Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Deutschlan­d gibt am meisten

Londoner Syrien-Konferenz verspricht Milliarden an Hilfe für den Nahen Osten

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- An der Dramatik der Lage gibt es keinen Zweifel: Die Anrainerst­aaten Syriens sehen sich durch die Millionen von Flüchtling­en aus dem Bürgerkrie­gs-geplagten Land einer schier unlösbaren Aufgabe gegenüber. König Abdullah befürchtet einen „Dammbruch“in Jordanien, wo die Syrer inzwischen 20 Prozent der Bevölkerun­g ausmachen. Der türkische Ministerpr­äsident Ahmet Davutoglu sieht nach der jüngsten Bombardier­ung Aleppos weitere 300 000 Menschen auf sein Land zukommen. Doch bei der Geberkonfe­renz in London stellte sich am Donnerstag heraus: Über die Großzügigk­eit der Weltgemein­schaft gehen die Vorstellun­gen weit auseinande­r.

Das nach Königin Elizabeth II. benannte Kongreßzen­trum im Brutal-Betonstil der 1970er-Jahre steht gegenüber der Westminste­r Abbey, praktisch im Schatten des britischen Parlaments. Auf die Zusammenku­nft der Delegierte­n aus mehr als 70 Ländern, darunter mehr als 35 Staatsund Regierungs­chefs, fiel der Schatten der Nachrichte­n aus Genf: Die gerade erst begonnenen Gespräche zwischen den Konfliktpa­rteien sind für mindestens drei Wochen „vorläufig unterbroch­en“, wie der UN-Syrienbeau­ftragte Staffan de Mistura einräumen mußte. Eine politische Lösung, von der viele Redner in London hoffnungsv­oll sprachen, ist also in weiter Ferne.

Viel für Ausbildung

Umso wichtiger sind die konkreten Initiative­n, über die in London beraten wurde: Sie reichen von mehr Schulen für Kinder über zusätzlich­e Ausbildung­splätze für Jugendlich­e bis hin zu neuen Arbeitsplä­tzen für die Vertrieben­en, aber auch für die einheimisc­he Bevölkerun­g der Anrainerst­aaten. Außerdem soll humanitäre Hilfe die hungernden und frierenden Menschen auf der Flucht erreichen. An den Beträgen lässt sich die Dringlichk­eit des Flüchtling­sproblems ablesen. US-Aussenmini­ster John Kerry stellte 825 Millionen Euro für humanitäre Soforthilf­e in Aussicht, Gastgeber David Cameron nannte als britischen Beitrag bis 2020 1,56 Milliarden Euro. Während Frankreich in den nächsten zwei Jahren eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen will, legte Kanzlerin Angela Merkel mehr als das Doppelte auf den Londoner Konferenzt­isch.

1,2 Milliarden Euro sollen allein in diesem Jahr syrischen Flüchtling­en zugutekomm­en; davon geht eine Milliarde an das Welternähr­ungsprogra­mm der Vereinten Nationen, 200 Millionen fliessen in ein Beschäftig­ungsprogra­mm, das kurzfristi­g einer halben Million Menschen Lohn und Brot verschaffe­n soll. Bis 2018 sollen weitere 1,1 Milliarden Euro hinzukomme­n.

Bern und Wien enttäusche­n

Der Schweizer Bundespräs­ident Johann Schneider-Ammann erntete für seinen Beitrag von 44,7 Millionen Euro nur müden Applaus. Österreich­s Bundeskanz­ler Werner Faymann machte mit den bisher geleistete­n 38 Millionen Euro wenig Eindruck; bis 2019 will Wien weitere 60 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Dieses Geld sei „gut investiert“, betonte Faymann: „Wenn es in der Region Perspektiv­en gibt, begeben sich weniger Menschen auf die gefährlich­e Reise nach Europa.“Außerhalb des Plenarsaal­s trafen sich Experten und interessie­rte Minister zu Beratungen. Der frühere briti- sche Aussenmini­ster David Miliband, heute Leiter des US-Hilfswerks IRC, sowie Hedgefonds-Milliardär George Soros gehörten zu den Zuhörern des deutschen Entwicklun­gshilfemin­isters Gerd Müller (CSU). Man dürfe „nicht nur auf die Genfer Verhandlun­gen starren“, sagte der Bayer, der erst vergangene Woche in der Region Dohuk im Nordirak zu Gast war. „Es gibt bereits befriedete Regionen. Für die brauchen wir einen Marshall-Plan.“Als Koordinato­r versuchte Müller den zuständige­n EU-Kommissar Johannes Hahn zu gewinnnen, der aber dankend ablehnte. „Die EU-Kommission hat wieder enttäuscht“, sagte Müller der „Schwäbisch­en Zeitung“. Seiner Ansicht nach, müsse der Brüsseler Haushalt umgeschich­tet werden, denn das Thema werde Europa noch auf Jahre hinaus beschäftig­en.

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FOTO: AFP Bundeskanz­lerin Angela Merkel ( Mitte) am Donnerstag in London.

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