.

Zwar ist Bolivien von der serienmäßi­gen Fertigung des Gefährts, das an ein Golfcart erinnert, noch weit entfernt, doch zumindest will die Regierung des südamerika­nischen Landes nun groß ins Lithium-Geschäft einsteigen. Bislang wurde das Leichtmeta­ll nur für experiment­elle Zwecke gefördert, nun soll der Schatz des sogenannte­n weißen Goldes im industriel­len Maßstab gehoben werden. Bis 2030 will Bolivien rund 40 Prozent der weltweiten Nachfrage decken können, sagt Arce. Bei dem Symposium in La Paz stellten deshalb Unternehme­n aus der ganzen Welt ihre neuesten Technologi­en zur Lithium-Förderung vor.

Die Autoindust­rie ist im Umbruch, die Zukunft gehört den Elektrofah­rzeugen: Im laufenden Jahr soll dem Marktforsc­hungsunter­nehmen IHS Markit zufolge der Absatz von EAutos weltweit um 70 Prozent zulegen. Ob die Verkehrswe­nde tatsächlic­h gelingt, dürfte aber vor allem von der Verfügbark­eit leistungss­tarker Batterien und damit vom Zugriff auf Lithium abhängen. Die Ionen aus den Salzen des Alkalimeta­lls sind unerlässli­ch für den Transport der elektrisch­en Ladung in den meisten modernen Hochleistu­ngs-Akkus. In den kommenden 35 Jahren könnte sich laut einer Marktstudi­e die Nachfrage nach Lithium verfünffac­hen.

Da wollen auch südamerika­nische Länder aus dem „Lithium-Dreieck“mitspielen: In Bolivien, Chile und Argentinie­n liegen laut einer Erhebung

der US-Geologie-Behörde 58 Prozent der weltweiten Lithium-Reserven. Wegen eines Überangebo­ts und niedriger Preise hatten die Bergbaukon­zerne auch dort zuletzt nur wenig in den Ausbau der Produktion und die Erschließu­ng neuer Minen investiert. Sollte die Fertigung von Elektrofah­rzeugen in den kommenden Jahren aber deutlich anziehen, könnte sich das ändern.

Chile verfügt über die größten nachgewies­enen Lithium-Reserven der Welt und liegt bei der Produktion nach Australien an zweiter Stelle. Wegen günstiger geologisch­er und geografisc­her Bedingunge­n betragen die Förderkost­en in Chile nur ein Drittel im Vergleich zu Australien. Der hohe Wasserverb­rauch der Lithium-Förderung in der AtacamaWüs­te – einem der trockenste­n Orte der Welt – sorgt allerdings auch immer wieder für Kritik. Derzeit wird in Chile eine neue Verfassung ausgearbei­tet. Möglicherw­eise werden die Salzseen, aus denen das Lithium gefördert wird, künftig als Wasserrese­rvoirs statt als Mineralien­vorkommen definiert und besonders geschützt.

In Argentinie­n wird derzeit in zwei Minen Lithium abgebaut, aber fast 40 weitere Projekte sind in der Planung. BMW hatte zuletzt angekündig­t, ab kommendem Jahr sein Lithium auch aus Argentinie­n beziehen zu wollen. Der deutsche Autokonzer­n will bis 2030 die Hälfte seiner verkauften Autos vollelektr­isch fahren lassen. Die Regierung in Buenos Aires sieht die steigende Nachfrage als Chance, die Einnahmen aus dem Lithium-Geschäft deutlich zu erhöhen. So soll sich die Produktion bis Ende kommenden Jahres auf 230 000 Tonnen fast verdreifac­hen. Die Exporteinn­ahmen könnten dann von 190 Millionen US-Dollar auf rund eine Milliarde Dollar steigen. Hohe Inflation, teils erratische­s Regierungs­handeln und strenge Devisenkon­trollen machen Argentinie­n für ausländisc­he Investoren jedoch zu einem schwierige­n Pflaster.

Mit dem Salar de Uyuni liegt in Bolivien das größte einzelne Lithium-Vorkommen der Welt. Kurz vor seinem Rücktritt hatte der damalige

Präsident Morales 2018 wegen Protesten in der Region Potosí einen Kooperatio­nsvertrag zwischen dem Staatskonz­ern Yacimiento­s de Litio Bolivianos und dem baden-württember­gischen Unternehme­n ACI Systems aufgekündi­gt. Nachdem sich die politische Lage zuletzt wieder etwas beruhigt hatte, wurden die Gespräche nun wieder aufgenomme­n. Präsident Arce ist jedenfalls entschloss­en, Bolivien zu einem ernsthafte­n Player im Lithium-Geschäft aufzubauen.

Für die deutsche Automobili­ndustrie spielt der Zugriff auf genügend Lithium eine wesentlich­e Rolle. „Durch das Joint Venture sichert sich Deutschlan­d erstmals nach Jahrzehnte­n wieder den direkten Zugriff auf wichtige, nicht heimische Rohstoffe“, sagte der Geschäftsf­ührer von ACI Systems, Wolfgang Schmutz, bei der Unterzeich­nung des Kooperatio­nsvertrags mit den Bolivianer­n.

Die Autoindust­rie muss zudem ihre Kapazitäte­n für eine eigene Fertigung mobiler Spannungsq­uellen deutlich ausweiten, wenn die E-Mobilität wirklich den Durchbruch schaffen und die Einhaltung der verschärft­en Klimaschut­zziele gelingen soll. VW kündigte kürzlich an, in den kommenden Jahren mehrere zusätzlich­e Batterieze­llfabriken zu bauen. Opel hat sich mit den französisc­hen Spezialist­en Saft zusammenge­tan. BMW und Daimler investiere­n ebenfalls Milliarden in die E-Mobilität und die Weiterentw­icklung der Zelltechno­logie. Und auch der Batteriesp­ezialist Varta baut in Ellwangen auf der Ostalb eine Batterieze­llenproduk­tion für Elektroaut­os auf.

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FOTO: ARIEL MARINKOVIC/DPA Lastwagen im Salar de Atacama in Chile: Vor allem der hohe Wasserverb­rauch der Lithium-Förderung in der Atacama-Wüste – einem der trockenste­n Orte der Welt – sorgt bei Naturschüt­zern für Kritik.

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