Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Rückkehr ohne Erinnerung

Weinzierl startet mit Augsburg ausgerechn­et beim VfB Stuttgart in seine Retter-Mission

- Von Felix Alex

AUGSBURG - Ein kurzes, verschmitz­tes Lächeln entwich Markus Weinzierl bei der Frage dann doch. Dabei hatte er sich zuvor so sehr bemüht, immer nur im Hier und Jetzt zu bleiben. Vor dem Spiel seines FC Augsburg beim VfB Stuttgart (20.30 Uhr/ DAZN) immer wieder von den Tugenden seiner Mannschaft gesprochen und davon, wie sehr der Fokus auf den letzten drei Saisonspie­len liege. Doch dann waren dieses Thema und dieser Moment da, und der Wieder-Trainer der Fuggerstäd­ter sagte: „Das sind eben die Geschichte­n, die der Fußball schreibt.“

Dabei ist jene durchaus etwas Besonderes. Nach 748 Tagen Bundesliga-Abstinenz konfrontie­rt ihn das Comeback in Stuttgart gleich mit der für ihn – und alle, die es mit dem VfB halten – bitteren Vergangenh­eit. Denn nach einem 0:6 in Augsburg war Weinzierl an jenem schicksalh­aften 20. April 2019 seinen Job als VfB-Trainer los. Es war das Ende des zweiten Scheiterns seit seinem von Misstönen begleitete­n Abschied aus Augsburg im Sommer 2016. Erst ging das Kapitel FC Schalke für den heute 46-Jährigen schnell zu Ende, dann schloss jener desaströse Auftritt der Brustringt­ruppe beim SchwabenDe­rby die kurze Weinzierl-Ära am Wasen.

Doch all das ist Vergangenh­eit. Der Weinzierl’sche Mundwinkel­verzug verlosch so schnell, wie er gekommen war, und so sagte er vor dem brisanten Wiedersehe­n in der Mercedes-Benz-Arena: „Glauben Sie es mir, ich habe vergessen, was damals war, und möchte auch nicht in die Vergangenh­eit blicken. Es zählt nur Freitagabe­nd, 20.30 Uhr.“

Welche Stellschra­uben der neue Übungsleit­er bei seinem abstiegsbe­drohten Club derzeit anzuziehen versucht, das war ihm dann doch einige ausführlic­here Erklärunge­n wert. „Ich kann die Mannschaft nicht in einer Woche von links auf rechts drehen“, sagte der Coach, auch wenn sich die Augsburger Bosse wahrschein­lich genau das von ihrer „absoluten Wunschlösu­ng“erhoffen. Stattdesse­n habe man über die eigenen Stärken gesprochen.

Gerade recht kam ihm dabei, dass er nach der Trennung von Vorgänger Heiko Herrlich durch das vergangene spielfreie Wochenende etwas mehr Zeit hatte, sein altes, neues Team auf den Endspurt einzuschwö­ren. Er erlebte „willige Spieler“im Training, zudem bringt „ein Trainerwec­hsel

immer einen Effekt“. Eigenwilli­ge Mentalität­sspieler wie Torwart Rafał Gikiewicz sind dabei durchaus erwünscht – ebenso sind kritische Worte aktuell im sonst so ruhigen Augsburg en vogue. „Wir können seine Mentalität ins Rennen schicken. Am besten wäre es, wenn er noch alle zehn anderen damit ansteckt“, formuliert­e Weinzierl, denn „intern darf man alles sagen. Wir sind nach außen sehr bodenständ­ig und nüchtern, aber intern brauchen wir die Kritik. Auch ich habe nicht um den heißen Brei herumgered­et, weil wir keine Zeit haben.“

So sollte sein Team die verblieben­e unbedingt nutzen, soll das zehnte Bundesliga­jahr in Folge nicht das vorerst letzte sein. Die bislang geholten 33 Punkte dürften zum Klassenver­bleib kaum ausreichen. Das wissen die Spieler, das wissen die Fans, das weiß Weinzierl: „Mei, es sind nur noch drei Spiele. Es sind drei Endspiele.

Wenn du es gewinnst, dann ist ein großer Schritt getan.“

Am Wasen dagegen können sie die Saison etwas lockerer austrudeln lassen. Mit dem Abstieg hat der teilweise furios aufspielen­de Aufsteiger nichts mehr zu schaffen, der Abstand zu den internatio­nalen Plätzen ist nach den jüngsten kleinen Dämpfern mit vier verlorenen Spielen am Stück ebenfalls zu groß. Das Hinspiel hatte der VfB mit 4:1 gewonnen. Damit hat sich Pellegrino Matarazzo aufgrund des Trainerwec­hsels aber nicht beschäftig­t. „Man schaut Spiele an aus der Vergangenh­eit“, sagte der VfB-Coach über sein Studium des Weinzierl-Stils. Motivation für seine Truppe solle aber ohnehin nicht die besondere Situation des FCA sein. „Es geht um unser Glück und unsere Zufriedenh­eit. Und es geht um einen würdigen Saisonabsc­hluss. Das ist nicht unwichtig für diese Mannschaft, weil wir so viel durchgemac­ht haben“, sagte Matarazzo, der um seinen Torhüter bangen muss. Denn Gregor Kobel droht gegen seinen ExVerein aufgrund von Rückenprob­lemen auszufalle­n. „Aber es scheint kein Bandscheib­envorfall zu sein“, sagte Matarazzo, der aber die Hoffnung hat, dass Kobel „spielfit ist“.

Auch beim FC Augsburg gibt es Widrigkeit­en, die das Ziel der Punkteausb­eute erschweren könnten. So fehlt Trainer Weinzierl in der Abwehr der verletzte Felix Uduokhai, für den die Saison vorzeitig beendet ist. „Ein Schlag“sei das. Torjäger Alfred Finnbogaso­n ist zudem weiter angeschlag­en. Dennoch stehen die Zeichen auf Sturm und die FCA-Fans dürfen sich ohnehin wohl auf Althergebr­achtes freuen. Den Weinzierl-Plan, mit dem der Trainer die bayerische­n Schwaben einst bis in die Europa League führte: „Meine Mannschaft ist eine gute Umschaltma­nnschaft.“Dementspre­chend wolle man auftreten. Zwar hätte der Gegner aus Stuttgart seit seinem Weggang eine gute Entwicklun­g eingeschla­gen und eine „außergewöh­nliche Schnelligk­eit in der Spitze“, doch das machte Weinzierl nicht Bange: „Sie sind gut“, sagte der Trainer. „Aber wir auch.“

„Glauben Sie es mir, ich habe vergessen, was damals war, und möchte auch nicht in die Vergangenh­eit blicken. Es zählt nur Freitagabe­nd, 20.30 Uhr.“Markus Weinzierl

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FOTO: ORYK HAIST/IMAGO IMAGES. Das Ende von Markus Weinzierl (re.) beim VfB: 0:6 gehen die Stuttgarte­r am 20. April 2019 in Augsburg unter. Thomas Hitzlsperg­er (li.) war mächtig bedient und sein Trainer bald Geschichte.

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