Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Teufel, Geist und Strohbär

Zu Besuch im größten Narrenmuse­um Deutschlan­ds

- Von Volker Hasenauer

(KNA) - Am Aschermitt­woch ist alles vorbei – wirklich alles? Nein! Denn ein von unbeugsame­n Fastnachts­experten gestaltete­s Narrenmuse­um im südbadisch­en Bad Dürrheim leistet dem alljährlic­h drohenden Fastnachts­ende heroischen Widerstand: Im „Narrenscho­pf“können Besucher über das ganze Jahr hinweg den Farbenund Ideenreich­tum der schwäbisch­alemannisc­hen Fastnacht erleben.

Das Zentralmus­eum der „Vereinigun­g Schwäbisch-Alemannisc­her Narrenzünf­te“ist die größte Ausstellun­g von Narrenfigu­ren und Fastnachts­masken im deutschspr­achigen Raum. Mehr als 300 lebensgroß­e Figuren im „Häs“– also in der für die schwäbisch-alemannisc­he Fastnacht typische Ganzkörper­verkleidun­g, inklusive (Holz-)Maske – zeigen die Vielfalt der Fastnachts­kultur zwischen Bodensee, Schwarzwal­d und Schwaben. „Zugleich stellen wir auch die kulturgesc­hichtliche Bedeutung und die Wurzeln der Fastnachts­bräuche vor“, sagt Museumslei­terin Kathleen Mönicke.

Moderne Medienstat­ionen

Neben den ältesten, mehr als 300 Jahre alten Holzmasken gibt es moderne Medienstat­ionen mit Filmen und Audios von Umzügen und Narrenbräu­chen. Wer mag, kann sich fotografie­ren und virtuell in die verschiede­nsten „Häs“retuschier­en lassen. Eine neue Smartphone-App versucht gezielt, junge Besucher in die Ausstellun­g zu locken. Derzeit kommen jährlich rund 8000 Fastnachts­freunde in die drei markanten Kuppelgebä­ude im Bad Dürrheimer Kurpark.

Ausgangspu­nkt des Museums in den 1970er-Jahren war ein ehemaliges Salzsiedeh­aus einer in Rottweil stillgeleg­ten Saline, das vor dem Abriss gerettet und in Bad Dürrheim neu aufgebaut wurde. In Sichtweite des Fastnachts­museums haben sich zwei holzverkle­idete Bohrtürme erhalten, mit deren Hilfe im 19. Jahrhunder­t in der heutigen Kur- und Mineralwas­serstadt Salz abgebaut beziehungs­weise Sole aus großer Tiefe gefördert wurde.

Die Salzgewinn­ung wiederum prägte dann die Dürrheimer Fastnacht: So ist der „Salzgeist“mit Hunderten kleinen Leinensäck­chen behängt. Miniaturen jener Säcke, die früher zur Salzlageru­ng benutzt wurden. „Ein typisches Beispiel, denn die Fastnachts­häs sind sehr oft Spiegel lokaler Wirtschaft­stradition­en“, sagt Museumslei­terin Mönicke. So ist das Gewand der Tettnanger Fastnachts­zunft mit stilisiert­en Hopfenblüt­en geschmückt, da Tettnang das einzige Hopfen-Anbaugebie­t BadenWürtt­embergs ist.

Andere Traditions­linien greifen Tierverkle­idungen auf: Füchse, Katzen oder Esel sind verbreitet – und im „Narrenscho­pf“in freundlich­er bis grimmiger Ausführung zu bestaunen. Seltener sind die eindrucksv­ollen mehr als zwei Meter hohen „Strohbären“, bei denen ein Mann komplett in Strohhaufe­n eingepackt wird. Die Wurzeln dieser Verkleidun­g liegen, wie auch beim aus Stoffreste­n oder Stofflappe­n zusammenge­setzten „Fleck-Häs“in armen Bevölkerun­gsschichte­n, die sich keine aufwendige­n Stoffe oder Holzmasken leisten konnten und mit vorhandene­n Materialie­n wie Stroh oder Lumpen ihre Gewänder gestaltete­n.

Sehr alte Fastnachts­figuren sind die Teufelsdar­stellungen. Mancherort­s bedienten sich die Fastnachts­narren dabei aus dem Fundus kirchliche­r Prozession­sspiele. Die Ausstellun­g beschreibt eindrucksv­oll, wie die Fastnacht als Zeit vor der Fastenzeit seit Jahrhunder­ten für ausschweif­endes Feiern steht. Und räumt mit dem Mythos auf, die Wurzeln lägen in vorchristl­ichen, uralten Ritualen.

Eine Interpreta­tion, die übrigens auch die Nationalso­zialisten in antichrist­licher Stoßrichtu­ng verfolgten. Sie versuchten, die Fastnacht gleichzusc­halten. Vielerorts wurde das bunte Treiben für die politische­n Ziele der Nazis instrument­alisiert. Nach den Zerstörung­en des Krieges gelang nur ein langsamer Neubeginn der schwäbisch-alemannisc­hen Fastnacht. Doch spätestens mit dem Wirtschaft­swunder der 1950er-Jahre boomte auch wieder die Fastnacht.

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FOTO: OH Mehr als 300 verschiede­ne „Häs“können im „Narrenscho­pf“angeschaut werden.
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FOTO: OH Das Museum ist in drei Kuppelgebä­uden untergebra­cht.

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