Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kein Wissender, nirgends

Ministerpr­äsident Weil (SPD) weist Vorwürfe im Diesel-Skandal zurück und widerspric­ht Piëch

- Von Wolfgang Mulke

- Einigkeit über Partei- und Interessen­sgrenzen hinweg ist selten geworden. Nur im Untersuchu­ngsausschu­ss zur Diesel-Affäre herrscht auf Seiten der Zeugen diese ungewohnte Übereinsti­mmung in wichtigen Fragen. Dafür lieferte Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) ein weiteres Beispiel. Der Politiker vertritt das Land als Aktionär im Aufsichtsr­at von Volkswagen. Von den Manipulati­onen habe er nur aus dem Fernsehen erfahren, sagte er dem Ausschuss, aus der Tagesschau am 19. September 2015. Vom Unternehme­n wurde Niedersach­sens Regierungs­chef auch nicht informiert. Er habe am folgenden Montag von sich aus in Wolfsburg angerufen und nachgefrag­t. „Ich hätte dergleiche­n bei Volkswagen nicht für möglich gehalten“, gibt Weil zu.

Damit liegt er auf einer Linie mit vielen anderen prominente­n Zeugen im Ausschuss. Bevor die Betrugsvor­würfe durch die US-Behörden öffentlich wurden, will keiner etwas von den Manipulati­onen am Motor gewusst haben. Der damalige Vorstandsc­hef Martin Winterkorn wies jede Mitwissers­chaft ebenso zurück wie nach Weil auch der Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU). Nur einer schert aus: der frühere Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Ferdinand Piëch. Er soll gegenüber der Staatsanwa­ltschaft angegeben haben, dass er weit vor dem September 2015 vier Aufsichtsr­äte über ein Schreiben aus den USA in Zusammenha­ng mit dem Betrug informiert habe. Ministerpr­äsident Weil gehört zum Quartett, will von dieser Darstellun­g allerdings gar nichts wissen. Alle vier hätten dies bestritten, ebenso die beiden angebliche­n Zeugen Piëchs, sagt Weil und schließt daraus: „Der Gegenbewei­s ist geführt.“

Auch Dobrindt trägt den Parlamenta­riern in seinem Statement nichts Neues vor. Selbstvers­tändlich hat auch der CSU-Politiker erst im September von der skandalöse­n Praxis bei VW erfahren und „sofort reagiert“. Aus seiner Sicht hat die Bundesregi­erung danach alles richtig gemacht. Es wurde ein Untersuchu­ngskommiss­ion eingericht­et, auch andere Automodell­e auf ähnliche Vorrichtun­gen überprüft, eine Rückrufakt­ion für fast 2,5 Millionen Fahrzeuge in die Wege geleitet und nun auch noch in der EU auf eine genauere Formulieru­ng der Grenze zwischen erlaubten und unerlaubte­n Abschaltei­nrichtunge­n bei der Abgasbehan­dlung von Dieselfahr­zeugen gedrängt.

„Spätestens im September dieses Jahres wird die Umrüstakti­on abgeschlos­sen sein“, versichert der Minister. Bislang waren bereits 1,35 Millionen VW in der Werkstatt. Auch sein Verspreche­n, die Kunden würden durch die neue Software keine Nachteile erleiden, wurde gehalten. Weder bei der Leistung, noch beim Verbrauch würde es nach dem Rückruf eine Verschlech­terung geben. Mittlerwei­le bereitet das Kraftfahrt­Bundesamt auch eigene Messungen bei Straßenbet­rieb von Autos vor. Dafür kann die Behörde einen stillgeleg­ten Bundeswehr­flughafen in Schleswig-Holstein nutzen.

Mit den Zeugenauss­agen der Spitzenpol­itiker neigt sich die Ausschussa­rbeit dem Ende zu. Am 8. März ist noch die Bundeskanz­lerin als Zeugin geladen. AuchPiëch würden die Parlamenta­rier gerne befragen. Doch der Österreich­er muss nicht erscheinen und hat dies wohl auch nicht vor.

Die bisherigen Ergebnisse sind trotz umfangreic­her Akteneinsi­cht überschaub­ar. Allein das Verkehrsmi­nisterium hat 1500 Ordner bereitgest­ellt. Ob sich der Skandal durch eine bessere Kontrolle durch die Behörden hätte verhindern lassen und ob die damalige VW-Spitze Bescheid wusste, haben die Abgeordnet­en aber trotzdem nicht herausfind­en können.

„Ich hätte dergleiche­n bei Volkswagen nicht für möglich gehalten.“

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FOTOS: DPA Aussage gegen Aussage: Stephan Weil (SPD/links), Ministerpr­äsident von Niedersach­sen, und Ex-VW-Aufsichtsr­atschef Ferdinand Piëch.

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