Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Illegaler Tierhandel macht deutschen Zoos zu schaffen
Tierdiebe nehmen seit Jahren alles mit, was kreucht und fleucht
(dpa) - Geraubte Papageien in Krefeld, geklaute Affen in Magdeburg, gestohlene Bussarde in Berlin: Tierdiebe nehmen aus deutschen Zoos seit Jahren fast alles mit, was kreucht und fleucht. Das jüngste Opfer war der Luisenpark Mannheim. Entsetzt stellte die Verwaltung vor wenigen Tagen bei einer Zählung das Fehlen eines Humboldt-Pinguins fest. Nach intensiver Suche folgte die traurige Gewissheit: Ein Passant entdeckte den Vogel am Donnerstag unweit des Parks – tot. „Offenbar hatte sich der Täter an dieser Stelle des Tieres entledigt“, teilte ein Polizeisprecher mit.
Dass jemand aus Übermut über den niedrigen Zaun gegriffen und das fünf Kilogramm schwere Tier in eine Tasche gesteckt haben könnte, wollen die Behörden nach dem Fund nicht ausschließen. Auch ein „gewerbsmäßiger Diebstahl“sei denkbar, sagte ein Polizeisprecher. Ein Tierdiebstahl für einen Privatzoo: Was wie Filmstoff klingt, ist Experten zufolge Realität. Oft stecken reiche Auftraggeber hinter dem illegalen Handel, und die Kanäle führen meist ins Ausland.
„Besonders begehrt sind hochbedrohte Arten, vor allem im Vogelund Reptilienbereich“, sagt Geschäftsführer Volker Homes vom Verband der Zoologischen Gärten (VdZ). Auch der Humboldt-Pinguin gilt als gefährdete Art. Und der etwa 60 Zentimeter große Vogel scheint begehrt: Jeweils drei Exemplare wurden 2015 in Dortmund und viele Jahre zuvor in Heidelberg geraubt.
„Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass es die am meisten verbreitete Pinguin-Art in Deutschland ist“, sagt Christina Schubert vom Verein Sphenisco zum Schutz des Humboldt-Pinguins. Die Tiere könnten ohne Aufwand im Freigehege gehalten werden. „Dagegen leben in Frankfurt etwa Eselspinguine aus klimatischen Gründen hinter Panzerglas“, sagt die Expertin des Tierparks Landau. An einen Streich will Schubert im Fall Mannheim nicht recht glauben: „Mit Pinguinen muss man umgehen können. Sie sind wehrhaft und können einen verletzen.“
Auch aus der Stuttgarter Wilhelma verschwand 2010 ein Brillenpinguin. Aufgeklärt ist das bis heute nicht – wie die meisten Fälle. Es gehe oft um organisierte Kriminalität, meint Homes vom VdZ. „Über die Täter weiß man nur sehr wenig. Sie zu fassen, ist extrem schwer.“Angesichts der Diebstähle könnten sich die Zoos zusammenschließen und etwa Detektive mit der Suche nach den Tieren beauftragen, schlug der Krefelder Zoodirektor Wolfgang Dreßen einmal vor. „Wir sprechen hier schließlich von einem gut organisierten und europaweiten illegalen Tierhandel“, meinte Dreßen. Aus seinem Zoo waren unter anderem zwei seltene Hyazinth-Aras und drei Goldene Löwenäffchen gestohlen worden. Auf dem Schwarzmarkt zahlen Interessenten für ein Äffchen schätzungsweise bis zu 30 000 Euro. Ein Schlag für den Artenschutz Deutschlandweit existiert in Tierparks anscheinend nichts, auf das es Diebe nicht abgesehen haben: So verschwanden in Brandenburg drei Känguru-Babys, in Suhl stahlen Einbrecher eine Würgeschlange und in Bremerhaven einen Flamingo. Neben dem finanziellen und emotionalen Verlust sei das Verschwinden eines Tiers auch immer ein Schlag für den Artenschutz, sagt Alexandra Wind vom Luisenpark in Mannheim.
Grundsätzlich müssen zwar in Zoos vor allem Menschen vor Tieren geschützt werden, inzwischen allerdings sehen sich die Parks gezwungen, umgekehrt die Tiere vor Menschen in Sicherheit zu bringen. Totale Überwachung ist unmöglich. Wachdienste kontrollieren meist nur einen Teil des oft unübersichtlichen Geländes. Zudem können viele Tiere nachts nicht eingesperrt werden.
Es komme immer wieder vor, dass jemand nachts in den Zoo gelange – etwa Jugendliche oder Obdachlose, erzählt Vizedirektor Clemens Becker vom Zoologischen Stadtgarten in Karlsruhe. Auf dem relativ offenen und zugänglichen Gelände arbeite aber ein Sicherheitsdienst. Größere Fälle von Vandalismus seien nicht vorgekommen, sagt Becker. Noch.