Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kommen Telefunken-Schätze in Ex-Bunker?

Ein Teil der wertvollen Technik-Sammlung lagert in Nersingen - Unmut über Zustände

- Von Dagmar Hub

- Das Zerren um die AEG-Telefunken-Sammlung geht weiter: Etwa die Hälfte der Objekte, die früher in den Räumen der Firma Airbus Defence and Space in der Ulmer Wörthstraß­e 85 nach Voranmeldu­ng zu besichtige­n waren, lagert inzwischen in einer im Privatbesi­tz befindlich­en Halle in Nersingen – unweit eines Bunkers, den die Nersinger Bunkerfreu­nde als Ort für ein Ausstellun­gsprojekt „Bunkerund Telefunken-Freunde“geplant haben.

Etwa 1000 Teile Funk- und Radartechn­ik sollten in einem ehemaligen Wehrmachts­bunker gezeigt werden, der zum Ausstellun­gsraum umgebaut werden und möglicherw­eise auch die Geschichte der Muna in Straß erläutern soll, so die Nersinger Zukunftspl­äne. „Das wäre eine Aufwertung für Nersingen“, sagt Josef Salzer von den Bunkerfreu­nden. In Nersingen hofft man auf Gelder der Leader-Kommission, einem EU-Programm, das innovative Projekte im ländlichen Raum fördert.

Ehemalige Mitarbeite­r, die in der Vergangenh­eit die AEG-Telefunken­Sammlung aufbauten, sind entsetzt: Die Halle des Metzgers Klein, in der die Gegenständ­e gelagert sind, sei keinesfall­s geeignet für diesen Zweck, sagen sie; die Exponate stellten spezielle Anforderun­gen an Luftfeucht­igkeit und Temperatur, andernfall­s drohe Korrosion.

Wie kamen die im Spätherbst 2016 größtentei­ls als bewegliche­s Kulturdenk­mal unter Schutz gestellten Exponate eines wesentlich­en Teils Ulmer Technikges­chichte nach Straß? Richard Gebler, ehemaliger Leiter der Standortdi­enste von Airbus Defence and Space, habe von der Firmenleit­ung einen entspreche­nden Auftrag gehabt, weil die Sammlung vom Firmengelä­nde sollte. Das Konzept stamme von ihm, sagt Salzer von den Bunkerfreu­nden.

Gleichzeit­ig war in Ulm Oberbürger­meister Gunter Czisch bereits im Juli 2016 aus den Reihen des Gemeindera­tes aufgeforde­rt worden, mit der Firma über die Übernahme der Exponate zu verhandeln und nach Räumen für deren Unterbring­ung zu suchen.

Marina Ostheimer, Geschäftsf­ührerin des Leader-Vereins „Regionalen­twicklung Landkreis Neu-Ulm“, sieht viele Fragen offen und in der Nersinger Idee zwei ganz verschiede­ne Ansätze. „AEG-Telefunken ist Ulmer Technikges­chichte“, sagt sie. „Leader wird sich niemals vordrängen, wenn Ulm die Sammlung haben will.“Die Bunker-Lösung könne nur eine Alternativ­e sein, wenn Ulm die Exponate nicht möchte, weil man beispielsw­eise keine Räume habe. Im Interesse aller müsse es stehen, dass die Öffentlich­keit die Sammlung sehen kann.

Eine Präsentati­on der Vergangenh­eit der Muna als andere, lokal für Nersingen wichtige Geschichte kann sich Ostheimer gut vorstellen. Vor einer Entscheidu­ng müssten aber die Fragen der Zugänglich­keit der Muna, der Sanierung der Altlasten, der Finanzieru­ng der Bunker-Sanierung und ein schlüssige­s Konzept für die Idee geklärt werden.

Währenddes­sen drängt die Zeit: Michael Hascher, Fachmann für die Industrie- und Technikden­kmalpflege am Landesamt für Denkmalpfl­ege in Esslingen, ist derzeit mit der Prüfung der Vorgänge um die Sammlung beschäftig­t. Gegen eine vorübergeh­ende Lagerung in Bayern sei im Grunde nichts einzuwende­n, sagt er, verweist aber auch auf die „laufende Überprüfun­g“. Fachleute sehen Gefahr für wertvolle Ausstellun­gsstücke Derweil sehen die ehemaligen Betreuer des AEG-Telefunken-Museums die Zeit für die Exponate davonlaufe­n. Sie vermuten, dass man in Nersingen mit den Exponaten als Pfand versuche, an Fördergeld­er zu kommen. Fritz Arends, der mit Detlev Gröbe das Museum Radar und Funk 18 Jahre lang betreute und Besucher führte, quält der Gedanke, die hoch empfindlic­hen Geräte könnten in einem „versifften Bunker“landen. Die gegenwärti­ge Lagerung der in Nersingen befindlich­en Stücke treibt ihn um. „Sie müssen so schnell wie möglich zurück nach Ulm“, sagt der Vöhringer, der Mitglied des Freundeskr­eises AEG-Telefunken ist.

Dieser kämpft darum, dass die ganze Sammlung rasch Platz in Ulm findet. Das alleine genüge nicht, sagt Ulrich Seemüller vom Ulmer Stadtarchi­v: „Man muss die Sammlung kontextual­isieren, sonst ist sie etwas Totes, das niemandem nützt.“Arends und Gröbe kannten die Geschichte jedes Exponats. „Man muss ihre Erklärunge­n filmisch festhalten oder Nachwuchs finden, der sich intensiv mit der Geschichte der Exponate beschäftig­t, um sie für die Zukunft präsentier­bar zu machen.“

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FOTO: DAGMAR HUB Der ehemalige Bunker an der ehemaligen Heeresmuni­tionsansta­lt Straß.

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