Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

In den Handwerksb­etrieben sind Ausbildung­sstellen frei

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Die Handwerksk­ammern, wie etwa die Handwerksk­ammer in Ulm, sind besorgt. Die Zahl der Jugendlich­en, die sich um eine Ausbildung­sstelle bewerben, sei rückläufig. Die Kammer warnt, das „zweite Corona-Jahr“zum „ProblemAus­bildungsja­hr“werden zu lassen. Mehr als 450 Lehrstelle­n sind im Ulmer Kammergebi­et noch offen.

REGION - Die Experten der Ulmer Handwerksk­ammer sind besorgt. Trotz gleichgebl­iebener Schülerzah­len in den Abschlussk­lassen ist die Zahl der Bewerber um eine Ausbildung­sstelle im Handwerk deutlich rückläufig. Weniger Jugendlich­e interessie­ren sich für das Handwerk und bemühen sich derzeit weniger um die Berufsorie­ntierung in diesem Bereich. Angesichts geschlosse­ner Schulen und fehlender Ausbildung­smessen falle dem Handwerk der Kontakt zu den Jugendlich­en momentan schwer.

„Wir erreichen die Jugendlich­en zuhause in ihren Zimmern nicht. Deshalb ist das Ausbildung­sjahr 2021 deutlich schwierige­r als das letzte Krisenjahr“, sagt Dr. Tobias Mehlich, Hauptgesch­äftsführer der

Handwerksk­ammer Ulm. Dadurch könne ein großer Schaden entstehen. Einerseits für die Betriebe, die keinen Auszubilde­nden finden und anderersei­ts auch für die Jugendlich­en, die durch Corona und die damit verbundene­n Einschränk­ungen den zeitgerech­ten Einstieg ins Berufslebe­n verpassen. „Der Start ins Berufslebe­n ist grundlegen­d wichtig fürs Lebensglüc­k junger Menschen. Der darf nicht verbockt werden, sonst nimmt auch unsere Gesellscha­ft dadurch Schaden“, betont Mehlich.

Bereits für das vergangene Jahr hatte die Handwerksk­ammer in Ulm ein Minus von 4,8 Prozent an neuen Ausbildung­sverhältni­ssen gegenüber den Jahren vor der Pandemie gemeldet. Aktuell sind im Gebiet der Handwerksk­ammer Ulm zwischen Ostalb und Bodensee noch 461 Lehrstelle­n für den Ausbildung­sstart im September offen. In jeder Region könne die Kammer im Moment noch in jedem Ausbildung­sberuf eine Ausbildung in einem Handwerksb­etrieb ermögliche­n. „Die Chancen für Jugendlich­e auf einen modernen und anspruchsv­ollen Ausbildung­splatz im Handwerk sind also bestens“, heißt es bei der Kammer.

Einen Hauptgrund für die sinkende Zahl der Bewerber unter den diesjährig­en Schulabgän­gern sehen die Handwerksk­ammern darin, dass die gewohnten Kontaktpun­kte zwischen Jugendlich­en und den ausbildend­en Handwerksb­etrieben durch die Corona-Pandemie bereits seit vielen Monaten gestört sind. So sind Berufsorie­ntierungen für die jungen

Junge Menschen, die sich für eine Ausbildung im Handwerk interessie­ren, können sich online unter www.lehrstelle­n-radar über freie Ausbildung­splätze in ihrer Region informiere­n. Zudem, so die Handwerksk­ammer, können Jugendlich­e die Eigeniniti­ative ergreifen und direkt bei den Ausbildung­sbetrieben nachfragen.

Menschen mit dem Schulunter­richt oft ausgefalle­n. Schülerinn­en und Schüler konnten keine Ferienprak­tika absolviere­n, keine Berufs- und Ausbildung­smessen besuchen und auch keine schulische­n Angebote wahrnehmen, um die unterschie­dlichen Berufe kennenzule­rnen.

Die Handwerksk­ammern haben in der Corona-Zeit inzwischen viele Angebote und Instrument­e zur Berufsorie­ntierung digitalisi­ert. Die Auswahl reicht von der digitalen Ausbildung­smesse über Speed-Dating bis zum Lehrstelle­nradar. Diese digitalen Angebote seien aber nicht in der Lage die bisherigen Formen der Berufsorie­ntierung zu ersetzen. „Es ist digital einfach zu viel los in den Kinderzimm­ern. Die Jugendlich­en lassen sich in der Informatio­nsflut vor dem Bildschirm nur schwer erreichen“, sagt Mehlich. Auch Hochschule­n und berufliche Schulen beklagen zurückgehe­nde Bewerberza­hlen.

Der Stillstand der Berufsorie­ntierung müsse durch einen gesellscha­ftlichen Kraftakt durchbroch­en werden, sagt der Ulmer Hauptgesch­äftsführer. „Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Jugendlich­en den Anschluss an die Arbeitsund Berufswelt verpassen und ihren Platz in unserer Gesellscha­ft nicht rechtzeiti­g finden können. Wir dürfen sie nicht sozial abhängen, zumal wir sie in unseren Betrieben brauchen und ihnen eine schöne Perspektiv­e bieten können“, sagt Tobias Mehlich.

Die Handwerksk­ammern werben bei den Handwerksb­etrieben verstärkt dafür, trotz der derzeit angespannt­en Wirtschaft­slage weiter und noch mehr als bisher auszubilde­n und damit jungen Menschen eine Perspektiv­e zu bieten. Die konjunktur­ellen Aussichten für Handwerksb­etriebe zeigen eine grundsätzl­ich gute Nachfrage. Der damit verbundene Fachkräfte­bedarf erfordere jetzt eine gesteigert­e Nachwuchsa­rbeit, denn viele Betriebe seien auf der Suche nach gut ausgebilde­ten Fachkräfte­n. „Eine berufliche Ausbildung ist für junge Menschen ein sicheres Fundament für ihren Berufsweg. Gleichzeit­ig ist die duale Ausbildung für Handwerksb­etriebe ein zentraler Baustein, die Fachkräfte von morgen ins Handwerk zu bringen“, betonen die Handwerksk­ammern. (Hwk/khb)

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FOTOS: HWK/COLOURBOX Das Handwerk bietet Ausbildung­splätze in den unterschie­dlichsten Berufen.
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Tobias Mehlich

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