Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Von Schönheit und ihrem Vergehen
Stadthaus bietet 2016 neben Fotografie auch Neue Musik – Zum Jahresende Kunsthandwerk
- Vorsicht, Plattitüde: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Oder kommt sie doch von innen? Die Frage nach der Natur der Schönheit ist eines der elementaren Themen der Philosophie und die wohl wichtigste Triebfeder der Kunst. Nachdem das Jahr 2015 im Stadthaus im Zeichen des Münsterturm-Jubiläums stand, setzt die Kulturinstitution 2016 neue Akzente: Die Idee der Schönheit, ihrer Bedrohtheit und ihres Zwecks stehen gleich bei mehreren Veranstaltungen im Fokus.
Das fängt mit der Präsentation „Cross Dressing“an (20. März bis 5. Juni) an, welche die neue Ausstellungssaison am Münsterplatz eröffnet. Sie versammelt Arbeiten von sieben Fotokünstlern aus Europa und Kanada, die sich mit Tragen der spezifischen Kleidung des jeweils anderen Geschlechts beschäftigen. Mit ganz unterschiedlichen Zugängen: Während etwa der Österreicher Reiner Riedler die Queer-Ikone Conchita Wurst porträtiert hat, zeigt die Bulgarin Pepa Hristova ein Phänomen wie aus einer anderen Zeit: sogenannte „geschworene Jungfrauen“in Albanien, die ein Männerleben in Männerkleidern führen – und dafür auf ein Ausleben ihrer eigenen Sexualität verzichten.
Die Schönheit der Natur hat der Brite Nick Brandt in seine großformatigen Schwarzweiß-Fotografien gebannt, die in der zweiten großen Ausstellung des Jahres zu sehen sind (19. Juni bis 23. Oktober): Unglaub- lich detailliert zeigt er die Tiere der afrikanischen Wildnis – und erzählt gleichzeitig von ihrem Aussterben.
Das Festival für Neue Musik, das 2016 seinen 20. Geburtstag feiert, trägt die Schönheit sogar im Titel: Unter dem Titel „Beauty broken“sind zwischen 10. und 17. April insgesamt sechs Konzerte geplant, die ein weites Feld abstecken. Das Programm reicht von Renaissance-Musik über Annäherungen an Pop bis hin zu einer Hommage an den Dadaisten Kurt Schwitters. Mitwirkende sind internationale Künstler wie die Sprachartistin Anna Clementi, aber auch regionale Musikprominenz wie die Sopranistinnen Maria Rosendorfsky und Esther Kretzinger. Organisator Jürgen Grözinger ist mit seinem Aufgebot jedenfalls mehr als glücklich.
Treu bleiben dem Stadthaus seine bewährten Partner: Der „Verein für moderne Musik“präsentiert mit „40 Jahre Jazz in Ulm“und „Jazz an der Donau“dieses Jahr gleich zwei Kon- zertreihen (wir berichteten), Domenico Strazzeris „Strado Compagnia Danza“hat mit einem Choreografenabend (September) und „Tom waits“(Dezember) zwei neue Produktionen in petto. Das Kollektiv „Moving Rhizomes“ergänzt das Tanz-Angebot mit „Before I Die“, ein Projekt, an dem Flüchtlinge mitwirken.
Quilts-Ausstellung im Herbst
Einem ungewöhnlichen Thema widmet sich dann „Von der Sehnsucht nach Farbe“(30. Oktober bis Frühjahr 2017), die letzte große Ausstellung des Jahres. Gezeigt werden Quilts, die zwischen der Mitte des 19. und der Mitte des 20. Jahrhunderts von amerikanischen Amisch-Frauen hergestellt wurden. Die Produktion dieser Patchwork-Decken folgte wegen der religiösen und sozialen Vorschriften dieser Religionsgemeinschaft strengen ästhetischen Regeln – und doch entstanden dabei kunsthandwerkliche Objekte, die in ihrem Design Entwicklungen wie die Kon- krete Kunst oder Hard Edge vorwegnahmen. Die wertvollen Exponate stammen aus der Ulmer Sammlung Schlumberger-Rentschler.
Die Sanierung des Stadthauses geht derzeit im Untergeschoss weiter. Dort muss unter anderem der durch einen Wasserschaden in Mitleidenschaft gezogene Boden erneuert werden. Erst danach eröffnet dort – voraussichtlich im Herbst – die runderneuerte Archäologie-Ausstellung.