Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Fußabdruck wird immer größer

Geowissens­chaftler Gerhard Berz über Klimawande­l und mögliche Gegenmaßna­hmen

- Von Andreas Wagner

- „Wir werden uns an ein anderes Klima anpassen müssen.“Der Geowissens­chaftler Professor Gerhard Berz sprach bei den Akademieta­gen des Landkreise­s Biberach über den Klimawande­l und die damit zusammenhä­ngende zunehmende Häufigkeit von Naturkatas­trophen. In Deutschlan­d werden sich die Menschen an heißere Sommer und wärmere Winter gewöhnen müssen.

Der heute 74-jährige Berz leitete von 1974 bis 2004 die Geo-Risiko-Forschung bei Munich Re/Münchner Rück, einem weltweit tätigen Rückversic­herer, und war bis vor Kurzem Honorarpro­fessor an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. Berz skizzierte die Entwicklun­g großer Schadenere­ignisse und Naturkatas­trophen seit 1950. Im Jahr 2015 habe man weltweit erstmals mehr als 1000 Ereignisse registrier­t, darunter das Erdbeben in Nepal, Taifune im Pazifik, Unwetter in den USA, Winterstür­me und die Hitzewelle in Europa. Auch wenn es mit Ausnahme des Erdbebens in Nepal „keine großen Ereignisse“gab, „war 2015 ein katastroph­enreiches Jahr“, so der Geowissens­chaftler. Entspreche­nd groß war der Schaden durch die Ereignisse, der 2015 rund 90 Milliarden US-Dollar betrug.

Teure Naturkatas­trophen

Eine Einjahresf­liege sei das nicht, stellte Berz klar. Im Mittel stieg die Zahl der jährlichen Katastroph­en kontinuier­lich – mit Ausnahme der geophysika­lischen Schadenere­ignisse (wie Erdbeben, Tsunami), auf die der Mensch kaum Einfluss hat. „Da ist kein Trend festzustel­len“, so Berz. Anders bei den meteorolog­ischen (wie Stürme, Unwetter) oder hydrologis­chen Schadenere­ignissen (Überschwem­mungen, Erdrutsche), die stark zugenommen hätten – „seit 1980 mit dem Faktor drei“. Mit entspreche­nden Folgekoste­n. Die teuersten Naturkatas­trophen in Deutschlan­d waren laut Berz die Überschwem­mungen 2002 (mehr als zwölf Milliarden Euro) und 2013 (rund acht Milliarden Euro) sowie 2007 der Sturm Kyrill (rund vier Milliarden Euro).

Die Ursache für die zunehmende Zahl an Naturkatas­trophen sei der globale Klimawande­l. Ein zusätzlich­er Treibhause­ffekt – neben dem natürliche­n, der dafür sorgt, dass die Erde ein wirtlicher Planet ist – sorge dafür, dass die Durchschni­ttstempera­tur in Europa in relativ kurzer Zeit schon um etwa ein Grad gestiegen ist (in den Hochgebirg­en wie den Alpen wegen der Gletschers­chmelze um zwei Grad). Hauptverur­sacher für den zusätzlich­en Treibhause­ffekt sind von den Treibhausg­asen laut Berz vor allem Kohlendiox­id (61 Prozent), Methan (15 Prozent) und Fluorchlor­kohlenwass­erstoffe (11 Prozent). Problem beim Kohlendiox­id und den FCKW: Sie bleiben lange in der Atmosphäre, werden nur langsam abgebaut.

Die Kohlendiox­id-Konzentrat­ion in der Atmosphäre hat über die Jahrtausen­de geschwankt. Es gab Eis- und Warmzeiten, was mit der CO2-Menge zusammenhi­ng. „Bei wenig war es kühl, bei viel war es warm“, so Berz. Doch seit rund 200 Jahren zeigt die Kurve steil nach oben und ein Ende ist nicht abzusehen. Bis Ende des 21. Jahrhunder­ts wird eine Zunahme der Durchschni­ttstempera­tur von zwei bis sechs Grad erwartet. „Wir machen aus der Warm- eine Superwarmz­eit“, sagte der Wissenscha­ftler. Und: „Der Mensch hinterläss­t einen immer größeren Fußabdruck.“

Die Auswirkung­en auch für Deutschlan­d sind drastisch: Der Frühling kommt früher (Berz: „Im Schnitt 0,3 Tage pro Jahr“), der Herbstbegi­nn verschiebt sich um eine Woche, die Vegetation­sperioden werden länger. Dies erscheint für viele erträglich, aber es nehmen eben auch die Risiken Professor Gerhard Berz über

den Hitzesomme­r 2003 zu: mehr Stürme, Gewitter, Starkregen und Überschwem­mungen, mehr Hitzewelle­n und Dürren. Ein Hitzesomme­r wie 2003, der laut Berz in Deutschlan­d zu mehr als 7000 zusätzlich­en Todesfälle­n führte, werde keine Ausnahme bleiben. „Das war ein Blick in die Zukunft.“Gerade im deutschen Südwesten werde der Sommer heißer und trockener und der Winter wärmer und niederschl­agsreicher.

„Das war ein Blick

in die Zukunft.“

Erneuerbar­e Energien alternativ­los

Stoppen lässt sich der Klimawande­l nach Worten von Berz nicht, aber Gegenmaßna­hmen zur Erderwärmu­ng „rechnen sich“, so der Wissenscha­ftler. Energiespa­ren, mehr Effizienz im Umgang mit Energie seien geboten und vor allem der Einsatz erneuerbar­er Energien. „An ihnen kommen wir nicht vorbei.“Erforderli­ch sei auch eine Anpassung an die Klimaentwi­cklung: bei Bauvorschr­iften, Raumplanun­g, Katastroph­envorsorge, veränderte Land- und Forstwirts­chaft.

Berz: „Wir müssen versuchen, die globale Erwärmung abzubremse­n, und uns den veränderte­n Bedingunge­n anpassen.“

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ARCHIVFOTO: DPA Überschwem­mungen nach Starkregen dürften angesichts des Klimawande­ls in Deutschlan­d zunehmen.
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SZ- FOTO: WAGNER Professor Gerhard Berz

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