Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Manu soll’s richten

Nach schweren Wahlnieder­lagen bekommen in der CDU zunehmend junge Nachwuchsp­olitiker ihre Chance

- Von Katja Korf

- Manuel Hagel sitzt zwischen Herren mit lichtem grauen Haar. Bürgermeis­ter, Schulleite­r, Vorsitzend­er des Elternvere­ins. Der einzige Mann am Tisch, der die Haare wie Hagel trägt, ist 13 Jahre alt und Schülerspr­echer. Am Samstag soll der Ehinger CDU-Landtagsab­geordnete mit 28 Jahren zum jüngsten Generalsek­retär gewählt werden, den seine Partei in BadenWürtt­emberg je hatte. Nach zwei herben Wahlnieder­lagen im Land kein einfaches Amt für einen aus der schwäbisch­en Provinz. Als Generalsek­retär sitzt er dort, wo Strategien entstehen und Wahlkämpfe gelingen oder scheitern. Der Jugendstil reicht aber weiter als nur in die Landesgesc­häftsstell­e: Die Delegierte­n aus den Kreisverbä­nden segnen am Samstag auch die Landeslist­e für die Bundestags­wahlen im Herbst ab. Auch hier drängen junge Kandidaten bis ganz nach oben, darunter der Wangener Christian Natterer. Die vier mächtigen Bezirksvor­sitzenden der Landes-CDU sind alle unter oder knapp über 40.

Ein Aufbruch gegen die Kanzlerinn­endämmerun­g oder nur junge Gesichter fürs Schaufenst­er? Titel des Stimmenkön­igs In Oberdischi­ngen und Umgebung ist alles, wie es immer war. Zumindest die Wahlergebn­isse. Die CDU liegt hier traditione­ll bei Ergebnisse­n von bis zu 80 Prozent Zustimmung. Hier holte sich Hagel mit 36,3 Prozent bei den Landtagswa­hlen 2015 den Titel des Stimmenkön­igs im Land. Den hatte allerdings auch sein Vorgänger Karl Traub zuvor abgeräumt. Diesen Erbhof der Christdemo­kraten beackern im Jahr 2017 der jüngste CDU-Landtagsab­geordnete und die jüngste Bundestags­abgeordnet­e Deutschlan­ds gemeinsam. Ronja Kemmer (27), geborene Schmitt, rückte nach dem Tod von Andreas Schockenho­ff in den Bundestag nach und darf im Herbst das Direktmand­at auf der Alb verteidige­n. Gemeinsam mit Hagel besucht sie an diesem sonnigen Vorfrühlin­gstag Menschen im Wahlkreis. Hagel zitiert einen Prälaten, der über die Faszinatio­n Alb gesagt habe: „Der Geruch nach Schafen.“So gehe es ihm auch, er möge die Menschen und ihre Bodenständ­igkeit. Hagels Schäfchen begegnet man an diesem Tag rund um Ehingen tatsächlic­h überall, sie kennen ihn hier. Aber es riecht eher nach gedüngtem Feld als nach wolligem Schaf.

Das Etikett des Jungen aus der Provinz passt Hagel ganz gut in den Kram. Er pflegt es selbst in der Landeshaup­tstadt und nutzt eine vermeintli­che Schwäche zur Imagebildu­ng. „Ich spreche bewusst Dialekt“, sagt er. Ihn störe es nicht, wenn Journalist­en sich beschweren, man verstehe Hagels Alb-Schwäbisch kaum. In Stuttgart spielt er schon in seiner ersten Legislatur­periode als Abgeordnet­er auf der großen Bühne, seit ihn Landeschef Thomas Strobl im Frühsommer 2016 überrasche­nd als seinen Generalsek­retär benannt hat. Wenn der Parteitag Hagel am Samstag bestätigt, hat dieser bereits ein knappes Jahr im Amt hinter sich. Aufgeregt, ein wenig unsicher, mit auswendig gelernt wirkenden Sätzen stellte sich Hagel damals der Landespres­se vor. Sichtbar bemüht, dem neuen Chef Strobl zu gefallen. Neben der Jugend und dem Dialekt waren da noch etwas linkische Aussagen wie jene zum Frauenante­il in der CDU. Danach gefragt antwortete Hagel ehrlich, aber wenig feministis­ch: „Ich habe gerade geheiratet, Frauen sind mir wichtig.“ Jung, aber schwach? Nach diesem Auftritt und Hagels ersten Wochen stand für viele im politische­n Stuttgart das Urteil fest. Da holt sich Strobl einen jungen, aber schwachen Mann an seine Seite, der als Mitglied des Bezirksver­bandes Württember­g-Hohenzolle­rn den Regionalpr­oporz bedient. Der lange den gescheiter­ten Spitzenkan­didaten Guido Wolf unterstütz­te und damit dessen Lager befrieden könnte. Der aber leicht zu lenken ist und macht, was Strobl sagt. Denn dieser braucht um sich herum loyale Mitstreite­r. Auch ein Jahr nach der historisch niedrigen 27-Prozent-Schlappe bei den Landtagswa­hlen sind die Gräben in der Partei noch nicht gänzlich zugeschütt­et. Strobl wird vor allem von jenen sehr kritisch beäugt, die den damaligen Spitzenkan­didaten Guido Wolf unterstütz­ten und nach dessen Niederlage nicht in eines der erhofften Regierungs­ämter kamen. Auch wenn die Stimmen weniger werden, so hadern dennoch einige in der Landtagsfr­aktion mit Strobl.

Hagels sorgsam gepflegte Frisur und die gut sitzenden Hugo-BossAnzüge gefallen nicht jedem. „Das kommt nicht überall sofort an“, sagt einer aus der Fraktion. Aus der Führungset­age des Landesverb­andes gab es vernetzt auch inhaltlich­e Kritik. Dem Papier aus Hagels Feder zum Umgang mit Reichsbürg­ern „fehle es an Flughöhe“, er trete zu konservati­v auf. Aber selbst solche Stimmen werden leiser. Inge Gräßle, Vorsitzend­e der Frauenunio­n im Land und nie verlegen, wenn aus ihrer Sicht Kritik am Kurs der eigenen Partei angebracht ist, sagt: „Hagel ist ein großes politische­s Talent.“ Mit 24 Sparkassen­direktor Denn ein knappes Jahr später hat Hagel eine steile Lernkurve hinter sich. Er spricht souveräner, geht gelassener mit Strobl um und mit der Presse. Beobachter aus seinen kommunalpo­litischen Anfängen bescheinig­en ihm, es über die Jahre vom leidlichen Gemeindera­ts-Vortragend­en zum landespoli­tischen, versierten Redner gebracht zu haben. Rasch lernen, das muss einer können, der nach der mittleren Reife parallel zur Ausbildung ein BWL-Studium an der Frankfurt School of Finance and Management durchzieht, mit 24 Sparkassen­direktor wird, mit 27 gegen den Willen des Platzhirsc­hen dessen CDU-Nachfolger im Landtag wird und mit 28 Generalsek­retär. Hinter den Kulissen muss so einer auch Netzwerke knüpfen können, Fäden ziehen und mal austeilen. „Diese Klaviatur kann ich spielen, wenn es sein muss“, sagt Hagel über sich. Wenn er das in Ehingen gemacht hat, dann aber so geschickt, dass er als skandalfre­i gilt.

Fleißig, überall im Land unterwegs, unzählige Termine in Ortsund Kreisverbä­nden: Das sagen viele über Hagel und sein erstes Jahr als Generalsek­retär. „Manuel Hagel hat sich viel Respekt erarbeitet. Es ist viel von Aufbruchst­immung zu hören“, berichtet Nina Warken. Die 37Jährige soll auf Platz vier der CDULandesl­iste in den Bundestag einziehen. Ein deutliches Signal für die Jungen und die Frauen in der Partei, dass Warken es so weit nach oben geschafft hat. „Das Ergebnis der Landtagswa­hlen 2011 hat schon dazu geführt, dass die Partei sich intensiv mit sich und ihren Problemen beschäftig­t hat – mit der Außendarst­ellung, der Organisati­on, dem Frauenante­il. Wenn alles gut läuft, sieht man dazu ja oft keine Notwendigk­eit“, sagt Warken zur Frage, was den Verjüngung­sprozess ausgelöst habe. „Das war auch reinigend.“Aber es gebe noch einiges zu tun: „Beim Frauenante­il im Parlament hat die CDU Baden-Württember­g noch Luft nach oben.“Tatsächlic­h sind nur 23 Prozent der Parteimitg­lieder im Land Frauen. Auf der Landeslist­e stehen mehr Kandidatin­nen als Kandidaten (55 Prozent), aber nur für drei Direktmand­ate treten Frauen an. Die Wahlkreise sind für die CDU wichtiger als die Listenplät­ze, weil traditione­ll sehr viele Kandidaten den Weg direkt in den Bundestag schaffen und die Liste deshalb weniger Bedeutung hat. Auch im Landtag ist der Anteil der Parlamenta­rierinnen mit 17 Prozent sehr gering.

Einen sichtbaren Beleg für das Frauenprob­lem lieferte der politische Aschermitt­woch, von der CDU als größter politische­r Stammtisch des Landes beworben. Ein Abschlussb­ild ohne Damen, das war bei aller Bierseligk­eit und Nähe zum männlich dominierte­n Publikum dann doch ein weniger schönes Zeichen. Ein Zeichen der Erneuerung Ronja Kemmer ist eine der Frauen, von denen die CDU noch zu wenige hat. Die jüngste Abgeordnet­e des deutschen Bundestage­s sieht durchaus Bewegung in ihrer Partei. Nicht nur in Bund und Land, sondern auch in vielen Kommunen drängten junge CDU-Bürgermeis­ter an die Spitze – wie zuletzt in Sigmaringe­ndorf. Dass sie und Hagel gut zusammenar­beiten, ist für beide ein Zeichen der Erneuerung. Während es früher oft Rangeleien zwischen Landtags- und Bundestags­abgeordnet­en der CDU gab, sei das jetzt anders. „So etwas wollen die Menschen nicht mehr“, sagt Kemmer. Als Beleg für die gute Zusammenar­beit deutet Hagel auf eine Tankstelle, die scheinbar im Nirgendwo steht. „Auch so eines unserer Projekte. Ich habe mich um landesrech­tliche Regeln gekümmert, Ronja um den Bund.“Denn für Hagel und Kemmer ist das Nirgendwo ein Irgendwo: Die Tankstelle steht nun an der wichtigen Bundesstra­ße statt wie aus genehmigun­gsrechtlic­hen Gründen zunächst vorgesehen auf der anderen Seite des Ortes.

Hier, in der gerne belächelte­n Provinz, ist Hagel erkennbar zu Hause. Jagen, Fasnet, Fußball, Hagel war oder ist dabei in den wichtigen Vereinen. Und eben in der Jungen Union. Deren bundesweit­es Netzwerk soll ihm langfristi­g liefern, was die Provinz nicht bieten kann: Kontakte nach Berlin, Erfahrunge­n mit dem ganz großen politische­n Parkett. Den CDU-Finanzpoli­tiker Jens Spahn und Bundesgene­ralsekretä­r Peter Tauber bezeichnet er als gute Freunde.

Lange weg aus Ehingen war der Manu, wie ihn mittlerwei­le sogar Thomas Strobl nennt, allerdings noch nicht. Genau wie seine Jugend wird das alles nichts zählen, wenn er Erfolg hat. Sicher ist aber auch: Wenn es allzu schlecht läuft bei den kommenden Bundestags­wahlen, werden ihn viele attackiere­n. Auch, um seinen Chef Strobl zu schwächen. Schon am Samstag wird sich am Wahlergebn­is zeigen, wie zufrieden die Basis mit Thomas und Manu ist.

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FOTO: ARCHIV CDU-Nachwuchsh­offnung Manuel Hagel mit seiner Frau Franziska.
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Stehen für die Zukunft der CDU (von links): Ronja Kemmer, Christian Natterer und Nina Warken.
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FOTOS: PR
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