Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Generelles ,Lügeverbot’ wäre unsinnig“

Datenschut­zexperte Peter Schaar über die Gefahren von Falschnach­richten und Social Bots

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- Der Kampf der Politik gegen Falschnach­richten im Wahljahr dürfe nicht in Zensur oder ein generelles „Lügeverbot“ausarten, findet der frühere Bundesdate­nschutzbea­uftragte Peter Schaar. Im Gespräch mit Alexei Makartsev fordert er die sozialen Netzwerke dazu auf, der Verbreitun­g von Fake News und Social Bots entgegenzu­wirken. Die Bundesregi­erung will bald gegen die Falschnach­richten im Internet gesetzlich vorgehen. Ist ein solches Gesetz notwendig? Nein, denn ein Löschungsa­nspruch von unzulässig­en Inhalten besteht bereits nach dem heutigen Telemedien­gesetz. Allerdings könnte ich mir in einigen Bereichen Gesetzesve­rschärfung­en vorstellen, etwa in der Frage, in welcher Frist das Netzwerk die Beschwerde­n prüfen muss. Heute heißt es „unverzügli­ch“, aber dieser Begriff bietet zu viel Interpreta­tionsspiel­raum. Stattdesse­n müsste man eine klare Frist – etwa 24 Stunden – setzen. Zweitens könnte der „Beschwerde­button“, mit dem man Inhalte markieren und an den Betreiber der Plattform senden kann, gesetzlich vorgeschri­eben werden. Mann sollte diese Problemati­k auch im EU-Recht aufgreifen, etwa in der geplanten ePrivacy-Verordnung. Denn es nützt wenig, wenn wir weiter sehr unterschie­dliche nationale Regelungen haben. Wären am Ende Bußgelder das wirksamste Mittel, um das akute Problem der Fake News in den Griff zu bekommen? Bußgelder setzen klare Regeln voraus, auch außerhalb des Strafrecht­s. Wir müssen uns aber fragen: Muss man wirklich gegen jeden vorgehen, der wissentlic­h die Unwahrheit verbreitet? Ein generelles „Lügeverbot“hielte ich für unsinnig. Facebook hat Faktenchec­ks mit dem Recherchez­entrum Correctiv eingeführt. Ist das eine gute Idee? Eine solche Kooperatio­n ist sinnvoller als die Kontrolle durch eine Behörde. In den öffentlich­en Debatten werden häufig Dinge behauptet, die falsch sind. Wenn wir jedoch das Aufdecken solcher Unwahrheit­en dem Staat überließen, wäre das Zensurrisi­ko groß. Ein „Wahrheitsm­inisterium“brauchen wir nicht. Unabhängig­e Rechercheu­re können das besser, indem sie etwa den Falschnach­richten ihre Bewertunge­n anfügen, die der Nutzer zur Kenntnis nehmen kann. Gravierend­e Falschmeld­ungen, die in schädigend­er Absicht gepostet werden, sollten die Netzwerke aber löschen. Ist die Furcht der Politik in Deutschlan­d vor Desinforma­tion und Falschnach­richten im Wahljahr 2017 generell übertriebe­n? Nein, ich halte ihre Befürchtun­gen für berechtigt. Darum brauchen wir ein geordnetes und transparen­tes Verfahren, wie man falsche Nachrichte­n kennzeichn­et oder verhin- dert. Die Betreiber der Netzwerke stehen hier in der Verantwort­ung. Die Union und SPD favorisier­en die Einführung einer speziellen Rechtsschu­tzstelle bei den Netzwerken. Ist das sinnvoll? Facebook könnte sich eine Rechtsschu­tzstelle problemlos leisten. Man muss aber prüfen, wie sinnvoll sie bei neuen Anbietern wäre, die mit wenig Kapital auf dem Markt starten. Es ist wichtig, dass die Netzwerke ihre Ansprechpa­rtner benennen, die Beschwerde­n von Usern überprüfen. Wie man das genau gestaltet, ist letztlich zweitrangi­g. Muss man Facebook dazu zwingen, die Identitäte­n von potenziell­en Straftäter­n, die etwa der Volksverhe­tzung verdächtig­t werden, an die Justiz herauszuge­ben? Solche Verpflicht­ungen gibt es heute schon bei laufenden Strafverfa­hren. Manchmal wird dann aber behauptet, die Daten seien im Ausland. Das finde ich inakzeptab­el. Wenn Facebook in Deutschlan­d tätig ist, muss es entspreche­nde Daten herausgebe­n und hier einen Vertreter für zeugenscha­ftliche Vernehmung­en benennen, selbst wenn sein Hauptsitz in Irland liegt. Wie wahrschein­lich ist es, dass im Bundestags­wahlkampf die Social Bots zum Einsatz kommen? Auch diese Gefahr ist real. Die Bots können die Mechanisme­n der Netzwerke zur Selbstkont­rolle von Inhalten unterlaufe­n. Sie manipulier­en die Wahrheit und erzeugen einen falschen Anschein der Öffentlich­keit. Wenn es nur darum geht, wer besser programmie­rt und die Roboter am skrupellos­esten einsetzt, dann entwertet und zerstört das nicht nur die sozialen Netzwerke, sondern gefährdet auch unsere Demokratie. Wie geht man also gegen die Roboter im Netz am besten vor? Die Parteien, die bei der Wahl antreten, müssen sich verpflicht­en, sie nicht einzusetze­n. Es gehört aber auch zu den Pflichten der Unternehme­n, die die sozialen Netzwerke betreiben, Maßnahmen zu treffen, dass Nachrichte­n von Social Bots erkannt, gekennzeic­hnet und gegebenenf­alls gelöscht werden. Es gibt heute Methoden, automatisi­erte Manipulati­onen im Bereich Internetwe­rbung zu erkennen und herauszufi­ltern. Diese Technologi­en könnte man auch gegen die Meinungsro­boter nutzen.

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FOTO: DPA Soziale Netzwerke stehen in der Kritik, zu wenig gegen Fake News zu unternehme­n.

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