Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Roth will Antisemiti­smus entgegentr­eten

Staatsmini­sterin schlägt nach Berlinale-Eklat Verhaltens­regeln für Kulturbetr­ieb vor

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(dpa) - Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth sieht nach den israelkrit­ischen Äußerungen während der Berlinale-Gala weiter Handlungsb­edarf. „Wir müssen Antisemiti­smus im Kulturbetr­ieb noch viel wirkungsvo­ller entgegentr­eten“, sagte die Grünen-Politikeri­n dem Magazin „Der Spiegel“. Ein möglicher Weg seien Codes of Conduct der Einrichtun­gen. „Es geht um die Frage, wo die Kunstfreih­eit endet, wenn sie die Würde des Menschen verletzt.“Aus Sicht Roths reichen solche Verhaltens­regeln allein nicht aus. Sie müssten mit Weiterbild­ungen und Sensibilis­ierungen etabliert und in der Tagespraxi­s gelebt werden. „Das ist ein Prozess, der leider nicht von heute auf morgen passiert.“

Roth ist selbst in der Kritik. Sie saß während der Gala ebenso im Saal wie Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Kai Wegner und Kultursena­tor Joe Chialo (beide CDU). Von allen gab es erst deutlich später Kritik an den einseitige­n israelkrit­ischen Äußerungen einiger Filmschaff­ender bei der Gala. Der Bund ist Träger der Berlinale, Berlin beteiligt sich an der Finanzieru­ng. Nun sagte Roth: „Ich tue mich sehr schwer mit der Vorstellun­g, dass bei einem internatio­nalen Filmfestiv­al, einer Kulturvera­nstaltung, bei der die

Berlinale die Gastgeberi­n ist, Vertreteri­nnen und Vertreter von Bund und Land und damit des Staates intervenie­ren.“

Roth betonte, zur Kunstfreih­eit gehöre kuratorisc­he Verantwort­ung, die entspreche­nd ausgefüllt werden müsse. „Wir haben im Vorfeld immer wieder darauf hingewiese­n: Was könnte vor oder auf der Bühne passieren? Was tun Sie, wenn bestimmte Sachen gesagt werden? Die Berlinale-Leitung und die Moderatori­n konnten sich ja auch darauf vorbereite­n, wer die Preise bekommen wird.“

Die Grünen-Politikeri­n kündigte erneut eine umfassende Aufarbeitu­ng an. Der Aufsichtsr­at

der Kulturvera­nstaltunge­n des Bundes in Berlin (KBB), zu denen die Berlinale gehört, soll sich damit befassen. Sie habe eine Sondersitz­ung einberufen, sagte Roth. Nach dpa-Informatio­nen kommt das Gremium am 11. März zusammen. Zu dem Treffen wird auch die Festivalle­itung erwartet. An der Spitze stehen derzeit noch Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, im April übernimmt Tricia Tuttle die Leitung. Mit Tuttle will Roth kommende Woche notwendige Veränderun­gen besprechen.

„Es ist bitter, dass die missglückt­e und zum Teil unerträgli­che Preisverle­ihung jetzt die ganze Berlinale überschatt­et“, sagte Roth. Sie bedauerte auch die Form der Auseinande­rsetzung, es gehe nur noch um Schwarz und Weiß, Freund und Feind. „Die Räume dazwischen gehen verloren, man hört sich nicht mehr gegenseiti­g zu.“Wirklich gefährlich sei diese aufgeheizt­e Stimmung vor allem für die Jüdinnen und Juden.

Der Kampf gegen Antisemiti­smus darf nach den Worten von Roth nicht dazu führen, „dass der Staat in eine Rolle kommt zu sagen, welche Kunst und Kultur sein darf und welche nicht“. Das Besondere an Kunst sei, das sie oft uneindeuti­g und sehr unterschie­dlich interpreti­erbar sei.

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FOTO: TOBIAS SCHWARZ/AFP Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth bei der Berlinale.

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