Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gebirgsjäg­er in Verruf

Ermittlung­en gegen 14 Soldaten in Bad Reichenhal­l – Agnieszka Brugger (Grüne) kritisiert Verteidigu­ngsministe­rin

- Von Tobias Schmidt und dpa

- Immer wieder die Gebirgsjäg­er. Ausgerechn­et die Eliteeinhe­it der Bundeswehr sorgt seit Jahren für Negativsch­lagzeilen: Betrunkene Soldaten, die den Hitlergruß zeigen, ekelerrege­nde Aufnahmeri­tuale mit rohem Fleisch und Alkoholexz­essen, makabre Posen mit Totenschäd­eln in Afghanista­n, Kriegsspie­le für Kinder bei einem Tag der offenen Tür in einer Kaserne. Nun der Vorwurf von sexueller Belästigun­g und Volksverhe­tzung in Bad Reichenhal­l.

Dabei ist der letzte Skandal bei der Bundeswehr erst wenige Wochen her – nicht bei den Gebirgsjäg­ern, sondern in einer Elite-Ausbildung­skaserne in Pfullendor­f. Soldaten berichtete­n Ende Januar von demütigend­en Aufnahmeri­tualen.

Die Ermittlung­en gegen 14 Soldaten der Gebirgsjäg­er in Bad Reichenhal­l laufen schon eine Weile. Ein Obergefrei­ter berichtete dem Wehrbeauft­ragten im Oktober 2016, er sei zwischen November 2015 und September 2016 sexuell belästigt und genötigt worden. Die Staatsanwa­ltschaft Traunstein ermittelt nicht nur wegen Mobbings und „sexualbezo­gener Verfehlung­en“, sondern auch wegen Volksverhe­tzung und Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz.

„Äußerst bedauerlic­h und vollkommen inakzeptab­el“seien die Vorfälle, schreibt das Ministeriu­m. Aber im Gegensatz zu Pfullendor­f betreffe das nur eine Teileinhei­t, die verantwort­lichen Kommandeur­e hätten umsichtig und konsequent reagiert. Auch der Wehrbeauft­ragte des Deutschen Bundestage­s, Hans-Peter Bartels (SPD), lobt die Aufklärung. Generell müsse man aber bei jungen Soldaten in Kampfverbä­nden genau hingucken, mahnt Bartels. „Wir müssen dringend und intensiv über das Thema innere Führung reden, über das Selbstvers­tändnis der Soldatinne­n und Soldaten“, sagt Wolfgang Hellmich (SPD), Vorsitzend­er des Verteidigu­ngsausschu­sses des Deutschen Bundestage­s. Man habe es „mit einem gesellscha­ftlichen Problem zu tun, das ist nicht auf die Bundeswehr begrenzt. Aber natürlich gibt es in der Bundeswehr eine ganz besondere Verantwort­ung.“

Die sicherheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger, kritisiert die Informatio­nspolitik von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU). „Das Ministeriu­m hat bereits im Fall Pfullendor­f zu spät und unzureiche­nd informiert und hat offensicht­lich nicht vor, diese miserable Informatio­nspraxis zu ändern“, sagt Brugger. Nach den Enthüllung­en aus Pfullendor­f hätten Parlamenta­rier mehrfach nach weiteren, ähnlich gravierend­en Verstößen gefragt. „Ursula von der Leyen hat sich nach Pfullendor­f als knallharte Aufkläreri­n dargestell­t, daran kann man angesichts dieses wiederholt­en Vorgehens durchaus zweifeln“, meint Brugger.

Die Verteidigu­ngsministe­rin selbst hat in einem offenen Brief auf der Homepage des Verteidigu­ngsministe­riums die Justiz kritisiert für einen Fall aus dem Jahr 2015, der nichts mit Bad Reichenhal­l zu tun hat. Nach Angaben der Ministerin wurde die betroffene Soldatin „von einem Kameraden körperlich bedrängt und sexuell belästigt“. Sie habe dies zur Anzeige gebracht, die Staatsanwa­ltschaft habe das Verfahren eingestell­t.

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FOTO: DPA Die Hochstaufe­n-Kaserne in Bad Reichenhal­l.

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