Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Job, zwei Welten

Nicole Rolser hat sich im Profifußba­ll etabliert – Doch nicht alle Stars beim FC Bayern München verdienen Millionen

- Von Theresa Gnann

- Robben, Lahm und Boateng haben an diesem Dienstag längst Feierabend. Rolser, Leupolz und Behringer keuchen dagegen auf dem Kunstrasen­platz an der Säbener Straße. Die Luft ist eisig. Eingepackt in Handschuhe, Jacken und Mützen absolviert die Frauenfußb­allmannsch­aft des FC Bayern München ihr Abendtrain­ing. Sechs Flutlichts­trahler beleuchten den Dampf ihrer Atemluft. Nicole Rolser, den Ball dicht am Fuß, dribbelt in Richtung Tor. „Nici, Körper rein, setz dich durch“, schreit Cheftraine­r Thomas Wörle. Nicole Rolser täuscht eine Körperdreh­ung an, lässt ihre Mitspieler­in stehen, schießt und verfehlt das Tor nur knapp.

Zwei Stunden zuvor sitzt sie entspannt in der Küche ihrer kleinen Dachgescho­sswohnung im Münchner Süden. Am neonorange­nen Trainingsd­ress prangt das Logo des Fußballrie­sen. Ebenso an der grauen Hose. Die 25-Jährige, die aus dem oberschwäb­ischen Mietingen im Landkreis Biberach stammt, ist Mittelstür­merin beim FC Bayern München. Auf der gleichen Position trifft in der Männermann­schaft Robert Lewandowsk­i. Bis zu 15 Millionen Euro soll ihm der Verein dafür jährlich überweisen. Wenn Nicole Rolser zum Mittagesse­n im Trainingsz­entrum sitzt, sieht sie den Polen mit seiner Mannschaft trainieren. „Natürlich find’ ich ungerecht, dass die Männer so viel mehr Geld bekommen“, sagt sie, „wir trainieren in vielen Phasen sogar mehr als die Jungs.“Aber sie kann von ihrem Gehalt leben. Nicht selbstvers­tändlich im Frauen-Profifußba­ll. „Und wie viele Mädchen träumen von dem Leben, das ich hier führen darf?“, fragt sie.

Küche, Bad, zwei Schlafzimm­er und ein kleines Wohnzimmer. Die 25-Jährige lebt zusammen mit einer Mannschaft­skollegin auf einer Fläche, in etwa so groß, wie man sich Cathy Hummels’ Kleidersch­rank vorstellt. Kaum etwas erinnert daran, dass in dieser Wohnung zwei Fußballpro­fis leben. Das Sofa im Wohnzimmer ist aus Europalett­en selbst gebaut. An der Wand hängen Bilder der Familie und von Freunden. Die Sporttasch­e liegt gepackt neben einem Regal, auf dem sich die Schuhe stapeln. Chucks, Sneaker, Turnschuhe – nur High Heels sucht man hier vergebens. Erste Deutsche beim FC Liverpool Die große Schwester Nadine nahm sie einst in der Heimat mit zum Training der Jungs. Da war Nicole Rolser sechs. Sie spielte beim SV Mietingen. Das kleine Mädchen mit den flinken Beinen setzt sich gegen die Jungs durch, spielt schon bald beim VfL Munderking­en in der Oberliga, der damals höchsten Juniorinne­nliga. Mit 16 Jahren unterschre­ibt sie einen Vertrag beim VfL Sindelfing­en in der zweiten Bundesliga. „Erst da ist mir klar geworden, dass ich Profispiel­erin werden kann.“

Dann geht alles ganz schnell: Sie macht Abitur am Sportinter­nat in Stuttgart und spielt für den Nachwuchs der Nationalma­nnschaft. 2010 wechselt sie zum Bundesligi­sten SC 07 Bad Neuenahr, bei dem sie auf Anhieb Stammspiel­erin wird. Nach der U20-WM 2012 in Japan erhält sie ein Angebot aus England. Aus der Industries­tadt Liverpool, wo das Herz des englischen Fußballs schlägt. Frauenfußb­all ist in England im Kommen. Sie unterschre­ibt als erste Deutsche einen Vertrag in der Profiliga, holt mit Liverpool zweimal den englischen Meistertit­el und wird zur Spielerin des Jahres gewählt. „TransferSc­hock“titelt ein englisches Sportmagaz­in, als sie 2015 beschließt, das Angebot aus München anzunehmen.

Vergangene Saison wurden die Bayern Meister, feierten gemeinsam mit den Männern auf dem Rathausbal­kon. Die Bilder von Nicole Rolser mit ihren Kameradinn­en und der Männermann­schaft im Hintergrun­d gingen um die Welt. Am Samstag beginnt für die Bayern-Frauen mit dem Spiel beim SC Freiburg (12 Uhr) die Rückrunde in der Bundesliga. Es gilt, fünf Punkte Rückstand auf Tabellenfü­hrer Potsdam gutzumache­n. Vier Fans in der Champions League Nicole Rolser tritt durch das rotbeleuch­tete Portal der FCB-Zentrale. „Servus, Nici“, grüßt ein untersetzt­er Mann in roter Fankleidun­g. „Servus, Nico“, grüßt sie zurück. Nico Remiger hat seit Jahren kein Spiel der Bayern-Frauen verpasst. Fast jeden Tag schaut er beim Training zu. „Die Männer schaue ich nur an, wenn die Frauen spielfrei haben“, sagt der Altenpfleg­er, „das sind durch und durch bodenständ­ige Sportlerin­nen, die hart für ihre Ziele arbeiten. Das beeindruck­t mich, deshalb bin ich Fan.“Das Grünwalder Stadion in München-Giesing, in dem die Frauen ihre Heimspiele bestreiten, ist selten ausverkauf­t. Rund 600 Zuschauer sehen sich die Spiele in der Regel an. Platz hätten 12 500. Bei Auswärtssp­ielen sind es oft noch viel weniger. „Ganz krass war’s beim ChampionsL­eague-Spiel in Moskau letztes Jahr. Ich glaube, da waren wir im BayernBloc­k nur zu viert“, erzählt Nico Remiger. Nebenher jobbt sie im Management Unterhachi­ngs Zwischen den Trainingse­inheiten gehen viele der Spielerinn­en arbeiten oder studieren. Auch wenn sie momentan von ihrem Sport leben können, müssen sie vorsorgen für die Zeit danach. Viele beenden mit 30 Jahren ihre Karriere. „Dann muss man vorbereite­t sein“, sagt Nicole Rolser. Doch so lange man Profi ist, sei es schwer, einen Job zu finden. Das viele Training, die Trainingsl­ager, dazu Auswärtssp­iele, gerade wenn man in der Champions League spielt. „Das machen nicht viele Arbeitgebe­r mit.“

Doch Nicole Rolser ist fleißig, und sie hatte Glück. Vor einem Jahr hat sie ihr BWL-Studium abgeschlos­sen. Jetzt arbeitet sie beim Regionalli­gisten SpVgg Unterhachi­ng im Management. Zwölf Stunden in der Woche organisier­t sie für den Münchner Vorstadtcl­ub Spieltage, verschickt Trainingsp­läne und setzt sportärztl­iche Untersuchu­ngen an. Der Job macht ihr Spaß und stimmt sie zuversicht­lich: „Fußballeri­sch ist mein größter Traum der Sieg in der Champions League. Privat hoffe ich einfach, dass mein Leben nach der Karriere nahtlos weitergeht.“

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Perfekte Schusshalt­ung: Bayerns Stürmerin Nicole Rolser, links im Champions-League-Spiel gegen Gabrielle Onguene von Rossiyanka. Im Bild rechts ist sie mit Melanie Leupolz aus Wangen zu sehen.
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FOTOS (2): IMAGO

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