Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Hastor greift bei Alno durch
In Enger fallen bis zu 75 Jobs weg – Küchenbauer verlagert Teile des Service nach Bosnien
- Im nordrhein-westfälischen Enger, dem Standort der Alno-Tochter Wellmann, sind erste Details zu den Verhandlungen über einen Stellenabbau beim Pfullendorfer Küchenmöbelhersteller bekannt geworden. Demnach sollen in Enger bis zu 75 Stellen gestrichen werden. Der Kundenservice soll zum Teil offenbar nach Bosnien verlegt werden. Das berichtete Frank Branka, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Herford, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“am Donnerstag.
„Bei einer Versammlung der Mitarbeiter hat der Arbeitgeber die Belegschaft über die aktuellen Pläne informiert und Fragen beantwortet“, sagte Branka. Finanzvorstand Christian Brenner habe bekannt gegeben, dass bei Wellmann bis zu 75 Stellen wegfallen sollen – überwiegend in der Verwaltung. Die Verhandlungen mit dem Konzernbetriebsrat in Pfullendorf, die parallel zu den Gesprächen in Enger stattfinden, wurden laut Gewerkschaftssekretär am Donnerstag fortgesetzt. Heute geht es weiter. Wann mit einer Einigung gerechnet werden könne, sei allerdings noch nicht absehbar, sagte Branka. Weiter Service-Teams im Inland? Alno äußerte sich nicht zu den laufenden Verhandlungen. Die interne Mitarbeiterversammlung in Enger wolle er nicht kommentieren, sagte Pressesprecher Markus Gögele der „Schwäbischen Zeitung“. „Allerdings ist der Eindruck entstanden, dass der Kundenservice komplett ins Ausland verlagert werden soll. Das stimmt nicht“, sagte Gögele. „Es wird auch weiterhin Kundenservice-Teams im Inland geben.“Alno betreibt sogenannte Kunden-Service-Center, in denen Küchen individuell geplant und Bestellungen abgewickelt werden – auch in Pfullendorf. Wie Frank Branka berichtete, will Alno diese Service-Center aus Kostengründen teilweise nach Bosnien verlegen. Die bosnische Unternehmerfamilie Hastor und ihre Investmentgesellschaft Tahoe hatten Alno im vergangenen Jahr zunächst 35 Millionen Euro geliehen und sich dann über Aktienkäufe und eine Stimmbindungsvereinbarung die Kontrolle über das Unternehmen gesichert. Tahoe installierte Christian Brenner als neuen Finanzchef und besetzt inzwischen auch die Mehrheit der Posten im Aufsichtsrat. Gleichzeitig forderte der Investor eine erneute Restrukturierung. Im Januar wurde bekannt, dass das Unternehmen 350 Stellen abbauen will, davon 100 im Ausland. Seitdem laufen die Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der IG Metall.
Der Stellenabbau soll sich vor allem auf die Verwaltung konzentrieren. An welchem der drei deutschen Standorte – Pfullendorf, Enger und Coswig (Sachsen-Anhalt) – wie viele Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, ist noch offen. In Enger beschäftigt Alno 450 Mitarbeiter, davon rund 150 in der Verwaltung. Dort würde nach Auskunft von Frank Branka also etwa die Hälfte der Stellen gestrichen. In Pfullendorf arbeiten bei Alno 800 Frauen und Männer, davon etwa 250 in der Verwaltung. Bei einem ähnlich großen Stellenabbau wie in Enger würden also rund 125 Arbeitsplätze wegfallen. Am Standort Coswig arbeiten für den Küchenmöbelhersteller rund 250 Angestellte.
Die Bilanz des oberschwäbischen Traditionskonzerns liest sich vor allem in den vergangenen Jahren verheerend: Seit das schwäbische Unternehmen Mitte der 1990er-Jahre an die Börse ging, kämpft der Küchenhersteller gegen Überkapazitäten und um dauerhaft schwarze Zahlen. Trotz vieler Managementwechsel und Umbauten hat Alno aber in den vergangenen Jahren nur Verluste gemacht, die Schulden summieren sich mittlerweile auf eine Höhe von mehr als 150 Millionen Euro. 2015 erwirtschaftete Alno bei einem Umsatz von gut 521 Millionen Euro einen Nettoverlust von 4,4 Millionen Euro. Zahlen für 2016 hat Alno bislang noch nicht bekannt gegeben.