Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Morgens acht Flaschen Bier, dann ins Bett

Vor dem Amtsgerich­t Tettnang muss sich ein 35-Jähriger wegen rassistisc­her Äußerungen verantwort­en

- Von Siegfried Großkopf

TETTNANG - Wegen Volksverhe­tzung hat das Amtsgerich­t Tettnang am Donnerstag einen 35-jährigen Deutschen zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und zehn Monaten auf vier Jahre zur Bewährung verurteilt. Der Angeklagte räumte ein, Ausländer und Menschen mit dunkler Hautfarbe zwischen 2016 und 2019 in einer WhatsApp-Gruppe mit Gleichgesi­nnten schwerst beleidigt und beschimpft zu haben.

„Das muss einem Angst machen“, zeigte sich Richter Max Märkle in der Urteilsbeg­ründung betroffen von dem, was der von seiner Frau getrennt lebende Vater dreier Kinder an Texten herumgesch­ickt und kommentier­t hat. Zu den Tatzeiten war der Angeklagte Alkoholike­r. Den Alkohol macht er auch für seine Äußerungen verantwort­lich.

Mit ihm in der Chatgruppe sollen sich ehemalige Arbeitskol­legen getummelt haben, um verfassung­sfeindlich­e, rassistisc­he und ausländerf­eindliche Äußerungen auszutausc­hen. In zehn Fällen war der 35-Jährige angeklagt, den öffentlich­en Frieden gestört, zur Tat angestache­lt, verächtlic­h gemacht und verleumdet zu haben. Grausam und unmenschli­ch, so das Gericht, habe er Volksverhe­tzung betrieben, wobei auch verfassung­sfeindlich­e Embleme verwendet wurden und Kinderporn­ografie im Netz eine Rolle spielten.

Die Erklärung des Angeklagte­n: Er habe es nicht so gemeint, was er geschriebe­n habe. Wenn er sich aufregte, habe er halt „rausgeschw­ätzt“. Manchmal habe er solche Texte auch nur weitergele­itet und sich keine Gedanken gemacht. Und weiter: „Ich bin ein 24-Stunden-Trinker.“Eine Kiste Bier am Tag sei das Quantum gewesen. Morgens schon mal acht Flaschen, ehe er sich zum Schlafen gelegt habe.

Elf Vorstrafen brachte der Angeklagte in den Gerichtssa­al mit. Darunter Vergehen gegen das Waffengese­tz, mehrere schwere Körperverl­etzungen, Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte, Beleidigun­gen oder das vorsätzlic­he Führen von Schusswaff­en.

Hinter Gittern kennt er sich aus: 18 Monate saß er, obwohl ihm mehrmals Bewährunge­n eingeräumt worden waren. Beruflich hat er ein Handwerk erlernt. Seine Leistungsf­ähigkeit ist eingeschrä­nkt. Nach einer abgeschlos­senen Therapie gegen seine Alkoholabh­ängigkeit ist er derzeit arbeitslos, bezieht Arbeitslos­engeld

I (1200 Euro). Die Höhe seiner Schulden ist ihm nicht bekannt.

Die Staatsanwä­ltin sah die Vorwürfe im Prozess bestätigt, hielt ihm zugute, geständig, angeblich trocken und weg von Drogen zu sein. Seine Neigungen habe er offenbar in den Griff bekommen. Weil seine Sozialprog­nose positiv, die Therapie erfolgreic­h gewesen und er seit zwei Jahren nicht mehr straffälli­g geworden sei, beantragte sie eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung.

Zuvor hatte sich Verteidige­r Gerd Prokop ihr weitgehend angeschlos­sen und auf eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und drei Monaten zur Bewährung plädiert.

Das Gericht sah den Angeklagte­n in acht Fällen überführt und erkannte auf eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und zehn Monaten, für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens tragen und 120 Arbeitsstu­nden ableisten.

Vorsitzend­er Max Märkle nahm dem Mann nicht ab, dass an seinen Verfehlung­en der Alkohol schuld gewesen sei. Auch nicht, dass es nicht so gemeint gewesen sei, was er im Netz verbreitet hat.

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