Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wenn der Boss zum Betrüger wird
Erneut ist eine Firma im Landkreis Neu-Ulm Opfer einer Verbrecherbande geworden
- Die Mail kommt unscheinbar daher. Der Chef schreibt in gewohnter Manier, Betreff wie immer, ein oder zwei Fragen. Das war’s. Die nächste Mail beginnt ähnlich – nur diesmal geht’s ans Eingemachte. Der Vorgesetzte hätte gerne eine Überweisung an ein Konto im Ausland. Ein Geschäftskunde, schreibt er. Und: Das Ganze muss streng geheim bleiben. Weil die Mail eben vom Chef kommt, überweist der Mitarbeiter das Geld ans angegebene Konto – und hat damit, ohne es zu wissen, einen folgenschweren Fehler begangen. Denn der vermeintliche Chef ist eine Betrügerbande aus dem Ausland, die gerade um mehrere Tausend Euro reicher wurde.
Diese sogenannten „Cheftricks“(oder „CEO-Frauds“) kommen derzeit in der Region häufiger vor. Erst vergangene Woche wurde eine große Firma aus dem nördlichen Landkreis Neu-Ulm Opfer von Betrügern. Wie Thomas Mayer, Chef der Abteilung Cybercrime bei der Neu-Ulmer Kriminalpolizei, auf Nachfrage mitteilt, haben die bislang unbekannten Täter aus Ungarn 50 000 Euro vom Unternehmen gefordert – und auch bekommen. Doch weil der Mitarbeiter im Nachhinein stutzig wurde und die Polizei einschaltete, konnten die Ermittler über das Geldinstitut Kontakt zur Landesbank aufnehmen, die die Transaktion ins Ausland stoppte.
Allein in diesem Jahr sei es bereits zu sechs Ermittlungsverfahren im Allgäu und den Landkreisen NeuUlm und Günzburg gekommen. Die Betrüger scheuen dabei vor nichts zurück. Wie Mayer erklärt, stecken oft organisierte Tätergruppen dahinter, die sich gezielt eine Firma aussuchen und diese über Monate hinweg ausspähen. „Sie hacken sich in den Mail-Server ein und sehen sich mehrere Monate lang die Nachrichten an“, sagt Mayer. Dabei achten die Betrüger auf den Ton, der in der Mail angeschlagen wird, ob der Chef per Du mit den Mitarbeitern ist und vor allem, wer für die Finanzen zuständig ist. „Haben sie genug interne Informationen zusammen, suchen sie sich meist das kleinste Licht in der Hierarchie aus, das dennoch verantwortlich für Überweisungen ist.“Dieser Mitarbeiter erhalte dann vom „falschen“Chef eine Mail mit der Aufforderung, Geld zu überweisen. Damit das Ganze nicht die Runde im Unternehmen macht, tarnen die Betrüger die Sache als „streng geheim“.
Auf diese Weise seien in den USA bereits 120 Millionen Dollar an eine Bande überwiesen worden. Um rund 3,8 Millionen Euro wurde Mitte 2016 eine Firma im Landkreis geprellt. Diese hat letztlich nur einen Teil des Betrages wieder zurückbekommen. Die Masche mit den „falschen Chefs“gebe es bereits seit gut fünf Jahren, sagt Mayer. Doch weil allein in den vergangenen zweieinhalb Monaten sechs Unternehmen Opfer dieser Machenschaften wurden, bei denen es im Gesamten um über eine Million Euro ging, warnt das Polizeipräsidium Kempten derzeit ausdrücklich vor den dreisten Maschen der Betrüger.
Mayer von der Kripo Neu-Ulm glaubt, dass die Zahl derer, die bereits auf solche Mails hereingefallen sind, viel höher ist. Manche Firmen melden die Vorfälle aber nicht, um keinen Wirbel darum zu machen. Dabei zähle bei Verbrechen dieser Art jede Minute, sagt der Cybercop. „Wir können dann entsprechende Maßnahmen ergreifen, die über den Kontakt zur Bank hinausgehen.“