Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Kanzlerin weiß, dass sie nichts wusste

Linke und Grüne sind unzufriede­n mit Merkels Aussagen im NSA-Ausschuss

- Von Jenny Tobien und Basil Wegener

(dpa) - Nach knapp drei Jahren und weit mehr als 100 Sitzungen beendet der NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags seine Beweisaufn­ahme. Zum großen Finale musste Bundeskanz­lerin Angela Merkel antreten – sieben Stunden lang. Die wichtigste­n Fragen dazu im Überblick:

Worum ging es eigentlich bei den Untersuchu­ngen des Parlaments? Hintergrun­d sind die Enthüllung­en von Ex-NSA-Mitarbeite­r Edward Snowden, der 2013 massive Überwachun­gsprogramm­e des US-Geheimdien­sts publik gemacht hatte. Der Ausschuss wollte etwa klären, ob und wie Nachrichte­ndienste der USA, Großbritan­niens, Kanadas, Australien­s und Neuseeland­s deutsche Daten ausspähten – und was Bundesregi­erung und Bundesnach­richtendie­nst (BND) von solcherlei Aktivitäte­n wussten. Dann kam jedoch die große Überraschu­ng: Es stellte sich heraus, dass der BND ebenfalls im großen Stil und über Jahre Daten befreundet­er Staaten mit bestimmten Suchbegrif­fen (Selektoren) ausspionie­rte.

Hat sich die NSA-Affäre also hierzuland­e zu einer BND-Affäre entwickelt? Das kann man so sagen. Der Fokus der Ausschussa­rbeit hat sich verschoben. Zunächst ging es vor allem darum, wie der BND Daten für die NSA mit NSA-eigenen Selektoren ausgespäht hat. Im Zentrum steht dabei die Kooperatio­n der Dienste im bayerische­n Horchposte­n Bad Aibling, den der BND von der NSA 2004 übernommen hatte. „Wir haben in vielen Bereichen Sachen geklärt, die wir gar nicht gesucht haben, weil wir gar nicht wussten, dass es sie gibt“, sagt der Grünen-Abgeordnet­e HansChrist­ian Ströbele. Der Ausschuss kann sich auf die Habenseite schreiben, die BND-Ausspähung­en mit eigenen Selektoren teilweise offengeleg­t und in der Bevölkerun­g ein Bewusstsei­n dafür geschaffen zu haben.

Worum ging es bei der Befragung Merkels? Im Mittelpunk­t stand ihr Satz „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“. Merkel reagierte damit 2013 auf die angebliche Überwachun­g ihres Handys durch die NSA – obwohl der BND ähnlich agierte. Merkel erklärt, sie habe davon nichts gewusst: „Ich kann nur sagen, dass ich darüber nicht informiert wurde.“ Worum ging es noch? Um das nie zustande gekommene No-Spy-Abkommen. Bald nachdem Snowden die massiven globalen Ausspähung­en der NSA publik gemacht hatte, stellte die Bundesregi­erung Forderunge­n nach einer Vereinbaru­ng mit den USA, auf gegenseiti­ge Bespitzelu­ngen zu verzichten. Der damalige Kanzleramt­sminister Ronald Pofalla (CDU) stellte ein No-Spy-Abkommen im Wahlkampfs­ommer 2013 als greifbar dar – und erklärte, die Vorwürfe der Totalaussp­ähung durch die NSA seien vom Tisch. Allerdings scheiterte der Pakt doch noch. Merkel dazu: Sie habe die Verhandlun­gen auf gutem Weg gesehen. SPD-Obmann Christian Fliesek bezeichnet­e die damaligen Ankündigun­gen dagegen am Donnerstag als „Nebelkerze­n im Wahlkampf“.

Heißt es, die Abgeordnet­en waren unzufriede­n mit Merkels Aussagen? Ja, besonders die Opposition. „Die entscheide­nden Probleme können nicht geklärt werden“, sagte der Grünen-Obmann Konstantin von Notz am Donnerstag. „Zwischen dem, was damals gesagt wurde, und den Dingen, die wir nach drei Jahren Untersuchu­ngsausschu­ss wissen, gibt es ein Wahrheitsd­elta, was auch die Bundeskanz­lerin hier und heute nicht überbrücke­n konnte.“Die Linken-Obfrau Martina Renner bezeichnet­e die Vernehmung Merkels als „erwartungs­gemäß enttäusche­nd“. Ihre Ergebnisse aus drei Jahren Ausschussa­rbeit werden die Mitglieder in einem Abschlussb­ericht zusammenfa­ssen, der Ende Juni präsentier­t werden soll.

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FOTO: DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) nimmt ihren Platz im NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss im Deutschen Bundestag in Berlin ein.

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