Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Größere Baufenster und mehr Geschosse
Zur Nachverdichtung soll Bebauungsplan, der auch Franzosensiedlung umfasst, geändert werden
- Im Zusammenhang mit Abriss- und Neubauplänen für 16 Mehrfamilienhäuser an der Schwab-, Hebel- und Ekkehardstraße hat der Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt (PBU) Anfang 2021 eine Änderung des Bebauungsplans „Mühlösch Teilgebiet 1“abgelehnt und stattdessen eine Überarbeitung dieser Pläne gefordert. Ein neuer Entwurf liegt bis heute nicht vor, dennoch stand in der jüngsten Sitzung des PBU erneut eine Änderung des Bebauungsplans auf der Tagesordnung. Die Baufenster sollen erweitert, die Geschossanzahl erhöht werden.
Um das konkrete Vorhaben der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zur Überplanung eines rund 2,4 Hektar großen Areals mit 16 Mehrfamilienhäusern ging es in der Sitzung nicht. Es wurde nicht einmal erwähnt. Stattdessen ging es um die Frage, welche Bebauungspläne in Friedrichshafen generell geändert oder gar aufgehoben werden sollten, weil sie veraltet sind und aufgrund restriktiver Bestimmungen nicht mehr den heutigen Ansprüchen an einen modernen Städtebau entsprechen (siehe gesonderten Artikel). Ein Hauptziel, das mit der Überarbeitung oder Aufhebung von Bebauungsplänen erreicht werden soll: mehr bauliche Nachverdichtung auf innerörtlich und zentral gelegenen Flächen zu ermöglichen.
Zu den ersten Bebauungsplänen, die nun für eine Änderung auserkoren worden sind, zählt „Mühlösch Teilbereich 1“. Wie der Präsentation zur Ausschusssitzung zu entnehmen ist, strebt die Stadt eine Überarbeitung dahingehend an, dass die Baufenster erweitert werden und außerdem durchgehend bis zu vier Vollgeschosse und ein Dachgeschoss im Plangebiet zulässig sein sollen – bisher sind es überwiegend zwei bis drei Geschosse.
Die Pläne der BImA, 16 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 105 Wohnungen abzureißen und durch Neubauten mit 160 bis 200 Wohnungen zu ersetzen, waren
Anfang 2021 auf erheblichen Widerstand bei den Bewohnern gestoßen. Weil viele der Wohnungen recht groß sind, sich überwiegend in gutem oder kurz nach einer Sanierung sogar in sehr gutem Zustand befanden und die Mieten für Häf ler Verhältnisse sehr niedrig sind. Und weil durch den Komplettabriss ein über Jahrzehnte gewachsenes, funktionierendes Quartier mit üppigem Grünbestand verloren ginge.
Die Wohnhäuser wurden in den Jahren 1951 und 1952 erbaut und bis zum endgültigen Abzug der französischen Streitkräfte im Jahr 1993 überwiegend von Soldaten und deren Familien bewohnt. Weshalb das Quartier im Volksmund auch heute noch als „Franzosensiedlung“bezeichnet wird.
Von einem „funktionierenden Quartier“mit „relativ hoher Wohndichte“sprach Philipp Fuhrmann vom Netzwerk für Friedrichshafen mit Blick auf das gesamte Plangebiet und warnte davor, dieses „brachial zu überplanen“. Ohne das BImA-Projekt konkret beim Namen zu nennen,
plädierte Fuhrmann dafür, erstmal ein städtebauliches Konzept vorzulegen, aus dem klar ersichtlich wird, welchen Mehrwert eine Überplanung für das Gebiet bringen könnte.
Bürgermeister Fabian Müller reagierte auf diese Bemerkung ziemlich gereizt – obwohl sie im Grunde nur das aufgreift, was der PBU in Verbindung mit der abgelehnten Bebauungsplanänderung vor drei Jahren gefordert hat: einen überarbeiteten Planentwurf, der mehr auf den Erhalt von möglichst viel Bausubstanz und Grünbestand eingeht und sozialverträglicher für die Bestandsbewohner ist.
Rund ein halbes Jahr nach diesem Beschluss hatte die BImA angekündigt, einen Planungswettbewerb starten zu wollen, „in dem Art und Umfang der baulichen Maßnahmen bewusst offengehalten werden, so dass verschiedenste Möglichkeiten einer Entwicklung geprüft und untersucht werden können (Sanierung, Teilabriss, Neubau, DG-Aufstockung)“. Wie ein BImA-Sprecher gegenüber der „Schwäbischen
Zeitung“bestätigt, besteht diese Absicht nach wie vor.
Dass nun trotzdem zuerst der Bebauungsplan geändert werden soll, erklärt die Stadtverwaltung damit, dass sich die bestehende Gebäudestruktur im gesamten Plangebiet sehr gut für Nachverdichtungsvorhaben eigne. Durch die Überarbeitung sollen „entsprechende Nachverdichtungsmöglichkeiten unter Wahrung der qualitätsvollen Grünstrukturen“geschaffen werden. Aufgrund der Größe des Bebauungsplans biete es sich jedoch an, zuerst für das Gesamtgebiet einen städtebaulichen Rahmenplan mit gesamtheitlichen Zielsetzungen zu entwickeln und im Anschluss das Planungsrecht in Teilbereichen anzupassen. Demnach stehe die Entwicklung der BImA nicht im Widerspruch zu der nun angedachten Vorgehensweise, sondern stelle einen der möglichen Teilbereiche dar.
Zugestimmt hat der PBU der Änderung des Bebauungsplans noch nicht. Der Beschluss fällt in die Zuständigkeit des Gemeinderats.