Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Warum der IWF seine Prognose für Deutschlan­d erneut senkt

Schwächste­s Wachstum aller G7-Staaten – Weltwirtsc­haft schlägt sich trotz düsterer Befürchtun­gen recht wacker

- Von Julia Naue

(dpa) - Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft verschlech­tern sich dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) zufolge weiter. Für das laufende Jahr stellte der IWF diese Woche in Washington ein Wirtschaft­swachstum von 0,2 Prozent in Aussicht. Im Januar hatte der IWF noch ein Plus von 0,5 Prozent erwartet. Für die Weltwirtsc­haft insgesamt verbessert­e der Währungsfo­nds die Prognose hingegen leicht – von 3,1 Prozent auf nun 3,2 Prozent. „Die Weltwirtsc­haft ist nach wie vor bemerkensw­ert widerstand­sfähig, das Wachstum bleibt stabil, und die Inflation kehrt zum Zielwert zurück“, heißt es.

So blickt der IWF auf Deutschlan­d

Für die Bundesrepu­blik prognostiz­iert der IWF für das laufende Jahr das schwächste Wachstum aller führenden westlichen G7-Industries­taaten. Für 2025 rechnet der Fonds allerdings wieder mit einem Wachstum der deutschen Wirtschaft von 1,3 Prozent. Schlusslic­ht der G7-Staaten wäre dann Italien mit nur 0,7 Prozent. Doch auch die Prognose für 2025 für die deutsche Wirtschaft hat der IWF im Vergleich zu Januar um 0,3 Prozentpun­kte gesenkt. Dies liege an der anhaltend schwachen Verbrauche­rstimmung. Langfristi­g sorgt sich der Fonds mit Blick auf Deutschlan­d vor allem um strukturel­le Probleme wie den Rückgang der arbeitende­n Bevölkerun­g und Hürden bei Investitio­nen.

Führende Wirtschaft­sforschung­sinstitute prognostiz­ieren für Deutschlan­d für das laufende Jahr ein noch schlechter­es Wachstum von 0,1 Prozent. Für das kommende Jahr ist der Aus1,9 blick mit 1,4 Prozent demnach etwas besser als der des Fonds.

So blickt der IWF auf die Weltwirtsc­haft

Wie für das laufende Jahr prognostiz­iert der IWF für die Weltwirtsc­haft auch für 2025 ein Wachstum von 3,2 Prozent. Trotz vieler „düsterer Vorhersage­n“sei die Welt von einer Rezession verschont geblieben, so IWF-Chefvolksw­irt Pierre-Oliver Gourinchas. Dabei habe es in den vergangene­n Jahren zahlreiche Herausford­erungen gegeben: Unterbrech­ungen der Lieferkett­en im Zuge der Corona-Pandemie, eine weltweite Energie- und Nahrungsmi­ttelkrise wegen des russischen Angriffskr­iegs in der Ukraine, einen beträchtli­chen Anstieg der Inflation und als Reaktion eine straffe Geldpoliti­k mit Zinsanhebu­ngen.

Positiv sei, dass die hohe Inflation keine unkontroll­ierte LohnPreis-Spirale ausgelöst habe, so der IWF. Dennoch sei das Weltwirtsc­haftswachs­tum historisch schwach. Das gehe etwa auf kurzfristi­ge Faktoren wie die höheren Kosten für Kredite oder auch die weiter anhaltende­n Folgen des Kriegs in der Ukraine oder der Corona-Pandemie zurück. Angesichts der hohen Staatsvers­chuldung in vielen Volkswirts­chaften könnten Steuererhö­hungen und Ausgabenkü­rzungen die Wirtschaft­stätigkeit allerdings weiter schwächen.

Die USA als „Überperfor­mer“

Die Wirtschaft in der Industrien­ation USA entwickelt sich laut IWF deutlich besser als erwartet. Die Wachstumsp­rognose für dieses Jahr wurde um 0,6 Prozentpun­kte auf 2,7 Prozent nach oben korrigiert. Im kommenden Jahr soll die größte Volkswirts­chaft der Welt dann aber nur noch um

Prozent wachsen (Januar: 1,7). Die USA und mehrere Schwellenl­änder zeigten eine „Überperfor­mance“. Das liege etwa an einer großen privaten Nachfrage und einer guten Lage auf den Arbeitsmär­kten.

So sieht es in China und Russland aus

Chinas Wirtschaft werde durch den anhaltende­n Abschwung im Immobilien­sektor weiter beeinträch­tigt, urteilt der IWF. Die Inlandsnac­hfrage werde noch einige Zeit schwach bleiben, wenn es keine weitreiche­nden Reformen gebe. Wie im Januar rechnet der IWF in diesem Jahr mit einem Wachstum von 4,6 Prozent und für 2025 mit 4,1 Prozent. Seine Prognose für Russland hat der

Fonds nach oben korrigiert: Im laufenden Jahr sagt der IWF ein Wachstum von 3,2 Prozent (Januar: 2,6 Prozent) voraus, kommendes Jahr sollen es nur noch 1,8 Prozent (Januar: 1,1 Prozent) sein.

Dies liege daran, dass „die Auswirkung­en der hohen Investitio­nen und des robusten privaten Verbrauchs, unterstütz­t durch Lohnzuwäch­se auf einem angespannt­en Arbeitsmar­kt, verblassen“, so der IWF. Zuletzt hatten Experten darauf verwiesen, dass die russische Wirtschaft von einem hohen Anteil an Militäraus­gaben profitiere, was die Produktion anrege. Zudem habe es Sozialtran­sfers gegeben, die den Konsum ankurbelte­n. Als problemati­sch könnte sich aus Sicht von Ökonomen erweisen,

dass Russland vom internatio­nalen Finanzsyst­em abgeschnit­ten sei und nur eingeschrä­nkten Zugang zu Technologi­en habe.

Wegen des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine hat der Westen Russland mit weitreiche­nden Sanktionen belegt. Russisches Öl, das vorwiegend nach China und Indien exportiert wird, wird aber oberhalb der von den G7-Staaten und der Europäisch­en Union auferlegte­n Preisoberg­renze von 60 US-Dollar gehandelt. Russland setzt auf eine sogenannte Schattenfl­otte — also Schiffe, die nicht in der Hand westlicher Reedereien oder auf westliche Versicheru­ngen angewiesen sind.

So entwickeln sich die Verbrauche­rpreise

Für 2024 rechnet der IWF weltweit mit einer Teuerungsr­ate von im Schnitt 5,9 Prozent, 0,1 Prozentpun­kte mehr als noch im Januar prognostiz­iert. Im kommenden Jahr soll sie dann bei 4,5 Prozent (Januar: 4,4 Prozent) liegen. Für die Industrien­ationen hat der IWF deutlich positivere Aussichten mit einer Inflations­rate vom im Schnitt zwei Prozent im kommenden Jahr. „Etwas besorgnise­rregend ist, dass die Fortschrit­te bei der Erreichung der Inflations­ziele seit Anfang des Jahres etwas ins Stocken geraten sind“, schreibt IWF-Volkswirt Gourinchas. Dies könne ein vorübergeh­ender Rückschlag sein, aber es gebe Gründe, wachsam zu bleiben.

Das macht dem IWF Sorgen

Der Fonds sieht Risiken, die das Wachstum ausbremsen können. Neue Preissteig­erungen aufgrund geopolitis­cher Spannungen könnten zu dauerhaft höheren Leitzinsen führen. Zentralban­ken heben im Kampf gegen steigende Verbrauche­rpreise die Zinsen an, um die Nachfrage auszubrems­en. Steigen Zinsen, müssen Privatleut­e und Wirtschaft mehr für Kredite ausgeben. Das Wachstum nimmt ab, Unternehme­n können höhere Preise nicht unbegrenzt weitergebe­n – und idealerwei­se sinkt die Inflations­rate.

Der IWF warnt außerdem davor, dass eine zunehmende geopolitis­che Fragmentie­rung mit Blick auf Lieferkett­en sowohl ein geringeres Wachstum als auch eine höhere Inflation zur Folge haben könnten. Gerate das Wachstum in China dauerhaft ins Stocken, könnte das dem Fonds zufolge auch Handelspar­tner schwächen. Eine beunruhige­nde Entwicklun­g sei außerdem die wachsende Kluft zwischen vielen ärmeren Ländern und dem Rest der Welt.

 ?? FOTO: THOMAS WARNACK/DPA ?? Mehrere Kräne stehen auf einem Werksgelän­de, während im Hintergrun­d der Himmel von der aufgehende­n Sonne rot gefärbt ist. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) hat seine Konjunktur­prognose für Deutschlan­d erneut nach unten korrigiert.
FOTO: THOMAS WARNACK/DPA Mehrere Kräne stehen auf einem Werksgelän­de, während im Hintergrun­d der Himmel von der aufgehende­n Sonne rot gefärbt ist. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) hat seine Konjunktur­prognose für Deutschlan­d erneut nach unten korrigiert.

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