Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Geschlagen vom Bisonfarmer
Lowell Bailey holt sensationell Biathlon-Gold, Erik Lesser wird Vierter
(SID/dpa/sz) - Einst Bisonfarmer, jetzt Weltmeister: Niemand, am wenigsten wohl Lowell Bailey selbst, hätte geglaubt, dass er im Alter von 35 Jahren tatsächlich noch Weltmeister wird. Noch dazu im schwersten aller Biathlon-Rennen über 20 Kilometer. Nie zuvor hatte der Amerikaner auch nur im Weltcup gewonnen, in Hochfilzen setzte er sich ohne Schießfehler durch und verwies Ondrej Moravec (Tschechien) und Martin Fourcade (Frankreich) auf die Plätze.
„Ich warte auf jemanden, der mich aufweckt. Das ist der perfekte Tag meiner Karriere. Es war ein unglaubliches Rennen mit dem fehlerfreien Schießen“, sagte Bailey, der den ersten WMTitel im Biathlon für die USA überhaupt einfuhr: „Es gibt so viele Leute, denen ich danken muss, die mich über Jahrzehnte unterstützt haben.“Als Erstes fiel er im Ziel in Österreich seiner Frau Erika und der kleinen Tochter Ophelia in die Arme. Sie haben ihm besonders Kraft gegeben. „Ich werde diesen Tag niemals vergessen, und ich bin einfach froh, dass ich nicht aufgehört habe. Ich bin so dankbar“, sagte Bailey.
Im vorigen Jahr hatte er schon über das Ende seiner langen Laufbahn nachgedacht, entschied sich aber doch dagegen. „Ich danke meiner Frau dafür. Wir mussten ein bisschen kreativ werden, denn für mich ist es wichtig, Teil der Familie zu sein und Ophelia aufwachsen zu sehen“, sagte Bailey: „Es gibt mir viel, dass meine Familie jeden Tag hier ist und mich unterstützt. Nach einem schlechten Tag kann man nach Hause kommen, und trotzdem ist alles in Ordnung.“
Der Amerikaner, der einst auf der familieneigenen Bisonfarm arbeitete und diese einmal übernehmen wollte, fällt vor allem dadurch auf, dass er im Feld einer der wenigen Linksschützen ist. Bislang war ein zweiter Platz im Sprint von Kontiolahti im Winter 2013/14 sein einziger Podestplatz – nun folgte die späte Krönung für den Mann, der sich als Athletensprecher für die Belange der Skijäger aus allen Nationen einsetzt.
Dementsprechend wurde Bailey von seinen Kontrahenten im Ziel gefeiert, keiner neidete ihm diesen Triumph. „Ich gönne es ihm total, weil er eigentlich schon mal aufgehört hatte. Er ist ein super Kerl“, sagte Erik Lesser, der Vierter wurde. Doppel-Olympiasieger Fourcade sagte: „Ich kenne Lowell und die Dinge, für die er steht. Er ist sehr gut für den Sport und es ist toll, dass auch jemand gewinnt, der nicht aus Europa kommt. Das macht Biathlon größer.“
Bailey hatte das Podest in Hochfilzen zuvor als Vierter im Sprint und Sechster der Verfolgung knapp verpasst – jetzt will er auch bei Olympia 2018 in Pyeongchang glänzen. „Wir haben ein großartiges Team in den USA und wollen gerne noch mehr solche Erfolge feiern“, sagte er.
Lesser war auch als Vierter glücklich. Mit einem Dauerstrahlen lief der 28-Jährige durch den Zielbereich, von Enttäuschung über die verpasste Medaille keine Spur. „Ich wollte ein gutes Rennen abliefern, und das ist mir gelungen. Es hat am Ende einfach nicht sollen sein.“10,8 Sekunden fehlten dem ehemaligen Doppelweltmeister zum Podest, einen Schießfehler hatte er sich geleistet. Enttäuschung? „Überhaupt nicht. Diese Gedanken lasse ich nicht an mich ran“, sagte Lesser: „Nach meiner schlechten Verfolgung mit Rang 28 war eine Medaille ohnehin nicht mein Ziel. Ich bin superzufrieden und kann nach so einem Rennen die Staffel viel leichter angehen.“Tatsächlich stehen die Chancen am Samstag (14.45 Uhr/ARD und Eurosport) deutlich besser, wenn der Thüringer mit dem Team um Edelmetall kämpft.