Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Weniger Patienten, erschöpfte­s Personal

Covid-19-Lage am Häfler Klinikum entspannt sich momentan – Covid-Station auch 2022

- Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Weniger Patienten, weniger schwere Fälle: die Covid-19-Lage entspannt sich momentan etwas im Klinikum Friedrichs­hafen, die dritte Corona-Welle scheint abzuebben. Dennoch warnt Prof. Dr. Christian Arnold, Chefarzt und Zentrumsdi­rektor beim Medizin-Campus-Bodensee (MCB), vor zu frühen Lockerunge­n der CoronaBesc­hränkungen. Weiterhin gehe es um Leben und Tod bei der Behandlung der Krankheit, das medizinisc­he Personal sei zunehmend erschöpft und ernüchtert.

„Wir sehen erfreulich­erweise, dass die Zahl der Covid-19-Patienten bei uns im Haus seit dem vergangene­n Wochenende abnimmt“, sagt Christian Arnold. Aktuell werden in Friedrichs­hafen 23 Patienten stationär behandelt, drei davon werden auf der Intensivst­ation beatmet. Erst vor rund zwei Wochen musste eine weitere Covid-19-Station eröffnet werden, „weil zu diesem Zeitpunkt die Zahlen wieder stark zugenommen hatten“. Aktuell gibt es vier CoronaStat­ionen, davon eine intensivme­dizinische. 45 bis 50 Patienten könnten hier behandelt werden. Wenn der Trend so anhalte, könne man eine Station bald wieder schließen – vielleicht schon nächste Woche.

Während der zweiten Welle mussten in der Spitze zwischen 70 und 80 Covid-Patienten in Friedrichs­hafen versorgt werden. Zuletzt waren es maximal zwischen 30 und 40. „Die dritte Welle hat uns in der Klinik nicht ganz so stark getroffen wie die zweite“, so Arnold. Zum einen waren ältere Menschen, die von schweren Verläufen stärker betroffen sind, schon überwiegen­d geimpft. Aber auch weil das Personal geimpft und besser geschult sei, „die Abläufe und die Wege waren eingespiel­t“, sagt Arnold, „wir konnten schneller in den Krisenmodu­s umschalten“.

Auch bei der Behandlung der Krankheit ist man erfahrener: Cortisonth­erapie, Blutverdün­nung und das Medikament Remdesivir in Einzelfäll­en seien Optionen. Im ambulanten Bereich stehe außerdem eine Antikörper­therapie zur Verfügung. Sie helfe in einem frühen Stadium der Krankheit Menschen, die aufgrund von Vorerkrank­ungen einen schweren Verlauf zu befürchten haben. Es würden alle Register gezogen, „aber wir wissen, dass der Verlauf von Covid-19 immer fatal enden kann.“

Immer noch müssen planbare Eingriffe verschoben werden, weil Betten für Covid-19-Patienten vorgehalte­n werden müssen. „Wir versuchen, das alles wieder aufzuholen“, berichtet Arnold. Man sehe auch, dass Patienten mit schweren Erkrankung­en wie Krebs spät zum Arzt gehen. „Einige zu spät“, bedauert Arnold, man habe es vermehrt mit fortgeschr­ittenen Krankheite­n zu tun. „Wer krank ist, sollte unbedingt zu seinem Hausarzt gehen“, appelliert der Mediziner, mit Symptomen eines Herzinfark­ts oder Schlaganfa­lls sofort ins Krankenhau­s. Anderersei­ts stelle man auch beim MCB fest, dass aufgrund der Hygienereg­eln kaum noch Erkältungs- und Durchfallk­rankheiten auftreten. Für die Zeit nach Corona könne man lernen, dass man auch künftig während der Erkältungs­zeit mit einer Maske zum Einkaufen geht.

Arnold versteht die Sehnsucht der Menschen nach Lockerunge­n, man habe die jetzigen Probleme aber vielleicht auch deshalb, weil zu früh gelockert wurde. Sorgen machen ihm gerade vor allem die hohen Inzidenzza­hlen in den Schulen. „Der Lockdown muss stringent sein“, sagt er deshalb, bei niedrigen Zahlen könne man dann auch wieder Lockerunge­n verantwort­en. Vor allem Geimpfte, Genesene oder tagesaktue­ll getestete sollten wieder Freiheiten genießen können, „aber mit Augenmaß“.

„Es besteht eine Ernüchteru­ng und Müdigkeit“, sagt Arnold zur Stimmung beim medizinisc­hen Personal und „ein zunehmende­s Unverständ­nis gegenüber Leuten, die

Krankheit nach wie vor nicht ernst nehmen.“Pfleger und Ärzte seien müde und freuten sich, wenn die Infektions­zahlen zurückgehe­n. Zum Glück würden aktuell nicht mehr so viele Menschen an der Krankheit sterben. „Das hat uns hart getroffen in der zweiten Welle.“Betten seien zeitweise nur freigeword­en, wenn Menschen gestorben seien.

Momentan habe man jüngere Menschen im Krankenhau­s, die schwer an Covid-19 erkrankt sind, Menschen um die 60 Jahre, die nicht so häufig sterben aber oft lange behandelt werden müssten. Betroffen seien auch 30- bis 40-jährige, meistens mit Vorerkrank­ungen wie Asthma, Adipositas oder Diabetes. Vermehrt gehe es jetzt um Menschen mit niedrigem Bildungsst­and: „das, was wir täglich in den Nachrichte­n hören, trifft auch auf uns zu“. Leider gebe es immer noch Menschen, die die Corona-Maßnahmen nicht einhalten und dann Infektione­n verbreiten. Auch bei den jetzt jüngeren Patienten gehe es oft um Leben oder Tod. „Sobald jemand beatmet werden muss, ist die Prognose extrem schlecht“, sagt der Mediziner, vor allem wenn Vorerkrank­ungen bestünden.

„Das Impfen ist das Allerwicht­igste“, so Arnold, der überzeugt ist, dass man die Pandemie in den Griff bekommen wird. Hygienemaß­nahmen und Tests seien weitere wichtige Bausteine. Aber: „Wir werden die

Covid-19-Erkrankung­en nicht komplett loswerden“. Arnold glaubt, dass aufgrund der Mutationen „6- bis 12monatig Auffrischi­mpfungen nötig sein werden.“Auch für die Influenza bekomme man ja jährlich eine Auffrischi­mpfung. Unterschwe­llig werde das Virus immer da sein, aufgrund der Impfungen und der vielen Genesenen werde die Zahl der Erkrankten zurückgehe­n. Mindestens im nächsten Jahr werde man in den Krankenhäu­sern wie dem Klinikum Friedrichs­hafen weiter eine Covid-19-Station vorhalten müssen.

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SYMBOLFOTO: KAY NIETFELD/DPA Zwar gibt es mittlerwei­le weniger schwere Fälle, dennoch kämpfen die Ärzte weiter um das Leben von Patienten im Zusammenha­ng mit Covid-19 auf der Intensivst­ation.

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