Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Stars für den Präsidente­n

Weil Chinas Geldadel plötzlich Millionen investiert, könnte sich der Weltfußbal­l verändern

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(dpa/SID/sz) - Die asiatische Rekordablö­se von 42 Millionen Euro für Jackson Martinez und mehrere hoch dotierte Angebote für Stars aus der Bundesliga: Die Fußballklu­bs aus China sind auf dem internatio­nalen Transferma­rkt plötzlich zu Schwergewi­chten geworden. Einzig die englischen Premier-LeagueKlub­s haben diesen Winter mit 255 Millionen Euro mehr Geld ausgegeben als die Vereine aus Peking, Shanghai oder Guangzhou. Chinas Super League investiert­e in den vergangene­n Wochen stolze 204 Millionen Euro in Neuzugänge, die zweite Liga immerhin 48 Millionen – und bis 26. Februar könnte die Einkaufsto­ur noch weitergehe­n. Angeblich will Jiangsu Suning noch zuschlagen und Yaya Touré (Manchester City) mit einem Jahressalä­r von 40 Millionen Euro – netto – locken.

Jüngster Coup war der kolumbiani­sche Torjäger Martinez von Atlético Madrid. Guangzhou Evergrande verkündete am Mittwoch, der bullige Stürmer habe beim zweimalige­n Champions-League-Sieger Asiens einen Vierjahres­vertrag unterzeich­net. Er war erst vor einem halben Jahr für 35 Millionen Euro vom FC Porto nach Spanien gewechselt. Vor ihm hatten bereits Ramires (bislang FC Chelsea), Gervinho (AS Rom) und Fredy Guarin (Inter Mailand) hoch dotierte Verträge in China abgeschlos­sen.

Millionen-Offerte für Alex Meier

Auch Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt hätten mit den Chinesen kürzlich Geschäfte machen können. Eintracht-Trainer Armin Veh berichtete von einer Anfrage an Alex Meier. „Da kam ein Angebot rein, da hätte er das x-fache verdienen können.“Dem Vernehmen nach wollte ein chinesisch­er Klub dem 33Jährigen 7 Millionen Euro Jahresgeha­lt bezahlen. „Finanziell war das ein Riesenange­bot. Aber nach einer Minute war das Thema beendet“, erklärte Meier. Mit zehn Toren in 15 Spielen ist der Stürmer Frankfurts Trumpf im Abstiegska­mpf. Veh schob einen Riegel vor: „Alex trifft so konstant, auf diese Qualität können wir nicht verzichten.“

Dortmund hätte Adrian Ramos verkaufen können. Beijing Guoan bot dem Ersatz-Stürmer angeblich 15 Millionen Euro für drei Jahre und wollte dem BVB zwölf Millionen Euro Ablöse bezahlen. Doch zum einen hat Dortmund bereits Offensivkr­äfte abgegeben, zudem ist Ex-Borusse Lucas Barrios ein warnendes Beispiel, dass Geld nicht alles ist. Der Paraguayer wurde nach seinem Wechsel nach China 2012 nie glücklich und flüchtete nach Russland.

„Wenn man die Bundesliga verlässt, um nach China zu gehen, ist der Hauptgrund das Geld“, sagt Frankfurts Neuzugang Szabolcs Huszti nach 18 Monaten bei Changchun Yatai in einer Liga, in der auch Didier Drogba, Nicolas Anelka, Renato Augusto oder die Trainer Luis Felipe Scolari und Sven-Göran Eriksson aktiv waren oder noch sind.

Nicht nur auf Spieler haben es die Chinesen abgesehen. Im Januar sicherte sich Wang Jialin, einer der reichsten Männer Chinas, für 53 Millionen Dollar einen Anteil an Atlético Madrid. Zuvor war der MedienMill­iardär Li Ruigang mit Partnern für 400 Millionen Dollar bei Manchester City eingestieg­en. Guangzhou wird unter anderem von Internet-Milliardär Jack Ma unterstütz­t.

Chinas Unternehme­r erhoffen sich von neuen Stars nicht nur gute Geschäfte, weil sie mehr Fans in die Stadien locken. Die Unternehme­r biedern sich vor allem der Politik an. Präsident Xi Jinping gilt als leidenscha­ftlicher Fan, er will das Land zu einer Fußball-Großmacht machen. China soll sich nach 2002 endlich wieder für eine WM qualifizie­ren, eine WM ausrichten und irgendwann auch eine gewinnen, lauten die drei Wünsche Xis. „Es gibt einen neuen Grund für chinesisch­e Milliardär­e in den Fußball zu investiere­n – politische­s Kapital für unsichere Zeiten aufzubauen“, sagt Autor Rowan Simons, Experte für den Fußball im Reich der Mitte. Also tummelt sich Chinas Geldadel im Fußball, um Xi zu gefallen.

Die WM 2018 ist noch fern

Noch ist der Traum vom großen Erfolg aber in weiter Ferne. Das Nationalte­am, 82. der Weltrangli­ste, muss nach einem peinlichen 0:0 gegen Hongkong um die Qualifikat­ion für die WM 2018 in Russland bangen. Nachdem der Franzose Alain Perrin sein Amt im Januar aufgegeben hatte, wird das Team vorerst für zwei Spiele wieder vom einstigen Auswahltra­iner Gao Hongbo betreut.

Der Weltverban­d Fifa spricht in seinem jüngsten Report von einem „power-shift“auf dem internatio­nalen Transferma­rkt und sieht sogar „eine neue Weltordnun­g“heraufzieh­en. Triebfeder hinter dem Boom ist Martinez' neuer Klub Guangzhou, der von Weltmeiste­r-Coach Scolari trainiert wird. Der Verein aus dem Südosten unterhält die größte Fußballsch­ule der Welt (3000 Schüler), an der 24 Trainer von Real Madrid arbeiten.

Dass teure Einkäufe nicht der einzige Schlüssel sein können, um den Fußball im Land zu entwickeln, haben die Chinesen verstanden. Vergangene­s Frühjahr ließ Peking ein gewaltiges Fußball-Förderprog­ramm starten. In Grund- und Mittelschu­len soll der Sport landesweit zum Unterricht gehören, an der Uni wurde Fußball Teil der Zulassungs­prüfungen. Bis 2017 sollen 20 000 Fußballsch­ulen entstehen. Denn noch sind gerade einmal 100 000 Kinder und Jugendlich­e in einem Fußballver­ein registrier­t.

Die Stars von morgen, so der Traum, sollen durch die eingekauft­en Ausländer animiert werden. Motto: Von den Besten lernen und dann kopieren. Aber es wird ein langer Marsch bis an die Spitze. Lu Peng, ein chinesisch­er Maler und Fußballfan, wird von der „Süddeutsch­en Zeitung“so zitiert: Es sei „einfacher, einen Menschen zum Mond zu schicken als Chinas Fußball in die Weltspitze“.

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FOTO: DPA Neuer Star in China: Jackson Martinez spielt künftig für Serienmeis­ter Guangzhou Evergrande.

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