Schwäbische Zeitung (Laupheim)
EuGH macht Frauen wenig Hoffnung
Chancen auf Schmerzensgeld wegen billiger Brustimplantate sind gesunken
(dpa) - Im Skandal um reißanfällige Brustimplantate müssen betroffene Frauen weiter um Schmerzensgeldzahlungen bangen. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs widerspricht in weiten Teilen der Argumentation vieler Klägerinnen, die vom TÜV Rheinland Schadenersatz fordern. Gleichzeitig stellten die Richter fest, dass Prüfstellen wie der TÜV unter bestimmten Bedingungen von nationalen Gerichten für haftbar befunden werden können. Das war bislang strittig gewesen. Es ist auch an nationalen Gerichten, über mögliche Zahlungen zu entscheiden.
Sowohl Vertreter klagender Frauen als auch der TÜV Rheinland selbst werteten die EuGH-Entscheidung positiv. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil und sehen uns in den entscheidenden Punkten bestätigt“, teilte der TÜV Rheinland mit.
Der Prüfverein hatte das Qualitätssicherungssystem des französischen Implantatherstellers Poly Implant Prothèse (PIP) zertifiziert und überwacht. Dabei hatte er nach eigenen Angaben nie Hinweise darauf gefunden, dass über Jahre billiges Industriesilikon in die Kissen gefüllt worden war.
In dem Urteil der Luxemburger Richter heißt es, dass Prüfstellen wie der TÜV nicht grundsätzlich verpflichtet sind, Medizinprodukte selbst zu prüfen oder unangekündigte Inspektionen bei den Herstellern vorzunehmen (Rechtssache C-219/ 15). Dem TÜV Rheinland war in Dutzenden Verfahren vorgeworfen worden, solche Maßnahmen bei PIP nicht ergriffen zu haben. Die EURichter urteilten, dass ein Institut wie der TÜV Rheinland nur dann „alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen“muss, wenn Hinweise vorliegen, dass ein Medizinprodukt die vorgeschriebenen Anforderungen nicht erfüllt. Patientenanwalt Zierhut sagte: „Jetzt muss man beweisen, dass es da Hinweise gab.“ Klägerin fordert 40 000 Euro Hintergrund des Verfahrens am EuGH war die Klage einer Frau vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Sie hatte ihre PIP-Brustimplantate auf ärztlichen Rat entfernen lassen und fordert vom TÜV Rheinland 40 000 Euro Schmerzensgeld. Ihr Vorwurf vor Gericht: Mit überraschenden Kontrollen in den PIP-Betriebsstellen und Überprüfungen der Implantate hätte der TÜV Rheinland den Pfusch erkennen können.
Weltweit hatten sich Hunderttausende Frauen die Implantate einsetzen lassen. Nachdem der Skandal im März 2010 durch die zuständige französische Behörde aufgedeckt wurde, ließen sich viele von ihnen die Kissen wieder entnehmen. Allein in Deutschland und Frankreich waren es etwa 20 000 Frauen. In Frankreich wurde der TÜV Rheinland im Januar zur Schadenersatzzahlung in Höhe von 60 Millionen Euro verurteilt. Er legte Rechtsmittel ein.