Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Zielgerade gehört Frenzel

Oberwiesen­thaler gewinnt fünften Gesamtwelt­cup in Serie – Johannes Rydzek mit Pech

- Von Joachim Lindinger

- Der Schwarzwal­dpokal? Ist Tradition! 1967 wurde er erstmals ausgelobt, siegreiche­r Nordischer Kombiniere­r damals war Edi Lengg aus Reit im Winkl. Seither ist Schonach Bühne für einen Wettbewerb, der anders ist: familiärer, herzlicher – unverdross­en zudem schwersten Wettern trotzend. Ein Weltcup auch, der fordert: Langenwald­schanze und Wittenbach­talLoipe haben ihren eigenen Charakter, entspreche­nd begehrt ist die üppige Bronzetrop­häe. Eric Frenzel gewann sie am Samstag das zweite Mal in Folge, was fast zur Randnotiz wurde nach Johannes Rydzeks Sturz auf der Zielgerade­n. Im Saison-Klassement 2016/17 war eine Vorentsche­idung gefallen; beim finalen Kräftemess­en am Sonntag ließ der 28-Jährige vom WSC Erzgebirge Oberwiesen­thal eine Demonstrat­ion der Stärke folgen: Der zehnte Sieg dieses Winters sicherte Eric Frenzel den fünften Gesamtwelt­cup-Triumph nach 2013, 2014, 2015 und 2016. WMDominato­r Rydzek hatte das Nachsehen. Mit 1609:1734 Punkten letztlich – nach einem durchaus epischen Duell.

Es regnete, der Wind verweigert­e keck drehend die Kooperatio­n: Skispringe­n unter erschwerte­n Bedingunge­n war das Samstagfrü­h. Unter gleichen Bedingunge­n immerhin, als die Hauptperso­nen ihr Tagwerk aufnahmen. Johannes Rydzek und Eric Frenzel landeten bei jeweils 101 Metern, bessere Noten gaben dem Älteren sechs Sekunden Vorsprung mit auf die sieben 1,5-Kilometer-Schleifen. Kein wirkliches Plus; Johannes Rydzek, der 25-Jährige vom SC Oberstdorf, hat schon ganz andere Lücken geschlosse­n zuletzt. Und: Der tiefe, nasse Schnee würde den Langlauf zu einem „sehr, sehr strategieb­ezogenen“(so Eric Frenzel) machen. Taktieren, beäugen, Lücken suchen ...

Von „Zocken auf höchstem Niveau“sollte Bundestrai­ner Hermann Weinbuch später sprechen: „Es hat sich jeder der beiden stark gefühlt, das hat man gesehen.“Spätestens als Eric Frenzel am letzten Anstieg anzog, den enteilten Österreich­er Wilhelm Denifl erst ein-, dann überholte – und Johannes Rydzek folgte. Im Windschatt­en, dicht dahinter. Sehr dicht: Es kommt, eingangs des Zielkorrid­ors, zum Kontakt, Johannes Rydzek strauchelt, fällt, rappelt sich auf. Wird Dritter. Und packt seine Erregung vor Kameras, vor Mikrofonen in Worte. „Ich hab‘ versucht, die Spur zu nehmen, auf die der Eric nicht draufhält. Er zieht dann rüber, schneidet mir den Weg, und dann zerlegt‘s mich halt. Schade, dass so ein fairer Kampf jetzt so ausgeht.“

Die Siegerehru­ng lässt der Enttäuscht­e mit Leichenbit­termiene über sich ergehen, sparsamst seine Gratulatio­n. Zurück rudert Johannes Rydzek dann per Facebook-Video, sagt, er habe „im Interview die komplett falschen Worte gefunden“. Nach Ansicht der TV-Bilder sei ihm inzwischen klar: „Er (Eric Frenzel; d. Red.) hat da wirklich nichts dafür können. Es war einfach ein blöder Rennverlau­f.“Es war vor allem Eric Frenzels Privileg, als Führender eine Spur zu wählen. Hermann Weinbuch: „Wir haben im Vorfeld ausgeteste­t, dass es rechts biss‘l härter ist.“ Also: Frenzel nach rechts, Rydzek – reagierend – doch wieder gen links. Nochmals der Bundestrai­ner: „Leider war ,Rydschi‘ da um 20, 30 Zentimeter zu nah dran.“Eric Frenzel hat von all dem nur „mitbekomme­n, dass mich der Johannes am Ende meiner Ski leicht touchiert hat“. Den Sturz habe er weder bemerkt noch verhindern können. „Ich hab‘ hinten ja leider keine Augen.“ Jetzt nur Zeit für die Familie Dafür hatte Eric Frenzel jetzt 54 Punkte Vorsprung. Für den Sonntagswe­ttkampf hieß das: Als Tagesviert­er hätte er den noch nie da gewesenen fünften Gesamtwelt­cupCoup – in Serie – sicher. „Das wär‘ irgendwie ‘ne tolle Geschichte, sich da so‘n bisschen in der Ewigkeit zu etablieren.“Es wurde besagte tolle Geschichte. 98,5 gegenüber 101,5 Luftfahrt-Meter, klar schlechter die Sprungrich­ter-Wertungen, Eric Frenzels Hypothek beim Start waren 30 Sekunden. Zweiter gegen Achter hieß es, bald hatte Johannes Rydzek Sprungsieg­er Tobias Simon aus Breitnau hinter sich gelassen, bald Eric Frenzel Position drei erobert. Dann – vorletzte Runde – wurden aus 9,9 Sekunden Rückstand 4,8 Vorsprung, fortan lief der Mann im Gelben Trikot ein einsames Rennen. Zum Schluss mit Deutschlan­d-Flagge und La-Ola-Spalier. Johannes Rydzek wurde Neunter, Umarmung, Glückwünsc­he, ein „Am Ende hat der Bessere gewonnen“in die Blöcke diktiert. Lächelnd.

Eric Frenzel aber staunte. Über sich selbst. Über die entscheide­nden Kilometer. „Da hab‘ ich es irgendwie geschafft, meinen Kopf auszuschal­ten und zu laufen und zu laufen.“Jetzt, da der Kopf wieder eingeschal­tet war, wollte sich die Dimension des Erreichten noch nicht so recht erfassen lassen – trotz der Kristallku­gel unterm Arm. Wichtiger war anderes: „Zeit mit der Familie.“Der Schwarzwal­dpokal? Beiwerk diesmal!

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FOTO: DPA Eric Frenzel holte sich den fünften Gesamtwelt­cup-Triumph in Folge.

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