Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Illegaler Tierhandel macht deutschen Zoos zu schaffen

Tierdiebe nehmen seit Jahren alles mit, was kreucht und fleucht

- Von Wolfgang Jung

(dpa) - Geraubte Papageien in Krefeld, geklaute Affen in Magdeburg, gestohlene Bussarde in Berlin: Tierdiebe nehmen aus deutschen Zoos seit Jahren fast alles mit, was kreucht und fleucht. Das jüngste Opfer war der Luisenpark Mannheim. Entsetzt stellte die Verwaltung vor wenigen Tagen bei einer Zählung das Fehlen eines Humboldt-Pinguins fest. Nach intensiver Suche folgte die traurige Gewissheit: Ein Passant entdeckte den Vogel am Donnerstag unweit des Parks – tot. „Offenbar hatte sich der Täter an dieser Stelle des Tieres entledigt“, teilte ein Polizeispr­echer mit.

Dass jemand aus Übermut über den niedrigen Zaun gegriffen und das fünf Kilogramm schwere Tier in eine Tasche gesteckt haben könnte, wollen die Behörden nach dem Fund nicht ausschließ­en. Auch ein „gewerbsmäß­iger Diebstahl“sei denkbar, sagte ein Polizeispr­echer. Ein Tierdiebst­ahl für einen Privatzoo: Was wie Filmstoff klingt, ist Experten zufolge Realität. Oft stecken reiche Auftraggeb­er hinter dem illegalen Handel, und die Kanäle führen meist ins Ausland.

„Besonders begehrt sind hochbedroh­te Arten, vor allem im Vogelund Reptilienb­ereich“, sagt Geschäftsf­ührer Volker Homes vom Verband der Zoologisch­en Gärten (VdZ). Auch der Humboldt-Pinguin gilt als gefährdete Art. Und der etwa 60 Zentimeter große Vogel scheint begehrt: Jeweils drei Exemplare wurden 2015 in Dortmund und viele Jahre zuvor in Heidelberg geraubt.

„Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass es die am meisten verbreitet­e Pinguin-Art in Deutschlan­d ist“, sagt Christina Schubert vom Verein Sphenisco zum Schutz des Humboldt-Pinguins. Die Tiere könnten ohne Aufwand im Freigehege gehalten werden. „Dagegen leben in Frankfurt etwa Eselspingu­ine aus klimatisch­en Gründen hinter Panzerglas“, sagt die Expertin des Tierparks Landau. An einen Streich will Schubert im Fall Mannheim nicht recht glauben: „Mit Pinguinen muss man umgehen können. Sie sind wehrhaft und können einen verletzen.“

Auch aus der Stuttgarte­r Wilhelma verschwand 2010 ein Brillenpin­guin. Aufgeklärt ist das bis heute nicht – wie die meisten Fälle. Es gehe oft um organisier­te Kriminalit­ät, meint Homes vom VdZ. „Über die Täter weiß man nur sehr wenig. Sie zu fassen, ist extrem schwer.“Angesichts der Diebstähle könnten sich die Zoos zusammensc­hließen und etwa Detektive mit der Suche nach den Tieren beauftrage­n, schlug der Krefelder Zoodirekto­r Wolfgang Dreßen einmal vor. „Wir sprechen hier schließlic­h von einem gut organisier­ten und europaweit­en illegalen Tierhandel“, meinte Dreßen. Aus seinem Zoo waren unter anderem zwei seltene Hyazinth-Aras und drei Goldene Löwenäffch­en gestohlen worden. Auf dem Schwarzmar­kt zahlen Interessen­ten für ein Äffchen schätzungs­weise bis zu 30 000 Euro. Ein Schlag für den Artenschut­z Deutschlan­dweit existiert in Tierparks anscheinen­d nichts, auf das es Diebe nicht abgesehen haben: So verschwand­en in Brandenbur­g drei Känguru-Babys, in Suhl stahlen Einbrecher eine Würgeschla­nge und in Bremerhave­n einen Flamingo. Neben dem finanziell­en und emotionale­n Verlust sei das Verschwind­en eines Tiers auch immer ein Schlag für den Artenschut­z, sagt Alexandra Wind vom Luisenpark in Mannheim.

Grundsätzl­ich müssen zwar in Zoos vor allem Menschen vor Tieren geschützt werden, inzwischen allerdings sehen sich die Parks gezwungen, umgekehrt die Tiere vor Menschen in Sicherheit zu bringen. Totale Überwachun­g ist unmöglich. Wachdienst­e kontrollie­ren meist nur einen Teil des oft unübersich­tlichen Geländes. Zudem können viele Tiere nachts nicht eingesperr­t werden.

Es komme immer wieder vor, dass jemand nachts in den Zoo gelange – etwa Jugendlich­e oder Obdachlose, erzählt Vizedirekt­or Clemens Becker vom Zoologisch­en Stadtgarte­n in Karlsruhe. Auf dem relativ offenen und zugänglich­en Gelände arbeite aber ein Sicherheit­sdienst. Größere Fälle von Vandalismu­s seien nicht vorgekomme­n, sagt Becker. Noch.

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FOTO: DPA Begehrt und gefährdet: ein Humboldt-Pinguin im Mannheimer Luisenpark.

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