Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Christlichkeit als Metapher für Eigennutz und Scheinheiligkeit“
Zu „Hubert Knoblauch wehrt sich gegen Unterkunft“, SZ vom 26. April:
Wir reiben uns verwundert die Augen? Heute ist nicht der 1. April und wir schreiben tatsächlich das Jahr 2024! Vor dem Hintergrund einer aus den Fugen geratenden Weltordnung und einer sich anbahnenden Klimakatastrophe wehrt sich ein Bürger und Landwirt in seiner Ailinger Komfortzone gegen die Unterbringung von 24 unbegleiteten, also minderjährigen Flüchtlingen in seiner Nachbarschaft! Statt sich zu überlegen, wie kann er im Kleinen dazu beitragen, die Welt etwas menschlicher zu gestalten, hat er Angst um sein Eigentum und seine Geschäfte und bemüht sogar noch einschlägige Statistiken. Er unterstellt von vorneherein, dass die Flüchtlinge es darauf abgehen haben, ihn zu beklauen, randalierend durchs Dorf zu ziehen und die gewohnte, selbstgefällige, öffentliche Ordnung massiv zu stören. In diesem eingeschränkten, inhumanen Menschen- und Weltbild ist kein Platz für Empathie für Flüchtende, die ums nackte Überleben in ihren Heimatländern gekämpft haben. Es ist kein Platz für die Vorstellung, dass Familien ihre jüngsten, gesündesten Mitglieder aus reiner Verzweif lung nach Europa schicken, in der vagen Hoffnung, dass sie durchkommen und irgendwann durch Geldtransfers zu Verbesserung der Lage der Daheimgebliebenen beitragen werden. Der treuherzige Hinweis, dass man ein „überzeugter Demokrat“und auch Mitglied einer christlichen Partei sei, zeigt nur, wie erschreckend weit unreflektierte und auch menschenmißachtende Ansichten inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Christlichkeit droht zur Metapher für Eigennutz und Scheinheiligkeit zu verkommen. Wenn wir uns alle nicht schleunigst von Kriegstüchtigkeit auf Friedenstüchtigkeit mit Mensch und Natur umstellen, werden wir in Kürze noch ganz andere Flüchtlingsströme auf uns zukommen sehen.
Warum lädt der Mensch Hubert Knoblauch die 24 jungen Leute nicht auf seinen Hof ein, zeigt ihnen alles, erklärt seine Lage und auch, warum in einem kleinen Weiler wie Berg Ängste auf kommen? Nur was man nicht kennt, macht einem Angst.