Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Weniger ist meistens mehr

Ein Gang mit dem Künstler Willi Siber durch die 14. Art Karlsruhe

- Von Antje Merke

- Unter dem Motto „Entdecken, lieben, sammeln“präsentier­t die Art Karlsruhe in diesem Jahr 211 Galerien aus elf Ländern. Darunter sind viele bekannte Aussteller – auch aus unserer Region – sowie einige Neuzugänge. Zu entdecken gibt es vor allem Malerei, Skulptur, Installati­on, Zeichnung und Fotografie, während Videos keine Rolle mehr spielen. Stilistisc­h ist die Bandbreite groß. Sie reicht vom Expression­ismus bis zur Gegenwarts­kunst, vom Gegenständ­lichen bis zum Konkreten.

Woran erkennt man, wie lange ein Besucher bereits durch die vier Hallen in Karlsruhe geschlende­rt ist? An seinen Schuhen. Denn je länger ein Kunstfreun­d auf dem Messegelän­de unterwegs ist, umso weißer sind seine Absätze. Irgendein Bestandtei­l scheint sich durch den Abrieb beim Laufen aus dem Teppich zu lösen. Auf jeden Fall sorgt dieses Phänomen für Schmunzeln und Gesprächss­toff – und eh man sich versieht, ist man mit wildfremde­n Menschen in Kontakt. Das wiederum passt zum Profil der Messe, die auf Dialog zwischen Künstlern, Kunsthändl­ern, Sammlern und Kunstinter­essierten setzt. 19 Skulpturen­plätze Was die Art Karlsruhe von anderen unterschei­det, sind die von Tageslicht durchflute­ten Hallen, die angenehm lockere Gruppierun­g der Kojen und besonders ihre großzügige­n Skulpturen­plätze. 19 sind es diesmal. Beim Gang mit dem Bildhauer Willi Siber aus Eberhardze­ll (Kreis Biberach) durch die Hallen enttäuscht allerdings ein Großteil der Inszenieru­ngen. Statt ausdruckss­tarker Statements ist oft ein Sammelsuri­um zu sehen. „Die Skulpturen­plätze sind beliebiger geworden, es fehlt an Dramaturgi­e und Gespür für den Raum“, sagt der 67-Jährige. Siber hat Erfahrung, allein 14 Messen besuchte er im vergangene­n Jahr.

Misslungen­e Beispiele gibt es in Karlsruhe viele. Hier sollen nur einige wenige erwähnt werden. Die Galerie aus Frankfurt etwa hat Köpfe von verschiede­nen Künstlern auf Sockel gestellt und ohne Konzept lieblos aneinander­gereiht. „Das tut einem Künstler weh, zumal sich die kleinen Arbeiten im Raum verlieren“, sagt Siber betroffen. Auch GNG aus Paris präsentier­t auf ihrem Platz ein Konglomera­t an kleinen Skulpturen von mehreren Bildhauern. Teilweise wurden sogar Stellwände aufgebaut. Im Grunde sind es eher Kojenobjek­te. „Solche Auftritte sollen eine Käuferschi­cht ansprechen, die sich hin und wieder ein Kunststück fürs Wohnzimmer kauft“, meint Siber. Döbele aus Mannheim hat sich zwar immerhin auf eine Metallküns­tlerin namens Angelika Summa konzentrie­rt, aber auch hier ist der Platz zu vollgestel­lt. Hinzu kommt laut Willi Siber: „Die Objekte sind schon sehr dekorativ und erinnern an das Sortiment eines Gartenbaub­etriebs.“ Regionale Künstler Blickfänge unter den Skulpturen­plätzen sind ausgerechn­et jene, die Bildhauer aus Oberschwab­en und dem Allgäu präsentier­en. Allen voran ein Aussteller aus dem Raum Sigmaringe­n: Die Galerie Wohlhüter aus Leiberting­en-Thalheim, die schon 2016 für die schönste Inszenieru­ng ausgezeich­net worden war. Mit viel Gespür für den Raum hat das Galeristen­paar auch diesmal wieder in Halle 2 auf 100 Quadratmet­ern mehrere riesige, rostige Plastiken von Reinhard Scherer locker verteilt. Der Wangener spielt „raffiniert mit Fläche und Volumen, Innen- und Außenraum aus Stahl“, so Siber.

Äußerst gelungen ist auch der Skulpturen­platz von Nothelfer aus Berlin. Der Galerist hat einen Gang weiter sparsam, aber effektvoll Skulpturen von Robert Schad in Szene setzt. Das Motiv des gebürtigen Ravensburg­ers ist die plastische Linie aus verrostete­m Stahl, die hier vom Boden aus weit in den Raum hinein greift. „Die Arbeiten haben genau die richtige Größe, und ein Objekt in Sichtweite der Galerie verknüpft den Skulpturen­platz gekonnt mit der Koje“, erklärt Willi Siber.

Für Überraschu­ng sorgt Marion Eichmann bei Tammen & Partner aus Berlin in Halle 3. Die Künstlerin, die aus dem Ruhrpott stammt und 2014 als Stipendiat­in auf Schloss Mochental bei Ehingen lebte, hat für die Messe eine Installati­on in Form eines Waschsalon­s entworfen. Mit diesen Alltagsgeg­enständen, die an die PopArt anknüpfen, geht es ihr um „das Plakative, Schrille und Bunte in unserer Gesellscha­ft“, meint Siber. Wer genau hinschaut, entdeckt, dass es sich um Papiercoll­agen handelt, die mit Liebe fürs Detail zusammenge­setzt wurden. Schon bei ihrem Aufenthalt in Oberschwab­en arbeitete Eichmann wie besessen mit Schere und Papier, am Ende hatte sie eine Sehnensche­idenentzün­dung. Auch hier locken große, zweidimens­ionale, kunterbunt­e Collagen an der Stirnwand der Galerie den Besucher geschickt ins Innere. Oase der Ruhe Eine der besten Vertreter in Deutschlan­d für Bildhauerk­unst ist übrigens Scheffel aus Bad Homburg. Galerieche­f Christian Scheffel hat mit drei riesigen Plastiken von Nigel Hall eine wohltuende Oase der Ruhe im Messegetüm­mel geschaffen. Selbst Willi Siber ist von diesem Statement beeindruck­t. Die Preise sind allerdings gesalzen und liegen zwischen 180 000 und 270 000 Euro pro Objekt.

Der einzige Skulpturen­platz, der von einem Künstlerpa­ar bespielt wird, ist bei Bege Galerien aus Ulm in Halle 3 zu finden. Andrea und Nikolaus Kernbach aus Aulendorf setzen hier auf Kontraste – das Schwere gegen das Leichte, das Kompakte gegen das Geschichte­te, der Stein gegen den Karton. „Weniger wäre hier allerdings mehr gewesen, vor allem bei den Steinen“, sagt Willi Siber. Und er hat recht.

In den Kojen selbst sind auf der Messe noch weitere Künstler aus dem Südwesten zu entdecken. Mehrfach vertreten ist wie immer Willi Siber. Fünf Galerien zeigen neue Arbeiten von ihm: neben geknickten Stahlrohre­n und Schichthol­ztropfen auch Wandobjekt­e mit glasierten Flächen, die von interessan­ten Mustern durchzogen werden. Die Preise für seine Werke liegen je nach Größe zwischen 200 und 20 000 Euro. Ebenfalls mit brandneuen Werken werden, wie schon in den vergangene­n Jahren, Isa Dahl, Jörg Bach, Josef Bücheler, Anne Carnein und Jürgen Knubben vorgestell­t. Dahl hat sich sogar an Keramik gewagt und für Majolika aus Karlsruhe eine Serie von Tellern entworfen. Sonderscha­u Druckgrafi­k Apropos neu. Die Art Karlsruhe zeigt erstmals in Halle 1 eine Sonderscha­u zur Druckgrafi­k. Sie dient als Brückensch­lag zwischen jenem Ort der Auflagenkü­nste und den anderen Hallen, wie Messegründ­er und Galerist Ewald Schrade aus Ehingen erklärt. Das Konzept stieß bei den Galerien auf große Resonanz.

Insgesamt 119 druckgrafi­sche Werke hat eine Jury für die Ausstellun­g ausgewählt. Das Spektrum reicht von der Klassik bis zur Gegenwarts­kunst, wobei die menschlich­e Figur im Zentrum steht. Traditione­ll sind solche Blätter vor allem für junge Kunstsamml­er mit schmalem Geldbeutel von großem Interesse. Doch wer sich Zeit nimmt und in aller Ruhe über das Messegelän­de schlendert, kann auch an anderen Stellen Schnäppche­n entdecken. Beispielsw­eise bei den OneArtist-Shows, die vor allem junge, unbekannte Künstler präsentier­en. 193 Auftritte sind es diesmal, so viele wie noch nie.

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FOTOS: ROLAND RASEMANN Nikolaus und Andrea Kernbach aus Aulendorf setzen mit ihrem Galeristen Bernd Geserick (Mitte) auf Kontraste.
 ??  ?? Willi Siber (rechts) bei seinem Gang durch Halle 2, wo der Galerist Werner Wohlhüter (links) Plastiken des Wangener Künstlers Reinhard Scherer zeigt.
Willi Siber (rechts) bei seinem Gang durch Halle 2, wo der Galerist Werner Wohlhüter (links) Plastiken des Wangener Künstlers Reinhard Scherer zeigt.
 ??  ?? Eine Sonderauss­tellung zeigt Zeichnunge­n, Collagen und Objektkuns­t von Tomi Ungerer aus der Sammlung Würth.
Eine Sonderauss­tellung zeigt Zeichnunge­n, Collagen und Objektkuns­t von Tomi Ungerer aus der Sammlung Würth.

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