Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Fußabdruck wird immer größer
Geowissenschaftler Gerhard Berz über Klimawandel und mögliche Gegenmaßnahmen
- „Wir werden uns an ein anderes Klima anpassen müssen.“Der Geowissenschaftler Professor Gerhard Berz sprach bei den Akademietagen des Landkreises Biberach über den Klimawandel und die damit zusammenhängende zunehmende Häufigkeit von Naturkatastrophen. In Deutschland werden sich die Menschen an heißere Sommer und wärmere Winter gewöhnen müssen.
Der heute 74-jährige Berz leitete von 1974 bis 2004 die Geo-Risiko-Forschung bei Munich Re/Münchner Rück, einem weltweit tätigen Rückversicherer, und war bis vor Kurzem Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Berz skizzierte die Entwicklung großer Schadenereignisse und Naturkatastrophen seit 1950. Im Jahr 2015 habe man weltweit erstmals mehr als 1000 Ereignisse registriert, darunter das Erdbeben in Nepal, Taifune im Pazifik, Unwetter in den USA, Winterstürme und die Hitzewelle in Europa. Auch wenn es mit Ausnahme des Erdbebens in Nepal „keine großen Ereignisse“gab, „war 2015 ein katastrophenreiches Jahr“, so der Geowissenschaftler. Entsprechend groß war der Schaden durch die Ereignisse, der 2015 rund 90 Milliarden US-Dollar betrug.
Teure Naturkatastrophen
Eine Einjahresfliege sei das nicht, stellte Berz klar. Im Mittel stieg die Zahl der jährlichen Katastrophen kontinuierlich – mit Ausnahme der geophysikalischen Schadenereignisse (wie Erdbeben, Tsunami), auf die der Mensch kaum Einfluss hat. „Da ist kein Trend festzustellen“, so Berz. Anders bei den meteorologischen (wie Stürme, Unwetter) oder hydrologischen Schadenereignissen (Überschwemmungen, Erdrutsche), die stark zugenommen hätten – „seit 1980 mit dem Faktor drei“. Mit entsprechenden Folgekosten. Die teuersten Naturkatastrophen in Deutschland waren laut Berz die Überschwemmungen 2002 (mehr als zwölf Milliarden Euro) und 2013 (rund acht Milliarden Euro) sowie 2007 der Sturm Kyrill (rund vier Milliarden Euro).
Die Ursache für die zunehmende Zahl an Naturkatastrophen sei der globale Klimawandel. Ein zusätzlicher Treibhauseffekt – neben dem natürlichen, der dafür sorgt, dass die Erde ein wirtlicher Planet ist – sorge dafür, dass die Durchschnittstemperatur in Europa in relativ kurzer Zeit schon um etwa ein Grad gestiegen ist (in den Hochgebirgen wie den Alpen wegen der Gletscherschmelze um zwei Grad). Hauptverursacher für den zusätzlichen Treibhauseffekt sind von den Treibhausgasen laut Berz vor allem Kohlendioxid (61 Prozent), Methan (15 Prozent) und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (11 Prozent). Problem beim Kohlendioxid und den FCKW: Sie bleiben lange in der Atmosphäre, werden nur langsam abgebaut.
Die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre hat über die Jahrtausende geschwankt. Es gab Eis- und Warmzeiten, was mit der CO2-Menge zusammenhing. „Bei wenig war es kühl, bei viel war es warm“, so Berz. Doch seit rund 200 Jahren zeigt die Kurve steil nach oben und ein Ende ist nicht abzusehen. Bis Ende des 21. Jahrhunderts wird eine Zunahme der Durchschnittstemperatur von zwei bis sechs Grad erwartet. „Wir machen aus der Warm- eine Superwarmzeit“, sagte der Wissenschaftler. Und: „Der Mensch hinterlässt einen immer größeren Fußabdruck.“
Die Auswirkungen auch für Deutschland sind drastisch: Der Frühling kommt früher (Berz: „Im Schnitt 0,3 Tage pro Jahr“), der Herbstbeginn verschiebt sich um eine Woche, die Vegetationsperioden werden länger. Dies erscheint für viele erträglich, aber es nehmen eben auch die Risiken Professor Gerhard Berz über
den Hitzesommer 2003 zu: mehr Stürme, Gewitter, Starkregen und Überschwemmungen, mehr Hitzewellen und Dürren. Ein Hitzesommer wie 2003, der laut Berz in Deutschland zu mehr als 7000 zusätzlichen Todesfällen führte, werde keine Ausnahme bleiben. „Das war ein Blick in die Zukunft.“Gerade im deutschen Südwesten werde der Sommer heißer und trockener und der Winter wärmer und niederschlagsreicher.
„Das war ein Blick
in die Zukunft.“
Erneuerbare Energien alternativlos
Stoppen lässt sich der Klimawandel nach Worten von Berz nicht, aber Gegenmaßnahmen zur Erderwärmung „rechnen sich“, so der Wissenschaftler. Energiesparen, mehr Effizienz im Umgang mit Energie seien geboten und vor allem der Einsatz erneuerbarer Energien. „An ihnen kommen wir nicht vorbei.“Erforderlich sei auch eine Anpassung an die Klimaentwicklung: bei Bauvorschriften, Raumplanung, Katastrophenvorsorge, veränderte Land- und Forstwirtschaft.
Berz: „Wir müssen versuchen, die globale Erwärmung abzubremsen, und uns den veränderten Bedingungen anpassen.“