Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Erdogan steht allein da

- Von Hendrik● Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Lassen wir Spekulatio­nen über Absichten und Hintergrün­de beiseite. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Türkei mit seinen Ausfällen gegen alle, die ihm nicht passen, in die Isolation geführt. Das großspurig­e Fabulieren über die angebliche Macht seines Landes hilft ihm vielleicht bei einigen seiner Landsleute, internatio­nal macht er sich damit lächerlich. Das zerrüttete Verhältnis zu Europa wird er auf lange Zeit nicht kitten können, und auch sonst steht Erdogan mittlerwei­le eher alleine da.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat den türkischen Staatschef schon lange – trotz verbaler Freundscha­ftsbekundu­ng – auf ein gewisses Normalmaß zurechtges­tutzt. Erdogan träumt vom Einfluss in Syrien, die Russen machen ihm aber die Tür zu. Baschar al-Assad ist dort weiterhin an der Macht, und die Kurden stabilisie­ren sich in autonomen Regionen.

Nach dem Abschuss einer russischen Maschine Ende 2015 hatte Putin mit einem Bündel von Maßnahmen Erdogan vorgeführt. Kleinlaut musste der Türke in Moskau Abbitte leisten, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Jetzt im Wahlkampf hat der frühere Bürgermeis­ter von Istanbul an einer solchen Verschärfu­ng aber großes Interesse. Er braucht die aggressive und europafein­dliche Stimmung, um sein antidemokr­atisches Referendum gewinnen zu können.

Dass die Regierungs­partei AKP alle Wahlkampfa­uftritte in Europa abgesagt hat, ist ein Zeichen dafür, dass von türkischer Seite nun an der nächsten Provokatio­n gebastelt wird: dem Bruch mit der Europäisch­en Union. Die EU-Mitgliedsl­änder sollten deshalb schon alleine aus Gründen der Selbstacht­ung handeln. Wenn sie der Türkei die sogenannte­n Vor-Beitrittsh­ilfen in Höhe mehrerer Milliarden Euro streichen würden, wäre dies ein Zeichen, das auch in Ankara verstanden würde. Ohnehin ist unter der aktuellen Führung eine EU-Mitgliedsc­haft der Türkei utopisch. Es ist tragisch: Der über Jahre erfolgreic­he Modernisie­rer Erdogan wirft sein Land mutwillig um Jahrzehnte zurück.

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